März ist der Monat der Parteitage. Am 10. März ist CSV-Kongress in Strassen, am 24. März grüner Kongress in Hesperingen, am 25. März LSAP-Kongress auf dem Kirchberg und am selben Tag ADR-Kongress im Kräizgrënnchen. Da kommt es den Parteitagsrednern von Mehrheit und Opposition erfahrungsgemäß immer gelegen, wenn die Koalition in den Vorwochen etwas öffentlich streitet. Die Parteispitzen der Opposition sind dankbar für die Gelegenheit, genüsslich darzulegen, welch zerstrittenes, also verantwortungsloses und inkompetentes Pack die Landesgeschäfte ausgerechnet in solch schwierigen Zeiten führe. Denn so hoffen sie, die immer ungeduldigeren Kongressdelegierten zu vertrösten, welche ihre blaue oder grüne Führung seit Jahren für unfähig halten, die Partei aus der babylonischen Gefangenschaft der Opposition heraus in eine strahlende Regierungszukunft zu führen. Geräuschvolle Diskussionen in der Koalition lassen sich da, oft trotz besseren Wissens, als hoffnungsvolles Zeichen deuten, dass das Warten bald ein Ende haben wird.
Doch auch den Spitzen der Mehrheitsparteien kommt etwas öffentlicher Streit vor den Parteitagen gelegen. Denn so können sie selbstzufrieden erzählen, wie mutig sie den verängstigten Koalitionspartner in seine Schranken weisen. Ohne den Kongress mit Ajustement, Krisensteuer, Mindestlohnsätzen und Kompetenzunterricht zu überfordern. Auf diese Weise versuchen die Helden solcher Epen, ihre Stellung in der Partei zu stärken, wie etwa Herr Wolter, der die Zigaretten aus dem Index, statt aus den Kneipen entfernen will, und sich kaum eine Gelegenheit entgehen lässt, um seinen scheinbar ohnmächtigen Regierungschef als politisches Auslaufmodell vorzuführen. Oder Herr Schmit, der entrüstet entdeckt hat, dass seine Regierung seit Monaten beabsichtigt, in einem zweiten Anlauf den Mindestlohn zu bezuschussen; der mit Unterstützung des OGBL zum Durchmarsch an der Partespitze angesetzt hat und nebenbei gleich seinen Fraktionsvorsitzenden als sozialpolitischen Sprecher der Partei ablöst.
Vor allem aber sollen die Kongressdelegierten von CSV und LSAP beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass starke Männer an ihrer Spitze den akut bedrohten Geschäftsfundus der Partei, das Versprechen von innerer, äußerer beziehungsweise sozia[-]ler Sicherheit, verteidigen, also die politische Identität, welche die Partei jahrzehntelang unverwechselbar machte. Aber gerade das ist in unsicheren Zeiten die traurige Lebenslüge dieser Parteien. Denn obwohl sie es nie zugeben dürfen, plagen sie doch immer öfters schreckliche Alpträume: Darin erscheinen im Kampf um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts ihr Wertkonservatismus und ihre Sozialpolitik nur noch als unzeitgemäße Hindernisse bei der von ihnen selbst für irgendwie unumgänglich gehaltenen Entfesselung der Marktkräfte. Doch die Basis von treuen Mitgliedern und Wählern verlangt in ihrer anscheinend naiven Unschuld noch immer nach dieser Sicherheit, nach Wertkonservatismus beziehungsweise Sozialpolitik.
Deshalb preist ein Teil der LSAP jede eigene Indexmanipulation als einen Sieg über jene, die den Index manipulieren wollen, und verteidigt ein Teil der CSV lieber die Wahlfreiheit einer Wirtin, Aschenbecher aufzustellen, als abzutreiben. Aber wer kann schon sicher sein, dass nicht auch dieser politische Spielraum nur bis zum übernächsten Fiskalpakt und Europäischen Semester hält? Da bleibt CSV und LSAP als einziger Trost die keineswegs paradoxe, sondern konsequente Beobachtung, dass in so entfesselt liberalen Zeiten ausgerechnet die DP als liberale Partei dabei ist, sich am erfolgreichsten überflüssig zu machen.