Es ist wirklich unglaublich! Letzten Umfrageergebnissen zufolge mögen die Einwohner Luxemburgs – Achtung: jetzt kommt’s! – von allen Jahreszeiten am liebsten den Sommer. Wer hätte das gedacht? Angesichts der vielen wissenschaftlichen Studien über den Zusammenhang zwischen Sonnenlichtmangel und Depressionen wäre nie jemand darauf gekommen, dass die Menschen statt grauem Himmel und Regen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt es bevorzugen, wenn die Sonne scheint und sie mit leichter Kleidung noch abends draußen mit Freunden oder der Familie zusammensitzen können. Zugegeben, bei der großen Hitze in den vergangenen Wochen hat sich schon so mancher beschwert; über den Kreislauf, die schlafraubenden Krampfadern, dass den Garten nur noch nachts gießen und das Auto nur noch heimlich waschen darf, wer nicht als Trinkwasserverschwender gelten will. Da hätten vielleicht Zweifel aufkommen können. Gut also, dass das Marktforschungsinstitut Ilres die Wettervorlieben ermittelt und geklärt hat: Ganze 44 Prozent der befragten Einwohner Luxemburgs mögen den Sommer lieber als den Frühling, den Herbst und den Winter, den überhaupt nur vier Prozent mögen. Fragt sich nun, ob die Entscheidungsträger auf dem Markt für Wetter darauf reagieren, ob Petrus fortan dafür sorgt, dass immer Sommer ist im Großherzogtum? Denn wer sonst hätte diese Umfrage bestellen sollen?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Ilres für höhere Mächte aktiv wird. Im April handelte die Ilres sogar im direkten Auftrag von Gott. Pünktlich zu Ostern ging es in der „Frage des Monats“ um die Auferstehung. Glauben die Luxemburger an ein Leben nach dem Tod, ja oder nein? Die Ergebnisse sind ernüchternd: 40 Prozent glauben, dass mit dem Tod alles vorbei ist. Und 33 Prozent glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, „haben aber gar keine genaue Vorstellung davon, wie das vor sich gehen soll“. Man könnte nun einwenden, dass ein noch viel größerer Prozentsatz der Leute keine konkrete Vorstellungen davon haben, wie das Leben auf Erden so vor sich gehen soll, und es ist auch verwirrend, dass Petrus fürs Wetter zuständig ist UND im Himmel den Türsteher macht, aber die springende Frage lautet: Was zum Teufel fängt Gott mit diesen Umfrageergebnissen an?
Ob er seinen Sohn noch einmal herunterschickt, um das alles auf ein Neues zu erklären, wie die Einlassmodalitäten für das Paradies sind, in welchem Fall man sich erst einmal im Fegefeuer ein wenig gedulden muss und wie das mit der Hölle ist? Berät sich Gott mit Gast Gibéryen von der ADR, kann dieser ihn nur warnen, dass warscheinlich noch weniger Leute gläubig sind, als ihm die Ilres verspricht. Denn sie schätzt die Wählerschaft meistens viel zu konservativ ein. Bei den Wahlen 2004 hatte sie der ADR sieben Sitze vorhergesagt und am Ende waren es nur vier, 2009 versprachen die Ilres-Umfragen der ADR sechs Parlamentssitze werden. Gewählt wurden aber lediglich vier Kandidaten.
Manchmal lässt sich die Ilres auch mit den dunklen Mächten ein. Vergangenes Jahr hatte sich die Firma vom Beratungsunternehmen PWC – aka die Steuerberater, denen die Luxleaks-Akten geklaut wurden – einspannen lassen, um mit einem repräsentativen Panel im Vorfeld der Steuerreform darüber zu debattieren, wie diese ausfallen sollte. Dabei hatten sich die Meinungsforscher besondere Mühe gegeben, die Zusammensetzung der Luxemburger Bevölkerung widerzuspiegeln und vorsorglich Steuerexperten ins Panel gemischt. Sie kamen sodann – wiederum eine Überraschung – zur Schlussfolgerung, dass die Steuern für die Unternehmen dringend gesenkt werden müssten. Diese repräsentative Bürgerdiskussion erlaubte es den Verantwortlichen von PWC, den Hauptverantwortlichen dafür, dass, wie es einst Staatsminister Xavier Bettel (DP) sagte, „das ganze Land durch den Dreck gezogen“ wurde, vor Kameras und Mikrofonen sagen konnten: Das Volk verlangt Steuersenkungen für die Unternehmen.
Vielleicht wollte die Ilres-Leitung mit ihrem Panel verhindern, dass bei einer Telefonbefragung 99 Prozent aller Teilnehmer gesagt hätten, sie verstehen nicht, was die Körperschaftsteuer, was ein Hybrid und was eine Flat Tax ist. Das wäre zwar 100 Prozent repräsentativ gewesen, hätte aber nicht den Auftrag von PWC erfüllt und daher erheblich das Risiko erhöht, dass die Rentner und Studenten, die für die Ilres arbeiten, angefangen hätten, die Umfragebögen zu fälschen. Meistens sind sie, beziehungsweise das Mitleid mit ihnen, ja ohnehin der Grund, weshalb überhaupt irgendjemand an den Befragungen teilnimmt. Entweder hat man selbst als Student dort gearbeitet, man hat Kinder, die sich dort ein Zubrot verdienen, oder kennt Senioren, die sich dort Zeit und Einsamkeit vertreiben. Sie hätten keinen Verdienst mehr, würde die Ilres aufhören, sich mit ihren absurden Monatsfragen selbst im Gespräch und den Online-Medien zu halten.