Wie andere Leute Tagfalter des Amazonas oder Nacktsamer des Pazifiks, so sammelt und katalogisiert Pierre Even Nassauer. Jenes Fürstengeschlecht, dem der in Wiesbaden lebende Vorsitzende des Luxemburger Freundeskreises Rhein-Main e.V. etwas Tragisches und damit Edeles abzugewinnen scheint, weil es durch "permanente Aufsplitterungen" (S. 8) seiner Herrschaftsgebiete nicht die Bedeutung als europäisches Herrscherhaus erlangt habe, die ihm eigentlich zustünde.
Tatsächlich tragen die Nassauer im Jahr 2000 nur noch die Kronen der beiden Kleinstaaten Niederlande und Luxemburg. Im Vergleich zu mächtigen Dynastien wie den Bourbonen, Romanows und Mandschu ist das aber kein Grund zum Klagen.
Vielleicht als sein Lebenswerk veröffentlichte der fleißige Hobbyhistoriker und Sammler von Nassauer-Devotionalien nun ein drei Kilo schweres, großformatiges Album mit der Systematik der Nassauer, Dynastie Luxemburg Nassau. Der reich illustrierte Band besteht aus rund 100 kürzeren oder längeren Biographien meist ziemlich merkwürdiger Männer und zweier Frauen, von Seite elf Dudo Graf von Laurenburg (1093 erstmals urkundlich erwähnt) bis 360 Seiten und 907 Jahre später zur Eidesleistung Großherzog Henris.
Linné hätte seine Freude gehabt an der säuberlichen Aufteilung nach den frühesten Nassauer Grafen, den ersten Walramen, der älteren Idsteiner Linie, der älteren Weilburger Linie, der jüngeren Idsteiner Linie, der mittleren Saarbrückener Linie, der Usinger Linie, der jüngeren Weilburger Linie, dem ersten Ottonen, der älteren Hadamarer Linie, der älteren Dillenburger Linie, der älteren Beilsteiner Linie, der Bredaer Linie, der Siegener Linie, der jüngeren Dillenburger Linie, der jüngeren Hadamarer Linie, der Diezer Linie, den niederländischen König-Großherzögen und schließlich den Luxemburger Großherzögen.
Manche dieser Lebensläufe können als leicht absurde Kuriosa gelesen werden, bei anderen, insbesondere der letzten Jahrhunderte, gewinnt man einen interessanten Einblick in das Hofleben und die Sichtweisen der beschriebenen Fürsten. Die biographische Form führt aber nicht selten zu Wiederholungen und erschwert das Verständnis historischer Zusammenhänge, die über den Eindruck hinausgehen, dass die Geschichte noch immer von großen Männern gemacht werde.
Meist übernimmt Even ohnehin in einem untertänigst ergebenen Stil den Standpunkt der von ihm beschrieben Fürsten. So ist ein "gestrenger Landesherr" (S. 35) jemand, der einen Bauernaufstand niederschlagen lässt, und auch bei der Rolle des späteren Großherzogs Adolf in der Revolution von 1848 scheinen Ursache und Wirkung etwas verwechselt. Bei den Krisen der Luxemburger Monarchie, wie 1890, 1919 oder 1940, lässt Even es oft an kritischer Distanz zu den Monarchen fehlen. Damit verpasst er leider die Gelegenheit, aus seinem durchaus reichen Quellenmaterial eine aufgeklärte Analyse von Perioden der Luxemburger Geschichte zu versuchen, die noch immer von staatstragenden Mythen verschleiert sind.
Bezeichnenderweise erlischt Evens Interesse an den Oranien-Nassauern mit dem Tod des niederländischen König-Großherzogs Wilhelm III. 1890, und er beschränkt sich dann auf die Luxemburger Großherzöge. Dadurch bekräftigt er die Darstellung, dass die Luxemburger Dynastie kein vor einem Jahrhundert in Preußen konstruiertes Retortenbaby ist, sondern bis ins romantische Dunkel der Zeiten und mindestens auf den mittelalterlichen Dudo zurückgeht.
Vielleicht verkraftet ein echter Nassauer-Anhänger es nur schwer, dass immer das nicht-nassauische Geschlecht des Blanne Jang als "eine der ruhmreichsten und anziehendsten Perioden unsere Landesgeschichte" dargestellt wird, wie dessen Biograph Johann Schötter 1865 despektierlich dem Nassauer Wilhelm III. eine Widmung schrieb.
Pierre Even: Dynastie Luxemburg Nassau. Éditions Schortgen, Luxemburg 2000. 383 Seiten, 3 985 Fr., mit Schuber 5 900 Fr., im Ganzleder 15 000 Fr.