Am 9. Mai haben die Malaysier eine neue Regierung gewählt. Nach dem Regierungswechsel hat der neue Premierminister, der 92-jährige Mahathir Mohamad, ohne viel Zeit zu verlieren, den Chef der Anti-Korruptionsbehörde und den Generalstaatsanwalt ausgetauscht. Dadurch könnten die Wahlen in Fernost relevant für den Luxemburger Finanzplatz werden. Denn da die neue malaysische Führung mit dem Versprechen gewählt wurde, mit der Korruption im Land aufzuräumen, dürfte die malaysische Justiz fortan ein verstärktes Interesse daran haben, mit ausländischen Behörden zusammenzuarbeiten, denen sie bisher die Kooperation verweigert hat. Darunter auch die Luxemburger Staatsanwaltschaft, die bisher vergebens auf Informationen aus Malaysia gewartet hat, um einen der größten Geldwäschefälle bisher überhaupt aufzuklären, der die Banque Privée Edmond de Rothschild mit Sitz im schicken Limpertsberger Villenviertel betrifft.
Konkret geht es um Gelder, die dem malaysischen Staatsfonds 1Malaysia Development Berhad, kurz 1MDB, gestohlen wurden, mindestens 3,5 Milliarden Dollar ab 2009. Da auch Mahathir Mohamads Vorgänger im Amt, der abgewählte Najib Razak, vorgeworfen wird, sich mit fast 700 Millionen Dollar bereichert zu haben, sein Stiefsohn und dessen Vertraute ebenfalls im Verdacht stehen, Gelder abgezweigt zu haben, beschrieb eine amerikanische Staatsanwältin, die vor zwei Jahren Anklage erhob, die Vorgänge als den „umfangreichsten Kleptokratie-Fall“ in der US-Geschichte. Von den 3,5 Milliarden Dollar, von denen in der US-Anklage die Rede geht, floss fast eine halbe Milliarde, durch die Banque Edmond de Rothschild in Luxemburg. Rund ein Viertel davon, 100 Millionen Dollar – ein Teil davon besteht aus Wertpapieren, deren Kurs schwankt –, froren die Luxemburger Justizbehörden bei einer Hausdurchsuchung am 29. Juni 2016 ein, wie die Nachrichtenagentur Reuters vergangenen Freitag meldete. Obwohl die Staatsanwaltschaft vor zwei Jahren mit 90 Polizisten anrückte, verlief die Hausdurchsuchung dermaßen diskret, dass die Beschlagnahmung der Summe bisher unbekannt war. Das Geld befand sich auf dem Konto der Firma Vasco Investments bei Rothschild. Wie es dahin gekommen ist, kann man im Bericht des FBI-Agenten Robert Heuschling nachlesen, der Grundlage für die Anklage vor dem Central District of California ist.1
2012 gab 1MDB mit Hilfe von Goldman Sachs zwei Anleihen aus, „Project Magnolia“ am 21. Mai und „Project Maximus“ am 19. Oktober, die 1MDB netto 3,189 Milliarden Dollar einbrachten. Das Geld sollte in Energieprojekte investiert werden. Für die Anleihen Magnolia und Maximus bürgte nicht nur 1MDB, sondern auch die International Petroleum Investment Company (IPIC), ein Staatsunternehmen aus Abu Dhabi. Als Gegenleistung für die Garantie sollte sich IPIC an den von 1MDB aufgekauften Energieprojekten mitbeteiligen dürfen. CEO von IPIC war Khadem Abdullah Al-Qubaisi, der ebenfalls Verwaltungsratsvorsitzender von Aabar Investments PJS war, einer Filiale von IPIC, deren CEO Mohamed Ahmed Badawy Al-Husseiny war.
