Wer an Vorzeichen glaubt und hinter jedem politischen Auftritt einen großen Plan vermutet, konnte mit Interesse bemerkt haben, dass Déi Gréng ihren Parteitag am vergangenen Samstag ausgerechnet im Hesperinger Centre civic abhielten. Denn in dem Festsaal in der Primärschule gleich beim Park trifft die CSV sich gern, ob zum Sommerfest vor den großen Ferien oder zum Auftakt von Wahlkämpfen.
Und die Grünen empfahlen sich am Samstag unüberhörbar für eine Regierungsbeteiligung. Nicht nur der Hesperinger Gemeinderat Roland Tex meinte in seiner Eröffnungsrede, es sei nun aber langsam Zeit dafür. Der ganze Parteitag war ein Versuch, die mit über 120 Mitgliedern ziemlich stark vertretene Basis hinter das Projekt Ministrabilität zu scharen.
Doch ob die Grünen zur Verfügung stünden, falls die CSV-LSAP-Regierung zerbräche, und was man von einer schwarz-blau-grünen Koalition zum „Durchregieren“ hielte, über die CSV-Präsident Michel Wolter schon laut nachgedacht hat, wagte am Samstag keiner zu sagen. So deutlich der Parteitag Ambitionen zum Mitregierenwollen signalisierte: Zu welchem Preis, bleibt noch zu klären – wie auch die Frage, ob man sich mit einer rechtsliberalen CSV à la Wolter ebenso arrangieren könnte wie mit der sozialkonservativen à la Juncker. Viel zu bedeuten hatte die Auswahl des Tagungsorts in Hesperingen wahrscheinlich nicht.
Im derzeitigen politischen Durcheinander sind auch die Grünen damit beschäftigt, sich zu verorten, und präsentieren sich zunächst einmal als gereifte Oppositionskraft, die bereit ist für mehr, wenn’s sein muss. Deshalb war es kein Widerspruch, dass Fraktionssprecher François Bausch der Parteibasis die drei Tage vorher vom Finanzminister erhaltene Mehrjahres-Vorschau zu den öffentlichen Finanzen wie ein Staccato schlechter Neuigkeiten darbot, wie es Luc Frieden selber kaum besser gekonnt hätte, während Parteispräsidentin Sam Tanson es gleich im Anschluss übernahm, so viel gefühlte CSV-Nähe wieder zu brechen: „Ich habe mich gefragt, was die CSV für die nächsten Generationen gemacht hat. Ich habe darüber lange nachgedacht, aber mir ist einfach nichts eingefallen.“
Solche Pointen kommen gut an. Was zu machen wäre, weiß die grüSpitze aber auch noch nicht so genau oder sagt es nicht deutlich. Vor drei Jahren hieß es zum Beispiel noch forsch, der Beitragsplafond zur Rentenversicherung sollte auf den vier- oder den dreifachen Mindestlohn gesenkt werden, weil damit auch die Maximalrente sinkt. Am Samstag sprach Tanson nur von „stärkeren Einschnitten bei den Rentenversprechen“, die neben „alternativen“ Einnahmequellen nötig wären, weil die langfristigen Wachstumsannahmen zur Pensionsreform „falsch“ seien.
Ebenso vorsichtig blieb François Bausch mit seinen Gedanken zum Steuersystem: Neben der „tabulosen“ Analyse aller Staatsausgaben, einschließlich der Sozialausgaben, müsse man „etwas machen“, um die Einnahmen zu steigern; und zwar „bei einzelnen direkten Steuern, auch beim Spitzensteuersatz, und bei den indirekten Steuern“. Klarer drückt der Finanzminister sich bisher ebenfalls nicht aus. Nur gegen die europäische Finanztransaktionssteuer, für die Déi Gréng plädieren, und sei es nur für die Eurozone, ist Frieden kategorisch.
Aber mehr als um konkrete Maßnahmenvorschläge ging es dem Parteitag darum, den generationen-übergreifenden Ansatz als solchen zu kommunizieren. „Sozial [&] vernetzt, Generatioun Gréng“ stand in Fettdruck auf der Einladung an die Mitglieder zum Parteitag. Auf einer farbigen Abbildung weiter unten hielten Menschen verschiedener Hautfarbe und vom Kind bis zum Großvater einander umarmt und lachten froh.
Man muss gar nicht böswillig sein, um darin nicht nur ein Sinnbild für die Luxemburger Gesellschaft zu erkennen und eine Anspielung auf den Generationenvertrag, sondern auch eine auf die Furcht einer linksliberalen Mittelschichtenpartei, deren politische Vergangenheit radikaler war als ihre Gegenwart es ist, jungen Wählern der Generation Facebook womöglich nicht interessant genug zu erscheinen. Und so verabschiedete der grüne Kongress neben Resolutio-nen für einen Zukunftsdësch, der die Tripartite ersetzen soll, zur Pensionsreform sowie für eine europäische Sozialpolitik obendrein eine für eine „grüne Netzpolitik“. Die Volksaufstände in Nordafrika hätten sich nicht zuletzt dank des freien Internet organisieren können, meinte Parteipräsident Christian Goebel.
Doch das Bekenntnis zum freien Internet und zur „kurzfristigen Entkriminalisierung des Filesharing zur nichtkommerziellen Nutzung“, damit den Luxemburger Grünen nicht womöglich ähnlich wie den saarländischen Jungwähler an die Piratenpartei anhanden kommen, fällt leichter als die Klärung des Verhältnisses zu anderen Bewegungen im Lande.
„Wir wollten doch mal das Sprachrohr der neuen sozialen Bewegungen sein!“, erinnerte ein grüner Gewerkschaftler und riet, die Haltung der Arbeitnehmerkammer zur Pensionsreform zu unterstützen. Davon hielt die Parteispitze nichts. Erst als der Ex-Sozialist Raymond Becker meinte, den Gewerkschaften „unsere Bereitschaft zum kritischen Dialog zu signalisieren“, sei Ausdruck von „Sozialkompetenz“, einigte man sich darauf, das Gutachten der CSL zur Pensionsreform wenigstens zu analysieren. Es war die einzige Frage, über die der Parteitag ausführlicher diskutierte.