Luc Frieden hatte nicht so stark hingelangt. Im Sommer 2012 ließ der damalige CSV-Finanzminister die Dieselsteuer um einen halben Cent pro Liter erhöhen. Dabei blieb es fast sieben Jahre, ehe ab kommendem 1. Mai auf Diesel zwei Cent mehr erhoben werden sollen. Die Benzinsteuer soll dann um einen Cent pro Liter steigen. Sie war zuletzt Anfang 2007 angehoben worden, je nach dem Schwefelgehalt eines Liters bleifreien Benzins um rund zwei Cent.
Aufschläge in dieser Höhe sind klein genug, dass sie Privatleute wenig treffen: Eine um zwei Cent höhere Dieselakzise plus Mehrwertsteuer macht 2,34 Cent mehr im Endpreis pro Liter. Allein zwischen Mitte Dezember 2018 und Mitte Februar 2019 differierte der Literpreis wegen des Auf und Ab des Rohölpreises zwischen 1,03 Euro und 1,10 Euro. Im Herbst lag er zeitweise bei 1,18 Euro. Was DP-Finanzminister Pierre Gramegna am Dienstag in seiner Budgetsried im Parlament in Aussicht stellte, wird untergehen in den Entwicklungen, die von der Terminbörse in Rotterdam bestimmt werden.
Gramegna schrieb in seiner Rede der Akzisen-Entscheidung eine „ganz klare Symbolwirkung“ zu. Und erklärte am Mittwochmorgen im Radio 100,7, dass die Regierung den Spritverbrauch „drosseln“ wolle, damit Luxemburg seine Klimaschutzziele einhält, heiße nicht zwangsläufig eine Akzisen-Erhöhung jedes Jahr. Am Ende könnte die Symbolwirkung der ganzen Übung darin bestanden haben, den Grünen in der Regierungskoalition und ihren Wählern politisch etwas nachgegeben zu haben.
Oder doch nicht? – Nur selten an der Akzisenschraube gedreht, und wenn, dann nur leicht, wird nicht nur um des lieben Friedens mit den Autofahrern willen. Steuern und Abgaben auf dem Geschäft der rund 240 Tankstellen mit ihren diversen Produkten, von Sprit über Tabak bis hin zu Kaffee, bringen der Staatskasse zehnstellige Beträge ein. 2,1 Milliarden Euro waren es 2012, schlüsselte die „Tanktourismus-Studie“ auf, die der Kölner Finanzwissenschaftler Dieter Ewringmann vor drei Jahren für das Umweltministerium angefertigt hatte.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet, zielten Pierre Gramegnas Erklärungen, die Akzisenerhöhung sei „ganz moderiert“, der Endpreis steige „nur ein klein wenig“, und das bringe der Staatskasse laut Schätzungen der Zollverwaltung „nur 2,5 Millionen Euro“ ein, wohl einerseits darauf ab, den Tankkunden im Inland nicht die Laune zu verderben: Wie in Frankreich die Bewegung der Gilets jaunes aufkam, weiß man ja. Nicht jeder kann hierzulande auf sein Auto verzichten, und die Einkommensungleichheiten sind vielleicht groß genug, dass ein an sich kleiner Sprit-
akzisenaufschlag viele Leute aufregen könnte.
Der Finanzminister spielt die Akzisenerhöhung aber auch herunter, weil er nicht weiß, wie sie für die Staatskasse ausgeht und ob der Spritverbrauch sinken wird. Der Staatshaushaltsentwurf geht davon aus, dass die „autonom“ (nicht in der Akzisenunion mit Belgien) erhobenen Einnahmen auf Mineralölprodukten um 20 Millionen Euro oder 10,4 Prozent gegenüber 2018 wachsen. Zwar fallen unter „Mineralölprodukte“ nicht nur Benzin und Diesel, Letzterer macht aber den größten Teil davon aus. Vom Finanzministerium wird auf Nachfrage erklärt, obwohl nicht nur 2,5 Millionen Euro Mehreinnahmen im Entwurf stehen, rechne man mit einer „Drosselung“; das sei „so berechnet“ worden. Zu glauben, der Minister meine, dass die Akzisenerhöhung sowieso nichts bringt, sei falsch.
