Es ist ein bekanntes Motiv auf Werbeplakaten oder in Magazinen: Unternehmen, die Kampagnen mit Porträts ihren eigenen Mitarbeiter lancieren, gelten zumeist als modern und sympathisch. Gleiches gilt für Firmen, die Stiftungen oder Aus- und Fortbildungszentren für ihre Mitarbeiter gründen und so auf zeitgemäße Weise in die eigene als auch in die gesellschaftliche Zukunft investieren.
Dass dieses Phänomen nicht erst in Zeiten hipper Werbeagenturen und dem whitewashing diverser Multis aufkam, zeigt die aktuelle Ausstellung La Forge d’une société moderne des CNA in Düdelingen. Die von Marguy Conzémius und Françoise Poos kuratierte Ausstellung präsentiert rund 150 Bilder aus den Jahren 1911 bis 1937, die zur Promotion der Arbed und des Institut Emile Metz angefertigt wurden. Die Fotografien stammen aus einem Korpus von 2 400 gläsernen Fotoplatten, die 2007 im Lycée Privé Emile Metz in Dommeldingen entdeckt und von der Amicale ehemaliger Schüler dem CNA zur Archivierung übergeben wurden. Mit Hilfe der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft wurden die Bilder aufwändig restauriert und digitalisiert.
Die Bilder aus der Zeit der Industrialisierung Luxemburgs zeigen unter anderem die imposanten Produkte der Stahlindustrie, wie gigantische Zahnräder, kunstvolle Kaminplatten oder skulptural anmutende Kurbelwellen. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Arbed-Mitarbeiter, die stolz neben ihren Produkten, bei der Ausbildung im psychotechnischen Labor des Instituts oder bei den organisierten Freizeitaktivitäten an der belgischen Küste zu sehen sind. Die Brillanz und Schärfe der restaurierten Bilder lässt den Betrachter ebenso erstaunen wie die kunstvolle Inszenierung der Motive, die auf einen ausgeprägten Sinn für Formen und Bildkomposition hinweist.
Die Fotografien aus dem von Emile Metz’ Witwe gegründeten Institut dokumentieren die Bestrebungen der Arbed, eine soziale und pädagogische Rolle zu spielen und die Arbeiter – ganz nach dem Ideal heutiger Personalpolitik – persönlich an Unternehmen und Produkt zu binden. Das Ausmaß der fotografischen Kommunikation der Ausbildungs- und Fertigungsprozesse bezeugt den Anspruch des Unternehmens, fortschrittlich zu sein und Einfluss auf die Entwicklung von Gesellschaft und Arbeitswelt auszuüben. Wie im Pressetext vermerkt, bildete doch gerade die neue Arbeiterschaft den Kern des „nation-building“. Die gewandelte Mentalität in Form einer Abkehr von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen der frühen Industrialisierung zeigt sich schon allein darin, dass Menschen sowohl als Subjekte pädagogischer Ausbildung als auch als Produzenten der Produkte im Mittelpunkt der Fotografien stehen.
Inspiriert von dieser Sammlung startete die Universität Luxemburg 2012 mit Hilfe des CNA das Forschungsprojekt Famosos (Fabricating modern societies), das sich einerseits mit der damaligen Sicht auf Arbeitskräfte und deren Ausbildung beschäftigt, andererseits mit der visuellen Darstellung des Arbeiters und dem Einfluss dieser Repräsentation auf gesellschaftliche und unternehmerische Strukturen.
Trotz akribischer Dokumentation über Aufnahmezeit und -ort war längere Zeit unklar, wer Urheber der technisch und künstlerisch überaus hochwertigen Aufnahmen war. Es bedurfte einiger Forschungsarbeit, um herauszufinden, dass es sich dabei um den Arbed-Chemiker Camille Aschmann handelte, Urgroßvater des Fotografen Christian Aschmann. Aschmann war zudem ab 1920 Chemielehrer am Institut Emile Metz. Sein Enkel, Philippe Aschmann, und Co-Kuratorin Françoise Poos würdigen den Fotografen in einer Präsentation im Oktober (siehe Informationen).
Die Präsentation der Bilder in hochwertigen Holzrahmen entlang der Wände wird ergänzt durch Schaukästen in der Mitte des Raumes, die zum einen eine Auswahl verschiedener Publikationen der Bilder zeigen, zum anderen jedoch auch den archivarisch-technischen Bereich beleuchten und neben Informationen zu Aufnahmeverfahren, Restauration und Reproduktion auch einige der Glasplatten bereithalten.
Mit La Forge d’une société moderne liefern das CNA und die beteiligten Institutionen nicht nur einen umfassenden Einblick in die Entwicklung der Luxemburger Stahlindustrie und der schon damals großen Bedeutung einer corporate identity, sondern veranschaulichen auch vorbildlich, wie ansprechende Archivarbeit gemacht wird.