15 Jahre, nachdem die Abgeordnetenkammer im November 2003 die damalige Regierung einstimmig aufgefordert hatte, die Grundsteuer zu reformieren, scheint es nun ernst zu werden: Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) erklärte vor fünf Wochen in einem Radio 100,7-Interview, „so schnell wie möglich“ werde eine interministerielle Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht schreiben. Er soll zeigen, welche politischen Optionen es zur Reform gibt. Anschließend will die Regierung beraten, wie sie weiter vorgeht. Vermutlich mit dem Gemeindeverband Syvicol, denn das Impôt foncier ist eine kommunale Steuer. Weil sie nicht dem Gemeindefinanzausgleich unterliegt, ist sie sogar die wichtigste Steuer, über die eine Gemeinde autonom verfügt – obwohl die Grundsteuer zu den laufenden Komunaleinnahmen nur zwei Prozent beiträgt und so niedrig ist, dass Anekdoten über Spaßvögel kursieren, die auf einen Steuerbescheid über 2,50 Euro hin das Doppelte überweisen und die Verwaltung, die nicht wisse, wie sie das Trinkgeld verbuchen soll, zur Verzweiflung treiben würden.
Fragen nach den politischen Optionen weist das Innenministerium ab, solange der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe nicht vorliegt. Die Ministerin lässt aber ausrichten, „enorm wichtig“ sei ihr zum einen, dass durch das neue Regime Besitzer eines Eigenheims, die darin selber wohnen, „nicht zusätzlich belastet“ werden. Zum anderen solle die Grundsteuer „Teil einer effizienten Methode zur Bekämpfung der Spekulation auf Grundstückspreisen werden“. Denn die Spekulation, so Taina Bofferding, sei „einer der zentralen Gründe für die hohen Wohnungspreise in Luxemburg“.
Dass die für die Gemeinden zuständige Ministerin diese beiden Punkte betont, ist bemerkenswert. Auch das Koalitionsprogramm der Regierung erwähnt die Reform der Grundsteuer ausschließlich als Maßnahme, um „die Grunstücksspekulation zu konterkarieren“ und „das System kommunaler Taxen auf leerstehende Wohnungen und brachliegendes Bauland zu ersetzen und zu vereinfachen“. 2013 dagegen wollten DP, LSAP und Grüne mit der Grundsteuerreform in erster Linie den Gemeinden „ein stabiles Einkommen sichern, das zur Finanzierung der lokalen Infrastrukturen beiträgt“. Sollten die politischen Ziele, die mit der Reform verbunden werden, nun andere sein als vor fünf Jahren?
Zurzeit ist das schwer zu sagen. Premier Xavier Bettel (DP) hatte nach der Regierungsbildung im RTL-Radio erklärt, ob der Erlös aus der Grundsteuer weiterhin den Gemeinden zufließen werde oder der Staatskasse, sei noch offen. Anfang Januar sah es danach weniger aus, denn die Innenministerin sagte, die Gemeinden sollten einen „Einfluss“ auf die Grundbesteuerung behalten. Aktuell ist sie eine Art Vermögenssteuer auf den „Einheitswert“ von Flächen und Gebäuden. Den Einheitswert ermittelt die Steuerverwaltung in einem aufwändigen Verfahren. Ehe daraus die „Besteuerungsbasis“ wird, sind weitere Rechenoperationen nötig. Die Besteuerungsbasis wird von der jeweiligen Gemeinde am Ende je nach Grundtsückstyp mit lokalen „Hebesätzen“ multipliziert. Theoretisch könnte eine Gemeinde sich ihre Grundsteuerreform selber basteln, falls sie die Hebesätze drastisch erhöht. Doch das tut niemand, denn die Grundsteuer ist so niedrig, weil die Einheitswerte ein deutsches Modell sind, das seit der Nazi-Okkupation Luxemburgs nicht mehr aktualisiert wurde. Sogar neu gebaute Häuser in Top-Lagen rechnet die Steuerverwaltung auf Werte von 1941 um. Die Besteuerung pauschal zu erhöhen, ohne die Einheitswerte zu aktualisieren, würde Ungerechtigkeiten provozieren. Doch auch eine Aktualisierung könnte als ungerecht empfunden werden: In Randgemeinden der Haupstadt etwa, die 1941 überwiegend aus Wäldern und Wiesen bestanden, mittlerweile aber massiv urbanisiert sind, ergäbe sich aus zeitgemäßen Einheitswerten eine sehr viel höhere Steuerlast.
Die Regierung scheint nicht abgeneigt, vom komplexen Einheitswert-System teilweise abzurücken und nur noch die Grundstsückwerte zu besteuern, aber nicht mehr die Gebäude. Gegenüber heute wäre das eine Vereinfachnung. Darauf deutet hin, dass Taina Bofferding erklärt hat, ein „Gleichgewicht bei der Besteuerung von Grundstückswerten“ müsse gefunden werden. Der Koalitionsvertrag wiederum bringt die Grundsteuerreform in Verbindung mit den kommunalen Flächennutzungsplänen (PAG). Bis zum 1. November dieses Jahres soll in jeder Gemeinde ein „PAG der neuen Generation“ in Kraft oder zumindest das Verfahren dazu gestartet sein. Die Einstufung der Flächen im PAG hat Einfluss auf ihren Wert. Da Grundstückswerte eher steigen als sinken, gäbe ihre Besteuerung natürlich eine längerfristig stabile Einnahmequelle her; für welche öffentliche Kasse auch immer.
Sich Inspiration aus Deutschland zu holen, ist für Luxemburg vor zwei Wochen heikler geworden. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr das veraltete Einheitswert-System für verfassungswidrig erklärt und bis Ende 2019 zu ändern verlangt – sonst müsse die Grundsteuer außer Kraft treten. Einem am 1. Februar getroffenen politischen Kompromiss zufolge sollen in Deutschland Gebäude- und Grundstückswerte besteuert werden, wenngleich auf vereinfachte Weise. Eine große Rolle bei der Besteuerung soll eine „durchschnittliche Nettokaltmiete“ in Wohnungen spielen. Diesen Ansatz zu übernehmen, weil man das deutsche System schon hat, wäre für Luxemburg keine gute Idee: Es wäre eine Einladung, die Steuer auf die Mieter abzuwälzen, und ginge konträr zu den Bekenntnissen für „erschwingliche Mietwohnungen“. Wie die Dinge liegen, ist Luxemburg mit seiner Grundsteuerreform auf sich allein gestellt.