Doch schon dass laut Haushaltsentwurf 2019 mehr an Mineralölsteuern als 2018 eingenommen werden soll, ist bemerkenswert. Das Umweltministerium notierte im Januar, 182 Millionen Liter Diesel und Benzin seien 2018 mehr verkauft worden als im Vorjahr, was fünf Prozent mehr CO2 entsprochen habe. Auch der Branchenverband Groupement pétrolier luxembourgeois (GPL) hält 2018 für ein „außergewöhnliches Jahr“, so sein Präsident Romain Hoffmann. Zum einen sei der Rohölpreis im Oktober auf 80 Dollar das Fass gestiegen, zwangsläufig kletterten die Endpreise. „Da nahmen ausländische Tankkunden die Preise bei uns plötzlich viel niedriger wahr als bei sich.“ Zum anderen habe der heiße Sommer den Pegelstand des Rhein derart sinken lassen, dass Treibstofftransporte per Binnenschiff unmöglich wurden. „Sie mussten auf Güterzüge und LKW umdisponiert werden, was mehr kostete.“ Vor allem in Deutschland seien die Mehrkosten an die Tankkunden weitergereicht worden. „In Luxemburg nicht, hier sind die Maximalpreise staatlich kontrolliert.“ Die Folge: mehr Tanktourismus.
Dritter Einflussfaktor seien die Gilets jaunes in Belgien gewesen, so Hoffmann: „In Wallonien hatten sie ein Tanklager besetzt, 400 wallonische Tankstellen konnten längere Zeit nicht beliefert werden.“ Auch die Luxemburger Tankstellenbetreiber hätten es „gerade so geschafft, ihre Produkte hierher zu kriegen“, konnten sich jedoch über gestiegene Nachfrage belgischer Kunden freuen. Bis Ende Dezember habe die Lage sich wieder normalisiert. „Der Rohölpreis gab auf 65 Dollar pro Fass nach, die Preise an den Tankstellen im Ausland waren wieder wie vorher.“
Der GPL-Präsident findet den Akzisenaufschlag erwartungsgemäß nicht gut: „Er senkt die Kaufkraft der Leute“, sagt er, räumt aber ein, dass sich die Rohölpreisentwicklung stärker auswirkt. Für einen Auftrieb reicht manchmal schon ein gegen den Iran gerichteter Tweet aus dem Weißen Haus.
„Anders ist es aber mit den professionellen Kunden“, insistiert Romain Hoffmann. Und erwähnt die Konkurrenz um Lastwagenkunden, in der Luxemburg vor allem mit Belgien steht. Unrecht hat er damit nicht: Nach einer EU-Richtlinie darf der Diesel-Akzisensatz nicht unter 33 Cent pro Liter liegen. In Luxemburg beträgt er derzeit 35 Cent, ab 1. Mai 37 Cent. In Belgien werden 53,8 Cent erhoben, doch ein Rückvergütungssystem erlaubt Fuhrbetrieben, die in Belgien tanken lassen, die teilweise Rückerstattung der Akzise zu beantragen. Die reicht so weit, dass am Ende kaum mehr als die 33 Cent Minimum zu zahlen sind. Die Mehrwertsteuer kann ebenfalls rückerstattet werden. In Frankreich besteht ein ähnliches System. In Luxemburg kann ein professioneller Tankkunde dagegen nur die Rückzahlung der TVA beantragen. „Im Grunde“, sagt Hoffmann, „liegt unser Vorteil gegenüber Belgien darin, dass dort mehr vorausgezahlt werden muss.“ TVA und Nominalakzise sind immerhin höher als hier.
Dennoch scheint das Groupement pétrolier den Akzisenbeschluss der Regierung recht gelassen zu sehen. Sein Präsident erkennt darin keine „Kriegserklärung“ an die Branche und ihre Margen. „Pierre Gramegna hat gesagt, es komme nicht automatisch jedes Jahr eine Akzisenerhöhung“, hält Romain Hoffmann die seiner Ansicht nach wichtigste Aussage des Finanzministers und Ex-Diplomaten fest. Und er kann sich schwer vorstellen, dass die Regierung vergessen könnte, dass „die Staatskasse der große Nutznießer“ des Tankstellengeschäfts ist.
