"Es gibt genügend Universitäten in Europa, wo man mittelalterliche Poesie in allen Feinheiten studieren kann, das müssen wir nicht auch in Luxemburg anbieten", zitierte am Freitag Luc Deitz, der Verantwortliche der Réserve précieuse der Nationalbibliothek, Staatsminister Jean-Claude Juncker während einer Podiumsdiskussion am 16. Juni. Um dann darauf hinzuweisen, dass das umfangreiche Werk von Nicolaus Mameranus seit 500 Jahren auf seine Erforschung wartet.
Nicolaus Mameranus wurde vielleicht 1500 geboren, im selben Jahr wie sein Kaiser Karl V., und hieß laut Jules Vannérus (Biographie nationale) möglicherweise Nik Wagener. Er brachte es vom Soldaten zum Hofdichter Karls V., dem er bei vielen Kriegszügen durch Europa und bis Nordafrika folgte, und studierte zwischendurch in Emmerich, Köln und Bordeaux. Wie die humanistischen Intellektuellen seiner Zeit wagte er sich an fast alles: er schrieb Historien, theologische Streitschriften, Satiren, pädagogische und numismatische Abhandlungen, sammelte römische Inschriften und produzierte Gelegenheitsgedichte. Modisch gab er sich einen lateinischen Namen und nannte sich nach seinem Heimatdorf Mamer. Dass der Kaiser ihn für die treue Propagandaarbeit zu belohnen begann, stieg ihm schließlich in den Kopf.
Wie die Mehrheit der "berühmten Luxemburger" war Mameranus stockkonservativ. Er verteidigte den reaktionären spanischen Katholizismus und hasste die Lutheraner und Franzosen. Eines seiner ersten Bücher, von denen er einige in der Kölner Druckerei seines Bruders Heinrich herstellen ließ, war De causa calamitatum huius temporis (1546), ein für die Glaubensspaltung typisches, finsteres Klagelied über die Laster und Verkommenheit der Zeit. Als Anhang zu Georg Sabinus' Electio et coronatio Caroli V (1550) berichette er über die Herrschaft seines ein Weltreich regierenden Kaisers.
Als Historiker war Mameranus, der vorübergehend von den Fuggern bezuschusst wurde, vor allem ein pingeliger Buchhalter. So stellte er einen detailreichen Katalog des gesamten spanischen Hofs, Catalogus familiae totius aulae Caesarae (1550), und eine Kurtze und eugentliche Verzeychnus (1566) des Hofstaats beim Reichstag in Augsburg auf. Im Schmalkaldischen Krieg griff er sogar auf die doppelte Buchführung zurück: Er verfasste einen Catalogus omnium generalium, tribunorum, ducum primariorumque totius exercitus Caroli V (1550) der kaiserlichen Kriegsmaschinerie und einen Catalogus expeditionis rebellium (1550) des ihr gegenüberstehenden feindlichen Heeres. In 360 Hexametern besang er die Einweihung des Brüsseler Willebroeck-Kanals, Descriptio novi aquaeductus (1562), dichtete über den spanischen Handkuss, Carmen de bezo las manos (1550), und reimte einen Text zusammen, in dem alle Wörter mit demselben Buchstaben beginnen, Dictiones quae ab C et P incipiunt (1550).
Zum 500. Geburtstag Mameranus' liegen ein Dutzend seiner kleinen Bücher im tristen Treppenhaus der Nationalbibliothek unter Glas. Zusammen mit der einzigen Studie über ihn - von Abbé Nicolas Didier (1915) -, einigen anderen Büchern und einem vom Mamer Lions Club faksimilierten Festungsplan seines Bruders Thomas. Die für den Club zusammengestellte Ausstellung dauert nur eine Woche. "Dann stellen wir die Bücher wieder in den Schrank und sehen uns in 500 Jahren zur nächsten Gedenkfeier wieder", meinte Luc Deitz sarkastisch. Wenn dann ein Service-Club wieder eine Beschäftigung sucht.
Bis zum 25.11. in der Nationalbibliothek, fotokopierter Katalog kostenlos.