Im Regierungsabkommen hatte die Dreierkoalition der Privatwirtschaft eine konkurrenzfähige und ausgeglichene Unternehmensbesteuerung in Aussicht gestellt, die es einerseits erlaube, die geschuldeten Steuern tatsächlich und schnell einzutreiben, und die andererseits die Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze fördere. Angesichts der vielen Initiativen der vergangenen Jahre, die Steueroptimierung internationaler Konzerne einzudämmen und den sich daraus ergebenden EU-Richtlinien gegen die Steuervermeidung (Atad) und zur Harmonisierung der Bemessungsgrundlage (CCTB) versprach die neue Regierung darüber hinaus ganz konkret, bereits 2019 den Körperschaftssteuersatz um einen Prozentpunkt zu senken und den Anteil des Einkommens, das mit einem reduzierten Satz von 15 Prozent versteuert wird, von 25 000 auf 175 000 Euro anzuheben. Denn, so hieß es im Koalitionsabkommen, die Umsetzung besagter EU-Richtlinien ziehe bereits jetzt eine Erweiterung der Besteuerungsgrundlage nach sich, einen deutlichen Rückgang der Anträge für einen Steuervorbescheid und steigende Substanzansprüche an die Firmen. „En réaction à ces évolutions, certains pays ont d’ores et déjà annoncé des réductions de leurs taux d’imposition ce qui a conduit à la baisse du taux d’imposition moyen tant au niveau de l’Union européenne (21,9%) que de l’OCDE (23,9%)” – wurde im Koalitionsabkommen vermerkt, im Vergleich zu 26,01 Prozent in Luxemburg kommunale Gewerbesteuer und Beschäftigungsfonds-Beitrag inklusive.
Finanzminister Pierre Gramegna hielt am Dienstag Wort, als er den Haushalt für das laufende Jahr unter dem Titel D’Weiche richteg stellen präsentierte. Er sandte ein Signal an die multinationalen Firmen, die den Ländervergleich vor Augen haben: „Op den 1. Januar 2019 geet d’Besteierung vun den Entreprisen um Niveau vum IRC vun 18 op 17 Prozent erof.“ Und um dem Vorwurf zu entgehen, die Multis würden gegenüber den heimischen Firmen bevorteilt, fügte er hinzu: „Gläichzäiteg geet de Montant, bis deen de reduzéierten Taux vun 15 Prozent gëllt, vun 25 000 op 175 000 Euro erop. Des Mesuren hëllefen all den Entreprisen, a besonnesch de Start-Upen an dem Mëttelstand.“ Der Kostenpunkt für beide Maßnahmen liegt laut Finanzminister bei 50 Millionen Euro jährlich ab nächstem Jahr.
Da die Steuererleichterungen für die Unternehmen damit zehn Millionen Euro günstiger wären, als die Mindestlohnerhöhung um 100 Euro, die der Staat den Arbeitnehmern als Gegenleistung dafür teilfinanziert, dürften sie kaum Kontroversen auslösen. Und das obwohl es zur Einschätzung der Wirkung von Steuermaßnahmen am notwendigen Datenmaterial fehle, wie der Wirtschafts- und Sozialrat in seiner Analyse des données fiscales au Luxembourg vergangenen November bedauerte.
Die Unternehmerverbände sind erwartungsgemäß erfreut. Jean-Paul Olinger, Generalsekretär des Unternehmerdachverbands UEL, begrüßt gegenüber dem Land die Senkung des Körperschaftssteuersatzes als „richtige Botschaft“, meint allerdings, dass sie im internationalen Vergleich nicht ausreiche. Dabei ist dies nicht die erste Senkung, welche die Unternehmen im Gegenzug für die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erhalten, die eigentlich erst dieses Jahr durch das Inkrafttreten der Atad-Richtlinie zustande kommt. Denn bei der 2016 beschlossenen Steuerreform hatten die Unternehmen sozusagen einen Vorschuss erhalten, indem der Körperschaftssteuersatz von 21 Prozent über drei Jahre auf 18 Prozent gesenkt wurde. Zusammen mit ihrem Beitrag zum Beschäftigungsfonds und auf der Grundlage des hauptstädtischen Satzes für die kommunale Gewerbesteuer ergab sich daraus im vergangenen Jahr ein Steuersatz von 26,01 Prozent. Er fällt durch die im Haushaltsgesetz vorgesehene Senkung ab diesem Jahr auf 24,94 Prozent. Dass das nicht ausreiche, begründet Olinger damit, dass andere Länder Luxemburg überholten und ihre Steuersätze schneller senkten. Beispielsweise die Niederlande, die angekündigt haben, ihren Satz bis 2021 auf 20,05 Prozent zu senken. „Für die Unternehmen ist es wichtig, eine vorgezeichnete Bahn zu sehen“, sagt Olinger. Dabei hatte Pierre Gramegna in seiner Rede am Dienstag betont, es gehe nicht darum Steuerdumping zu betreiben. Das sieht man auch bei der UEL ein. Einen Steuersatz, der im europäischen Mittelfeld liege, sei wünschenswert, sagt ihr Generalsekretär. „Niedrigere Sätze können wir uns nicht erlauben; das würden die anderen Länder einfach nicht akzeptieren.“
