Steuerausfall durch Luxemburger Immobilienfonds: eine Berechnung

Happy few

d'Lëtzebuerger Land vom 29.03.2019

Inkorrekt „Nur zwei Dinge auf dieser Welt sind uns sicher: der Tod und die Steuer“, behauptete einst Benjamin Franklin. Er konnte sich nicht erträumen, dass es einmal ein Land geben würde, in dem für die „happy few“ paradiesische Verhältnisse ohne Steuern herrschen würden. Zumindest bis auf Weiteres. Denn das Koalitionsabkommen sieht vor: „Le Gouvernement veillera à contrecarrer les abus issus de l’utilisation du régime fiscal applicable aux Sicav-FIS (Fonds d’investissement spécialisé) dans le secteur immobilier au Luxembourg.“

Im Juni 2018 wollten die LSAP-Abgeordneten Franz Fayot und Yves Cruchten durch eine parlamentarische Anfrage an die beiden Minister Pierre Gramegna (Finanzen) und Marc Hansen (Wohnungsbau) sinngemäß Folgendes erfahren: Wie viele Spezialfonds gibt es, die in Luxemburger Immobilien investieren? Wie hoch ist der Steuerausfall? Ist es gerecht, dass nur so genannte „well informed“ Investoren in solche steuersparende Spezialfonds investieren dürfen? Geht von solchen Fonds nicht ein Preisdruck auf das Angebot von Bauflächen aus?

Die Antworten der Minister waren – ohne falsch zu sein – von einer verblüffenden ethischen Inkorrektheit. Sie schrieben, von einer Steuerbefreiung könne kaum die Rede sein: Immerhin würden diese Fonds eine Taxe d’abonnement von 0,01 Prozent auf dem Nettovermögen zahlen; eine Ausschüttung von Dividenden sei mit bis zu
42 Prozent beim Investor zu besteuern, und Spekulationsgewinne seien auch nach sechs Monaten Haltungsfrist noch zu besteuern, falls die Beteiligung zehn Prozent übersteigt. Der eventuelle Steuerausfall sei nicht zu ermessen. Dass diese Fonds nur für privilegierte Investoren aufgelegt würden, könne nicht behauptet werden, da es schon genüge, 125 000 Euro zu investieren.

Die Frage nach dem Steuerausfall möchte ich am Beispiel zweier real existierender Fonds beantworten.

Beispiel A) Der Fonds Leaseinvest Immo Lux SIF erzielte in Luxemburg laut Geschäftsbericht 2017 des belgischen Mutterhauses einen schönen Gewinn: „Depuis 2006 nous y avons réalisé 112 millions de plus-values outre nos revenus locatifs récurrents.“ Die Mietverträge sehen demnach für luxemburgische Immobilien annualisierte Einnahmen in Höhe von 32,02 Millionen Euro vor.

Selbst wenn man die Nettomiete nur mit der Hälfte ansetzt, wären zusammen mit den „plus-values“ innerhalb von elf Jahren 288 Millionen Euro zu versteuern gewesen. Das macht beim aktuellen Hebesatz der Stadt Luxemburg fast 75 Millionen Euro an Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Die Taxe d’abonnement dagegen betrug bei einem angenommenen unveränderten Netto-Fondsvermögen von 322 Millionen Euro während diesen elf Jahren lediglich 354 200 Euro. Der Geschäftsbericht bestätigt ehrlich, fast schon schuldbewusst, was unsere Politiker verniedlichen oder sogar verneinen wollen: „En tant que Sicav [on] bénéficie également d’un régime fiscal spécial au Luxembourg. Les autres filiales ou l’établissement permanent en Suisse [...] par contre, sont soumis à l’impôt sur le résultat.“

Auf der Ebene des Investors gibt es auch nichts zu holen. Die Ausschüttung der Dividende erfolgt ohne Quellensteuer, da der Fonds zu hundert Prozent Eigentum eines belgischen Real Estate Investment Trust ist und Artikel 156 des Einkommensteuergesetzes für Ausländer eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns ausschließt.

