"Einmütig sind also Fürsten mit Biedermännern jeglichen Standes vermengt, Ludwig XIV. und Hypothekenbewahrer Franz Düren (...) deutliche Zeugnisse des hiesigen Geschichts- und Selbstbewusstseins um die Jahrhundertwende", schrieb Paul Margue zur Neuauflage von Ehrenstaatsarchitekt Karl Arendts ab 1904 erschienener Porträt-Galerie hervorragender Persönlichkeiten aus der Geschichte des Luxemburger Landes von ihren Anfängen bis zur Neuzeit.
Als wären durch den Millennium Bug am Sylvestertag 1999 die Zähler wieder auf 1900 gesprungen, als hätte das gesamte 20. Jahrhundert einschließlich seiner bei allen Vorbehalten nicht zu leugnenden Fortschritte in der Luxemburger Geschichtsschreibung nicht stattgefunden, veröffentlicht nun der Lamadelainer Kugelstoßmeister, Freizeitmaler und Lokalhistoriker Roger Bour Portraits. Wer ist wer in Luxemburg? 1 500 bedeutende Persönlichkeiten aus 1 500 Jahren Geschichte, Politik, Wissenschaft, Kunst, Literatur, Musik, Sport usw.
Sein von Premier Jean-Claude Juncker mit einem Vorwort bedachtes Who is Who? großer Männer und einiger Frauen der vaterländischen Geschichte beginnt bei Bischof Kunibert, der laut Seite 9 "nachweislich" und laut Seite 120 "angeblich" gegen 550 bei Remich geboren wurde, und endet bei heute 30-jährigen Jungmalerinnen, die durch den Katalog einer Sparkassenausstellung Unsterblichkeit erlangten. Statt Ludwig XIV. bei Arendt gehört bei Bour zu den in der Einleitung versprochenen "1 500 Luxemburger Persönlichkeiten" Victor Hugo.
Was dem Autor am meisten fehlt, ist der Überblick, um die historische Bedeutung der Personen für ihre unterschiedlichsten Fachbereiche einschätzen zu können und so zu entscheiden, ob sie eines Eintrags würdig sind und wie ausführlich dieser ausfallen soll. So kopiert er nicht selten samt des altertümlichen Stils unkritisch, was ältere Autoren bis August Neÿen, Karl Arendt und Jules Mersch über die unbedeutendsten mittelalterlichen Grafen und die aufgeblasensten Notabeln des 19. Jahrhunderts zusammengetragen haben, und vermischt es mit zeitgenössischen Malern, Komponisten, Schauspielern und Sportlern, über die es ebenfalls leicht zugängliche biografische Notizen bei Armand Bausch, Guy Wagner, Léon Blasen und anderen gibt.
Politiker, Gewerkschafter und Unternehmer des 20. Jahrhunderts kommen dagegen kaum vor. Für mehr als die paar Staatsminister, einige hauptstädtische Bürgermeister, Lydie Polfer und Robert Krieps war kein Platz, dafür aber für die Stammbäume von 36 Lokaladeligen. Hinterlässt Kichechef-Suppenkaspar René Pütz wirklich mehr Spuren in der Geschichte als John Castegnaro?
Bei Eigenbeiträgen über Zeitgenossen opfert Bour die lexikografische Knappheit redseligen Betrachtungen, peinlichen Bewertungen und Plattitüden. Die Detailfehler sind nicht selten, von Colette Flesch, die nie EU-Kommissarin war, über Gust Graas, der neben Hobbymaler auch CLT-Generaldirektor war, von den Erscheinungsjahren von Robert Manderscheids Romanen bis zu den Schauspielkünsten Frank Hoffmanns. Bei manchen Autoren werden langatmig Werke aufgezählt, bei anderen kein einziges. In ein Nachschlagewerk passen auch keine relativen Zeitangaben wie "vor zehn Jahren".
Die Abwesenheit eines Lektorats macht sich schließlich durch stilistische Patzer bemerkbar. Léon Kriers Entwürfe sind "stets zweckbezogen und schließen immer einen gewissen Grad an Zweckbezogenheit mit ein", und dem Évêque de la Basse-Moûturie fehlt zwar ein Zirkumflex, aber dafür veröffentlichte er ein "Handbuch des Großherzogtums, das er in den Jahren zuvor bereist hatte, begleitet von 40 Sepia-Lavierungen".
Roger Bour: Portraits. Wer ist wer in Luxemburg? 1500 bedeutende Persönlichkeiten aus 1500 Jahren Geschichte, Politik, Wissenschaft, Kunst, Literatur, Musik, Sport usw., Eigenverlag, Vertrieb Imprimerie St. Paul, Lamadelaine 2000, 317 S., 1 980 Fr.