Nur Tage nachdem die Gelder der Magnolia- und Maximus-Anleihen verfügbar waren, wurden sie aus New York auf ein Konto von 1MDB bei der Schweizer Filiale der Falcon Private Bank überwiesen, die Aabar Investments PJS gehört. Von dort ging ein Teil auf ein Konto der BSI Bank in Lugano, das auf Aabar Investments PJS Limited lief, eine von Al-Qubaisi und Al-Husseiny geleitete Firma der britischen Jungferninseln (BVI), die also fast so hieß wie die legitime Firma aus Abu Dhabi, mit ihr aber nichts zu tun hatte. Wiederum von da aus gingen sie auf ein Konto bei der Standard Chartered in Singapur, das auf Blackstone Asia Real Estate Partners lief, ein Fantasiename, der ebenfalls an den einer richtigen, unabhängigen Firma angelehnt war (Blackstone Real Estate). Von diesem Blackstone-Konto wurden am 29. Mai, 1. August, 29. Oktober und am 30. November 2012 insgesamt 472,750 Millionen Dollar auf ein Konto der Banque Privée Edmond de Rothschild überwiesen, das auf die Firma Vasco Investments registriert war, ebenfalls eine BVI, deren Nutznießer Al-Qubaisi selbst war. Am 20. Februar 2013 wurden zusätzliche 20,7 Millionen Dollar von einem weiterem Betrugskonto an Vasco Investments überwiesen.
Die 394 Millionen Dollar, die vor zwei Jahren nicht bei der Rothschild beschlagnahmt werden konnten, waren bereits wieder abgeflossen. Al-Qubaisi kaufte davon in den USA über Strohleute Luxusimmobilien: ein Penthouse im Walker Tower in New York für ungefähr 50 Millionen Dollar, die Laurel Beverly Hills Mansion für 31 Millionen Dollar sowie eine weitere Immobilie für 15 Millionen Dollar in Beverly Hills.
Die neue malaysische Regierung will die gestohlenen Gelder nun zurückhaben. Denn soweit der malaysische Staat für die 1MDB-Anleihen gebürgt hat, müssen sie zurückgezahlt werden. Ansonsten riskiert die Regierung nach einem Zahlungsausfall von den Rating-Agenturen herabgestuft und von den Finanzmärkten dafür bestraft zu werden. Deshalb sagte Mahathir vergangene Woche in Kuala Lumpur: „We have to...if it implicates the government, the government has to pay.“ Und weiter: „The focus on corruption is important because we need to get back money which is still in Swiss, U.S., Singapore and maybe Luxumbourg“, berichtete Reuters eine Woche nach dem Regierungswechsel. „Vielleicht Luxemburg“ – sicher war sich Mahathir demnach nicht, dass in Luxemburg 100 Millionen Dollar für ihn zum Abholen bereitlägen. Da aber bereits vor geraumer Zeit ein Rechtshilfeersuchen an Malaysia ausgestellt wurde, kann dies nur bedeuten, dass in Kuala Lumpur bisher niemand darauf reagieren wollte. Land-Informationen zufolge wurde nach dem Regierungswechsel in Malaysia ein neuerlicher Antrag ausgestellt.
Die CSSF brummte der Bank bereits vor einem Jahr ein Rekordbußgeld von fast neun Millionen Euro wegen Verstößen gegen Anti-Geldwäschebestimmungen auf. Daher begannen Akteure und Beobachter am Finanzplatz Luxemburg sich zu fragen, warum es bisher keine Anklage und strafrechtliche Folgen gab. Dem Land sagte der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar Ende April: „Die CSSF (...) hat ein schweres Fehlverhalten festgestellt und administrative Sanktionen verhängt. Jetzt muss die Justiz gegebenenfalls strafrechtliche Verfahren gegen diese Banken einleiten. Es kann nicht sein, dass strafrechtliche Folgen ausbleiben, wenn die Vergehen so schwerwiegend sind, wie die von der CSSF verhängten Strafen vermuten lassen.“
Wenn die malaysischen Behörden nun im Gegenzug für ihre Millionen kooperieren und Informationen über den genauen Sachverhalt liefern, könnten strafrechtliche Folgen in absehbarer Zeit Realität werden. Die Untersuchung der Staatsanwaltschaft richtet sich derzeit gegen die Banque Edmond de Rothschild, ihren früheren CEO Marc Ambroisien, gegen Khadem Al-Qubaisi und die BVI-Firma Vasco Investments.
