„Wir werden damit zum Vorbild“, hatte Energieminister Claude Turmes gesagt, und seine grüne Partei- und Umweltministerkollegin Carole Dieschbourg war mit der ihr eigenen Art, die ganze Welt zu umarmen, überzeugt: „Wir schaffen das!“ Denn Luxemburg soll sich bis Ende des Jahres einen „Nationalen Energie- und Klimaplan“ geben. Das müssen alle EU-Staaten tun, weil es dabei um die Umsetzung der Beschlüsse des Pariser Klimagipfels geht. Doch die Regierung verfolgt besonders ehrgeizige Ziele, weil laut jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen weniger Zeit bleibt, als bisher gedacht, um unumkehrbare Veränderungen noch abzuwenden. Das nationale CO2-Aufkommen soll deshalb bis 2030 nicht nur um 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 gesenkt werden, wie das politisch schon 2014 beschlossen worden war, sondern um 50 bis 55 Prozent. Der Energieverbrauch soll um bis zu 44 Prozent sinken, der Anteil erneuerbarer Energien am Verbrauch auf bis zu 25 Prozent erhöht werden.
So hatte es der Regierungsrat am 8. Februar beschlossen. Drei Monate sind seither vergangen, in denen nicht mehr viel zu hören war von dem Vorbild-Vorhaben. Wer bei den politisch in der Sache federführenden Ministerien für Umwelt und Energie nachfragt, erhält zur Antwort, das Timing bis Ende 2019 sei nicht in Gefahr. Die Arbeiten gingen selbstverständlich weiter. Voraussichtlich im September soll eine öffentliche Kampagne stattfinden und in zwei Wochen ein erster Workshop mit Vertretern der Zivilgesellschaft.
Auf die wichtigste Frage soll es anscheinend erst im Oktober eine Antwort geben, wenn Finanzminister Pierre Gramegna (DP) den Staatshaushaltsentwurf fürs nächste Jahr vorlegt: Was wird der Energie- und Klimaplan fiskalisch mit sich bringen? Eine um bis zu 55 Prozent bessere CO2-Bilanz ist nicht zu haben ohne drastisch verringerte Spritverkäufe, die derzeit fast zwei Drittel zum CO2-Aufkommen beitragen und mehrheitlich an Transitreisende, LKW-Fahrer, Grenzpendler und Tanktouristen gehen. Weil der Export seit 2017 wieder zunimmt, nachdem er fünf Jahre lang rückläufig war, schafft Luxemburg seine Klimaziele bis 2020 wahrscheinlich gerade so. Dabei geht es dort nur um eine Senkung um 20 Prozent gegenüber 2005. Andererseits brachte, wie der Verband der Petrolbranche vor drei Wochen vorrechnete, das Tankstellengeschäft der Staatskasse vergangenes Jahr insgesamt zwei Milliarden Euro ein an Einnahmen aus Akzisen auf Treibstoff, Tabak und Alkohol, aus der Mehrwertsteuer und aus der Konzessionsabgabe der Tankstellenbetreiber. Wer derart viel weniger CO2 will wie die Regierung, muss zwangsläufig sagen, wie viel von den zwei Milliarden verzichtbar wäre oder wodurch sie ersetzt werden sollen.
Auch der 75 Seiten lange Entwurf des integrierten nationalen Energie- und Klimaplans für Luxemburg, der mittlerweile über die Webseite der Abgeordnetenkammer publik ist, äußert sich dazu noch nicht. Unter „Folgenabschätzung der geplanten Strategien und Maßnahmen“ steht lediglich, sie werde im Laufe des Jahres „konkretisiert“.
Die Regierung scheint das Kunststück fertigbringen zu wollen, den Einstieg ins Ende des Tankstellengeschäfts ab Oktober innerhalb von zwei bis drei Monaten einzuläuten. Politisch könnte das Sinn machen: Die Legislaturperiode ist noch jung, und die vorige hat gezeigt, dass auch nach einem Zukunftspak mit Mehrwertsteuererhöhung der Wiedereinkauf in die Wählerherzen gelingen kann, wenn dazu genug Zeit und die Konjunktur gut bleibt. Die Frage diesmal ist aber unter anderem die, ob eine Wette auf eine anhaltend gute Konjunktur sich wirklich vertrüge mit einer auf viel weniger CO2. Und ob zwei bis drei Monate reichen werden, um die Bürger vom Inhalt eines Zukunftspak 2.0 zu überzeugen.