Auch die Anhebung der Einkommenstranche, die mit 15 Prozent versteuert wird, kann die UEL selbstverständlich begrüßen. In einer Stellungnahme vom Mittwoch stimmte die Handwerkskammer zu: „La Chambre des Métiers salue l’augmentation du plafond du taux réduit de 15 pour cent qui passe de 25 000 euros à 175 000 euros, en ce que cette hausse constitue une mesure susceptible d’amenuiser la charge fiscale des PME artisanales et d’améliorer ainsi leur capacité d’autofinancement.“ Zusammen mit dem Unternehmensbeitrag zum Beschäftigungsfonds und der kommunalen Gewerbesteuer ergibt sich daraus ein Steuersatz von rund 22 Prozent. Bei einem Jahresgewinn von genau 175 000 Euro, rechnet Olinger vor, zahle eine Firma ab diesem Jahr also 5 000 Euro weniger Steuern. Doch wie vielen kleineren Firmen diese Maßnahme tatsächlich zugute kommt, ist wiederum schwierig zu sagen. Denn in seiner Analyse hatte der CES beispielsweise auf die sehr hohe Konzentration bei den Steuerzahlern hingewiesen. Demnach trugen 2017 48 056 Firmen zu den Körperschaftssteuereinnahmen von insgesamt 2,114 Milliarden Euro bei. 75 Prozent davon wurden von nur 1,65 Prozent der Firmen bezahlt. In absoluten Zahlen würde das heißen, 800 Unternehmen zahlten 1,585 Milliarden Euro Steuern. Vier von ihnen zahlten der Analyse zufolge über 40 Millionen Euro, weitere vier zahlten zwischen 30 und 40 Millionen, acht zwischen 20 und 30 Millionen und jeweils rund 20 zwischen zehn und 20, beziehungsweise zwischen fünf und zehn Millionen Euro. Bei immerhin 207 Unternehmen betrug die Steuerabgabe zwischen einer und fünf Millionen Euro. Das könnte den Schluss nahelegen, die restlichen über 47 000 Unternehmen zahlten ohnehin nicht besonders viel Steuern. Doch für eine aussagekräftige Aufschlüsselung der Statistik, warnen Steuerexperten, fehlten auch hier die notwendigen detaillierten Daten.
In der Haushaltsvorlage finden sich Hinweise, dass man bei der Steuerverwaltung demnächst das Daten- und Digitalisierungsproblem angehen möchte. Denn es sieht vor, dass das Steuergeheimnis sozusagen mit outgesourct wird, wenn das Amt Dienstleistungen von Dritten beansprucht. Damit könnte möglicherweise das Installieren neuer Informatiksysteme abgedeckt werden, die schließlich auch das Erstellen detaillierter und aussagekräftiger Statistiken ermöglichen würden – und präzisere Simulationen, wie sich Steuersenkungen oder -anhebungen auswirken.
Der Finanzminister nutzte die Vorlage des Haushaltsgesetzes auch, um ein „Versäumnis“ bei der Umsetzung der Atad-Richtlinie nachzuholen. Dazu hatte ihn das Parlament vergangenen Dezember durch eine Motion aufgefordert, und darum hatte es in der Haushalts- und Finanzkommission (Cofibu) lebhafte Diskussionen gegeben (d’Land, 1. März 2019). Denn dass die Regierung bei der Umsetzung nicht alle in der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten genutzt hatte, darauf hatte eine Anwaltskanzlei den CSV-Abgeordneten Laurent Mosar hingewiesen. Dass er versuchte, auf Wunsch von Lobbyisten aus der Privatwirtschaft eine Gesetzesänderung einzubringen, hatte Mosar nicht von sich aus offengelegt.
Dabei ging es um die in der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, die Zinsschranke auf oberster Ebene eines steuerlich integrierten Firmenkonglomerats spielen zu lassen. Mit der Zinsschranke soll vermieden werden, dass Unternehmen uneingeschränkt Darlehenszinsen von der Steuer absetzen. Deshalb sind die Absatzmöglichkeiten auf 30 Prozent des Einkommens vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) beziehungsweise, wenn die realen Finanzierungskosten darüber hinausgehen, auf maximal drei Millionen Euro beschränkt. Wie aus den Erklärungen im Haushaltsgesetz hervorgeht, hatte die Regierung bei der Atad-Umsetzung die Möglichkeit, die Zinsschranke auf Gruppenebene anzuwenden, nicht genutzt, weil die Ebitda-Methode nicht mit der nationalen Steuergesetzgebung übereinstimme. Dort werde zur Berechnung der Steuerbasis einer steuerlich integrierten Firmengruppe „la masse des résultats fiscaux des sociétés impliqués“ benutzt, nicht das Gruppen-Ebitda.
Um dem Wunsch der Steuerberater und ihrer Fürsprecher im Parlament nachzukommen, hat das Finanzministerium deshalb im Haushaltsgesetz einen größeren Umbau der Steuerparagrafen vorgesehen: „Alors que des modifications fondamentales du régime d’intégration fiscale sont requises en vue de la mise en œuvre de la règle de limitation de la déductibilité des intérêts dans le chef de la société faîtière du groupe sous intégration fiscale ...“ Fortan können Firmengruppen demnach wählen, wo die Zinsschranke fällt – bei der Muttergesellschaft oder auf Ebene ihrer einzelnen Filialen. Da die Änderung auf eine Forderung aus der Privatwirtschaft zurückgeht – auch die Handelskammer hatte sie in ihrem Gutachten zum Atad-Gesetz gefordert – liegt der Verdacht nahe, dass sie Firmengruppen erlauben wird, ihre Steuern besser zu optimieren. Das ist allerdings nicht unbedingt der Fall. Denn entscheiden sich Firmengruppen für die Zinsschranke auf Filialebene, können sie möglicherweise jeweils die Drei-Millionen-Euro-Regel geltend machen.