Ein Prozess könnte aber noch für viele andere Parteien ungemütlich werden. Die Summe, die Al-Qubaisi dem malaysischen Volk mithilfe der Rothschild entwendet hat, ist nicht nur im Absoluten beeindruckend. Im Vergleich mit der Geschäftslage der Privatbank wundert es nicht, dass manche hinter vorgehaltener Hand fragen, wie es möglich ist, dass sie überhaupt noch eine Banklizenz hat. Denn eine halbe Milliarde Dollar frischer Kundeneinlagen vom Kunden Al-Qubaisi konnten bei der Rothschild, die 2011 eine vergleichsweise bescheidene Bilanzsumme von 4,2 Milliarden Euro sowie Kundeneinlagen von 3,5 Milliarden Euro auswies (davon 2,4 Milliarden von verwandten Unternehmen), keinem Mitarbeiter verborgen bleiben. Ein Kunde, der die Einlagen dermaßen schlagartig ansteigen lässt? Da hätte irgendjemand in der Bank hinterfragen müssen, woher das Geld kam und wohin es ging.
Und wahrscheinlich gab es Fragen und Diskussionen. Am 6. November 2012, eine Woche nachdem die dritte Tranche von 129 Millionen Dollar auf Al-Qubaisis Rothschild-Konto einging, teilte der damalige Vorstandvorsitzende Frédéric Otto dem Verwaltungsrat seinen Rücktritt mit. Daraufhin wurde Ambroisien von Baron und Baronin Benjamin de Rothschild als sein Nachfolger eingesetzt. Ob Ottos Rücktritt im Zusammenhang mit den Zahlungen an Al-Qubaisi steht, wollte die Bank gegenüber dem Land nicht kommentieren. Kommt es zum Prozess wird dabei auch zur Sprache kommen, ob und wem Mitarbeiter eventuelle Zweifel an der Herkunft von Al-Qubaisis Vermögen, diesem High Net Worth Individual, gemeldet haben und was daraufhin von welchen Stellen unternommen wurde. Der Ausgang eines Rothschild-Verfahrens wird deshalb Signalwirkung haben. Denn die Vorgänge sind relativ rezent, stammen nicht aus einer „anderen Zeit“. Wird es strenge Strafen für die Verantwortlichen geben oder beschränkt sich die Neuausrichtung der Banken nach der Abschaffung des Bankgeheimnisses darauf, statt vieler kleiner Steuerhinterzieher ein paar große Betrüger zu bedienen?
Im Ausland hat es bereits harte Strafen für die am 1MDB-Skandal beteiligten Banken gegeben. In Singapur hat die Finanzaufsicht die Filialen der BSI Bank und der Falcon Private Bank geschlossen. Auch in der Schweiz wurden die BSI und die Falcon von der Finanzaufsicht Finma sanktioniert, gegen JP Morgan läuft die Finma-Ermittlung noch. Die BSI wurde von einer anderen Bank übernommen und aufgelöst. Falcon Private Bank darf drei Jahre lang kein Geld von politisch exponierten Personen annehmen. Gegen die beiden Banken, sowie gegen Al-Qubaisi und Al-Husseiny hat die Schweizer Bundesanwaltschaft Strafverfahren eingeleitet und in diesem Rahmen auch Luxemburg um Rechtshilfe gebeten. Die Falcon Bank Switzerland, bei der Al-Husseiny das Sagen hatte, gehört übrigens seit 2013 der Luxemburger Gesellschaft Aabar Trading Sàrl, die Teil des Firmennetzes ist, das die Staatsunternehmen von Abu Dhabi in Luxemburg aufgebaut haben.