Deutlicher hätte die Rüge kaum ausfallen können. „Es reicht!“, warnte Jean-Paul Lehners von der Menschenrechtskommission auf einer Pressekonferenz am Dienstag eindringlich, und er meinte einen Skandal, der seit Jahrzehnten Alltag in Luxemburg ist: das Wegsperren von Minderjährigen im Gefängnis für Erwachsene. Allein in den vergangenen sechs Monaten waren 21 Minderjährige im Centre pénitentiaire in Schrassig inhaftiert, der jüngste war gerade einmal 11 Jahre alt.
Weil die Situation seit Jahren unverändert ist, hat sich die Kommis-sion des Themas angenommen – und ein 22-seitiges Gutachten erstellt. Darin enthalten: neueste Belegungszahlen, eine Analyse der Haftbedingungen und Hintergründe der Inhaftierten sowie diverse Auszüge aus Beschwerden nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen. Den Anfang machte das Anti-Folterkomitee des Europarats in Straßburg, als es 1993 an die luxemburgischen Autoritäten appellierte, „qu’elles prennent des mésures immédiates pour mettre sur pied une unité spéciale pour la détention des mineurs“.
Fast im Jahresrhythmus hagelte es von da an Ermahnungen, alle mit demselben Tenor. Zuletzt forderte das Anti-Folterkomitee der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr, straffällige Jugendlichen und erwachsene Straftäter endlich in getrennten Einrichtungen unterzubringen, jugendliche Delinquenten und jugendliche Opfer voneinander zu trennen. Passiert ist nichts. Mit dem Bau einer geschlossenen Jugendanstalt sei nicht vor 2010 zu rechnen, so Familienministerin Marie-Josée Jacobs (CSV) auf eine parlamentarische Anfrage im März dieses Jahres.
Anstatt nun die Zeit zu nutzen, um wenigstens die Haftbedingungen in Schrassig nachhaltig zu verbessern, kann auch davon keine Rede sein. Obschon als Jugendschutzmaßnahme angekündigt, fehlen eine adäquate therapeutische und pädagogische Betreuung bis heute, die Angebote hängen stark vom vorhandenen Personal und seinem Engagement ab. 15 Unterrichtsstunden und vier Stunden Sport wöchentlich beinhaltete das Beschäftigungsprogramm der Jugendlichen, welche die Kommission für ihr Gutachten besuchte, und sie spricht von einem „milieu déshumanisé, sans aucun projet éducatif“. Oft sind es noch weniger.
Damit nicht genug. Obwohl das Wegsperren einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt und eigentlich nur als ultima ratio Anwendung finden sollte, kommen nach wie vor auch verhaltensgestörte Jugend-liche ins Gefängnis. Dabei werden häufig nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebenen Prozeduren eingehalten. So soll das Jugendgericht Diekirch es immer wieder versäumen, angeklagten Jugendlichen einen Anwalt zur Verfügung stellen. Die Verlängerung der so genannten „garde provisoire“ erfolge oftmals ohne Anhörung des Jugendlichen und seiner Eltern, so dass diese nicht wissen, warum ihr Kind hinter Gittern bleiben muss. Während bei Erwachsenen der Bruch der Regeln und Fristen Sanktionen nach sich zieht und die unverzügliche Freilassung des Betreffenden zur Folge hat, sei dies ausgerechnet bei Jugendlichen nicht der Fall, so die Kommission weiter, welche die Regierung und alle anderen Verantwortlichen in ihrem 16-Punkte-Forderungskatalog unmissverständlich auffordert, endlich den nationalen und internationalen Verpflichtungen nachzukommen.
Dazu zählen neben der Bereitstellung ausreichender finanzieller und personeller Mittel ausgereifte Konzepte für eine jugendgerechte Resozialisierungsarbeit. Referenten könnten als Mediatoren zwischen Jugendlichen und Institutionen vermitteln. Zunächst aber müssen geeignete Infrastrukturen her.
Die geplante Unisec (unité de sécurité) aber löst die menschenrechtlichen Bedenken eher nicht. Die Kommission stößt sich daran, dass die geschlossene Unterbringung auf demselben Gelände erfolgen und vom gleichen Direktor verantwortet werden soll wie vom Jungenheim Dreiborn. Die räumliche Nähe zur Unisec könnte die anderen Kinder in Dreiborn unnötig stigmatisieren. Ähnliche Bedenken hatte zuvor die Ombudsfrau für die Rechte vom Kind, Marie-Anne Rodesch-Hengesch, geäußert. Ein Einwand, den Mill Majerus vom Familienministerium aber nicht gelten lässt. Man wolle eben „keine Sackgasse“ schaffen, sondern einen Übergang zwischen Dreiborn und geschlossener Unterbringung ermöglichen, sagte er dem Land. Ein pädagogisch-therapeutisches Konzept sei derzeit in Arbeit und soll, zusammen mit dem Baukonzept, noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt werden.