Wie sich die Ertragslage der Petrol-Importeure und der Tankstellenbetreiber genau verhält, möchte der GPL-Vorsitzende nicht erläutern. Er sagt nur, auf jeden Liter verkauften Treibstoffs stehe dem Tankstellenbetreiber eine Brutto-Marge von zehn Cent zu, von der jedoch obligatorisch fünf bis sieben Cent Konzessionsabgabe an den Staat fällig würden. „Vom Rest müssen Betriebskosten, Personal und Investitionen bezahlt werden.“ Da bleibe nicht viel, um Lastwagen-Kunden Preisnachlässe zu gewähren. Was im Prinzip möglich ist, da der Staat nur Maximalpreise für Erdölprodukte festlegt.
So dass vielleicht das Tankstellenangebot im „Paket“ es ist, das dafür sorgen könnte – und soll –, dass Tanken in Luxemburg nicht zu rasch für zu viele uninteressant wird: Da geschätzte 80 Prozent der Tabakverkäufe an Auslandskunden gehen, gegenüber 60 Prozent des Spritabsatzes, ist der „Tabaktourismus“ ins Großherzogtum womöglich noch umfangreicher als der „Tanktourismus“. Vergangenes Jahr wurde erstmals die Drei-Milliarden-Grenze an verkauften Zigaretten überschritten. An Feinschnitt-Tabak wurden knapp 3 700 Tonnen verkauft, 90 Tonnen mehr als 2017. Der Präsident des Groupement pétrolier weiß, dass sich auch LKW-Fahrer an Tankstellen mit Tabakwaren eindecken. „Manche tanken und kaufen Zigaretten, andere kaufen nur Zigaretten.“
Erstaunlich ist das nicht. Wie der Finanzminister kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage hin erklärte, liegt der Endpreis einer typischen Zwanzig-Zigaretten-Packung in Luxemburg knapp acht Prozent unter dem in Deutschland, 31 Prozent unter dem in Belgien und 81 Prozent unter dem in Frankreich. Ein Kilo Feinschnitt-Tabak ist in Deutschland sechs Prozent teurer als in Luxemburg, in Belgien um ein Viertel und in Frankreich fast drei Mal teurer. Den „Tabaktourismus“ reduzieren zu wollen, ist zumindest bisher nicht im Gespräch. Der Staatshaushaltsentwurf rechnet 2019 mit 151 Millionen Euro Einnahmen aus „autonom“ von Luxemburg erhobenen Zigaretten-Akzisen,
5,6 Prozent mehr als 2018 und fast 60 Prozent mehr als die 95 Millionen Euro 2017.
Daraus könnte folgen, das ganze „Paket“ der gegenüber dem Ausland steuerlich begünstigten Waren an den Tankstellen unattraktiver zu machen – und sich haushalts- und steuerpolitisch auf den dann zu erwartenden Einnahmenausfall für den Staat einzustellen. Das ist im Koalitionsvertrag so nicht abgemacht. Dort ist nur festgehalten, „die Treibstoff- und Heizölsteuern anzupassen“, damit Luxemburg seine Klimaschutzverpflichtungen einhält, wie sie sich nach dem Pariser COP21 ergeben.
Sie zu erfüllen, hängt nicht nur von Einsparanstrengungen ab. Als die EU-Staats- und Regierungschefs 2014 politisch abmachten, was die EU in Paris anbieten könne, berichtete Premier Xavier Bettel (DP) anschließend, den „Besonderheiten der Mitgliedstaaten“ werde Rechnung getragen (d’Land, 7.11.2014). Das Abschlussdokument des EU-Gipfels hielt fest, es werde „viel mehr“ flexible Instrumente als bisher geben, um jenen entgegenzukommen, die ihre Emissionssenkungen nicht schaffen. Die EU-Verordnung vom 30. Mai 2018 über die verbindlichen Reduktionsziele bis 2030 listet in mehreren Paragrafen auf, wie eine ungünstige CO2-Bilanz aus dem einen Jahr in eine günstigere in einem anderen Jahr übertragen werden kann. Notfalls können auch Wälder und Grünflächen, weil sie CO2 binden, in die Bilanz eingehen, und manche Länder, darunter Luxemburg, dürfen sich ausnahmsweise, aber nur zum Teil, anrechnen lassen, was ihre Groß-Emittenden an CO2-Zertifikaten im EU-Emissionhandel nicht in Anspruch nahmen. Spielraum für eine mehr oder weniger symbolische Klima- und Haushaltspolitik besteht demnach.