Im Geschäftsbericht der belgischen Mutter steht ehrlicherweise als Risikofaktor: „perte du régime fiscal transparent“. Die Antwort der beiden Minister ließ den Schluss zu, dass der genannte Risikofall nie eintreten wird und weiterhin großzügig auf die schuldbewusst und verlegen angebotenen Millionen verzichtet wird. Wohl dem Land und dem Finanzminister, die sich so etwas erlauben können.

Beispiel B) Der Cluster SCA FIS hatte zum 31. Dezember 2017 ein Bruttovermögen von 596 Millionen Euro in Luxemburger Immobilien investiert. Tendenz sehr schnell steigend, da mittlerweile landesweit bekannt ist, dass Banken ihren Luxemburger Ultrareichen aggressiv dazu raten, die bisher von Sociétés civiles immoblières (SCI) gehaltenen Immobilien per Sacheinlage in Spezialfonds einzubringen. Im Gegenzug werden dann Aktien eines neuen Teilfonds (Fachjargon „rent a compartment“) ausgegeben.

Fantasiegerüchte? Mitnichten. Am 19. Juni 2018 brachte die SCI Christophe Plantin zwei Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 1,09 Hektar in den neugeschaffenen Teilfonds „Mixed Use 4“ ein. Im Gegenzug wurden 72 000 Aktien à 10 000 Euro das Stück ausgegeben. Der Gegenwert der Immobilien, wie sollte es anders sein, wurde von einem Wirtschaftsprüfer konservativ auf 72 Millionen Euro geschätzt. Dies Transaktion beweist denn auch, dass die bis zum 31. Dezember 2018 geltende Regel, wonach Immobiliengewinne nur zu einem Viertel des Taux global zu besteuern waren, an Absurdität und Perversität nicht zu überbieten war. De facto kam durch die Transaktion kein Quadratzentimeter mehr Bauland auf den Markt. De jure blieben die Eigentümer die gleichen, nur konnte man aus einer steuerpflichtigen SCI in ein steuerbefreites Vehikel umsteigen, und dies zum Sondertarif von einem Viertel des Taux global.

Laut Bilanz 2017 hat Cluster SCA Mieteinahmen von 15 083 383 Euro sowie Gewinne von 7 821 419 Euro erzielt. Bei einem direkten Besitz oder bei einer Beteiligung an einer SCI zum Beispiel wären Steuern in Höhe von 10 451 000 Euro fällig gewesen, darunter über 800 000 Euro für den Fonds pour l’emploi. Die noch nicht realisierten Gewinne stiegen innerhalb nur eines Jahres um beachtliche 57 830 956 Euro.

Die Herren Gramegna und Hansen behaupten, die Dividende eines Spezialfonds sei mit bis zu 42 Prozent zu versteuern. Dies ist in der Theorie zwar eine korrekte, in Wirklichkeit aber eine blauäugige Antwort. Der Fonds selbst gibt in der Satzung und in den Anmerkungen zur Bilanz zu, wie es in Wirklichkeit funktioniert: „Distributions: All Shares are capitalization shares and no dividends will be declared and distributed.“ Und selbst wenn es Dividenden gäbe, könnte die Verteilung gemäß der „Note N° 20 Distribution Policy“ über den Weg „of dividends or through the redemption of Shares“ erfolgen. Ich glaube, es ist nicht schwer zu erraten, welche Form der Ausschüttung bevozugt würde. Fazit: Nach sechs Monaten Behaltefrist und bei einer Beteiligung von unter zehn Prozent gibt es für den Staat keinen einzigen Euro, außer der Taxe d’abonnement. Weder beim Fonds noch beim Anleger.

Am meisten hat mich an der Antwort der beiden Minister folgende Aussage gestört: „Si les FIS sont réservés à des investisseurs ‚avertis’, il faut toutefois souligner que sont considérés comme tels non seulement les investisseurs institutionnels et les investisseurs professionnels, mais également tout autre investisseur qui déclare par écrit qu’il adhère au statut d’investisseur qualifié et qui soit investit le montant minimum prévu par la loi soit bénéficie d’une attestation émise par un établissement de crédit ou d’une société de gestion. Partant, l’affirmation des honorables Députés selon laquelle ‚seul des investisseurs fortunés (...) peuvent en profiter’ ne peut guère être partagée.“

Es bedarf schon ziemlich viel Chuzpe, dies zu behaupten. Es sei denn, man ist der Meinung jeder Luxemburger könne mindestens 125 000 Euro investieren. Im übrigen bestätigt die Antwort (freudscher Lapsus) indirekt den bevorzugten steuerlichen Status. Der Zugang von anderen Investoren würde zudem die ungerechte Bevorteilung nicht abschaffen, sondern nur noch weiter ausbauen.

Diese Antwort der Minister ist zudem realitätsfremd. Die meisten der anvisierten Fonds sind in Form einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (Société en commandite par actions, SCA) gegründet. Der Komplementär ist wie gehabt eine SÀRL, die vom Initiator kontrolliert wird. Er allein bestimmt, wer Aktien zeichnen darf, eine Verwässerung der Resultate durch Außenstehende ist somit ausgeschlossen. Die oben erwähnte Sacheinbringung beweist, wer das Sagen hat: „L’Associé Gérant Commandité a décidé d’accepter l’apport de biens immobiliers dans le compartiment CLUSTER SCA, Sicav-SIF – Cluster Mixed Use 4.“

Die Aussage, eine Beteiligung über zehn Prozent würde bei Auflösung eine Besteuerung nach sich ziehen, ist ebenfalls blauäugig. Wie oben gesehen, gilt dies nicht für Ausländer. Der Gewinn eines inländischen Aktionärs würde schlimmstenfalls nur mit der Hälfte des globalen Steuersatzes besteuert. Das trifft zwar, wie die Herren Gramegna und Hansen korrekt erklärten, für alle Gesellschaften zu – nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass diese Körperschafts-, Vermögens- und Gewerbesteuern gezahlt haben.

Bei den Stock Options waren alle Parteien sich schnell eins, dem „Missbrauch“ ein Ende zu machen. Ich fürchte, bei den Spezialfonds sind es „few but too big shots“, an die sich trotz Koalitionsabkommen niemand herantraut – obwohl der Steuerausfall beträchtlicher ist und es zudem noch negative Nebeneffekte gibt.

Unsere Abgeordneten müssen sich fragen, ob die von ihnen geschaffenen Gesetze dem Verfassungsauftrag einer gerechten Steuerpolitik genügen. Werte Abgeordnete: Kommen Sie Ihrem Eid nach und sorgen Sie für die Einhaltung der Verfassung. Schließen Sie die (seit Herrn Frieden bekannten) Schlupflöcher in der Steuergesetzgebung. Diese sind so groß, dass ein ganzer Minibus jubilierender „happy few“ hindurchfahren kann.

PS: Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, dass es ausschließlich darum geht, die „abus“ von Spezialfonds, welche in Luxemburger Immobilien investieren, anzuprangern, und mit dem Ende des Spuks hoffentlich auch einen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot zu leisten. Dies entspricht auch dem Ziel des Koalitionsabkommens der Regierung.

PPS: Herr Guy Heinz, früherer Steuerdirektor, hat im Land vom 15. März dafür plädiert, die Veranlagung sollte auf Investorenebene erfolgen. Ich hingegen plädiere für eine Besteuerung der erzielten Mieteinahmen und der realisierten Spekulationsgewinne auf Fondsebene. Auf Grund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs sind deutsche Immobilienfonds seit 1. Januar 2018 direkt der Körperschafssteuer unterworfen. Ausländische Fonds (auch luxemburgische), die Immobilien in Deutschland kauften, konnten zuvor nicht von der steuerlichen Transparenz profitieren. Die Situation ist identisch für ausländische Fonds, die in luxemburgische Immobilien anlegen. Solche Ungleichbehandlungen im Steuerrecht hat der EuGH bereits mehrfach für unionsrechtswidrig erklärt. Der Steuersatz sollte sich an den gültigen Sätzen für Kapitalgesellschaften orientieren. Vorteile: Das Bankgeheimnis bleibt geschützt, die Ausschüttungspolitik spielt keine Rolle, und ausländische Investoren und Fonds werden wie inländische Investoren und Fonds behandelt.

André Schmit ist Bürgermeister von Schieren. Er hat fast 30 Jahre lang im Fondsgeschäft der Kredietbank gearbeitet. Schmit ist noch immer in Verwaltungsräten von verschiedenen Fonds tätig.

André Schmit
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