In der Garten- und DIY-Abteilung des Supermarktes wird es einem schlagartig bewusst: Die letzte wirkliche Männerdomäne seit Fußball aktiv und passiv auch Frauensache ist, fällt. Das letzte Rückzugsgebiet, in dem die Rollenverteilung zwischen Geschlechtern noch klar war, der letzte sichere Hafen vor der Gender-Debatte, in dem Mann noch richtig Mann sein konnte, ist dabei erobert zu werden: der Grill.
Beim Grillen galten so weit einige Grundregeln und ein fester Ablauf. Ein Mann entfacht ein möglichst großes Feuer. Es entsteht viel Rauch, der in den Augen beißt. Das nimmt der Mann hin, denn am Grill kennt er keinen Schmerz, auch wenn er sonst beim kleinsten Schnupfen tagelang das Bett hüten muss. Durch das große Feuer entsteht viel Hitze, dem Mann wird heiß, sein Gesicht rötet sich und er schwitzt ausgiebig. Deshalb und weil der Rauch auch in der Kehle brennt, trinkt er ein Bier, falls notwendig auch mehrere. Das Bier holt ihm die Frau – da er das Feuer hüten muss, kann er seinen Posten nicht verlassen.
Dann legt der Mann sehr viel Fleisch auf den Grill, neuer Rauch entsteht. Es zischt, wenn Blut und Fett auf die Glut tropfen. Das Geräusch sich bildender Karzinome beglückt ihn in der Gewissheit, Ernährer zu sein. Es weckt irgendwo zwischen Stammhirn und limbischen System einen Urinstinkt sowie die Erinnerung an jene Zeit als ein männlicher Vorfahre auf der einen Schulter den gerade von ihm erlegten Säbelzahntiger zum Feuer schleppte, und auf der anderen Schulter eine hungrige, also sexuell gefügige Frau. Gesellt sich ein weiterer Mann dazu, kommunizieren sie, nebeneinander, biertrinkend und auf die Glut starrend, in einer dem Grunzen nicht unähnlichen primitiven Lautsprache. Die Ascheschicht, die einen Großteil des männlichen Körpers mittlerweile bedeckt, stört ihn nicht beim Verzehr der von ihm zubereiteten, halb rohen, halb verkohlten Fleischwaren, wozu der Mann auf alle Tischmanieren pfeifend seine schmutzigen Hände gebraucht. Die Frau versucht, ihm dazu ein wenig Salat zu reichen, den er, mangels Besteck, leider nicht essen kann.
Dass diese Schutzzone der Freiheit und Männlichkeit in der Gartenabteilung durch Sabotage, ja quasi einen Akt der Selbstkastration, in Gefahr ist, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Denn dort geht es mittlerweile zu wie im Autohaus, einem anderen ehemaligen Männerhort. Wie in der Autobranche gibt es Official Dealer, die kleine und große Modelle mit allerhand Optionen und Extras verkaufen. So ein Marken-Gasgrill kostet mit Zubehör gerne so viel wie der Familienurlaub an der spanischen Riviera. Und in der Garage nimmt er ebenso viel Platz ein wie ein Kleinwagen.
„Genesis II“ heißt der Ferarri unter den Gasgrills für 1 199 Euro, so als ob der Grillhersteller mit seinem neusten Modell Anspruch erhebe, die Schöpfungsgeschichte neu zu schreiben. Demnach schuf Gott einen Mann. Aus dessen Rippchen machte er eine Frau. Die Frau ließ sich von der Schlange dazu verführen, den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu pflücken. Gott wurde sauer, er warf Mann und Frau aus dem Paradies, bevor sie mehr von seinem Obst stehlen konnten, schickte aus Wut und für den besseren Effekt einen Blitz hinterher. Es entstand ein Feuer. Der Mann hielt den Apfel übers Feuer und erfand: das Grillen.
Doch bei genauerer Betrachtung der Grill-Accessoires wird offensichtlich, wie sie das Grillen als ursprünglichste und maskulinste aller Arten der Nahrungszubereitung in Gefahr bringen. Die vielen verschiedenen Zangen, Gabeln und Spieße, die Astronautenhandschuhe sind dabei noch das kleinste Übel, obwohl sie die Verletzungsgefahr mindern und damit der ganzen Angelegenheit des Risikofaktors berauben, der sie interessant macht. Die Pizzasteine und allerhand Gemüsepfannen, die es als Grillaufsatz zu erstehen gibt, geben spätestens dann ihre ganze Lächerlichkeit preis, wenn man den Grill als Grillaufsatz à 60 Euro entdeckt, der den Steaks ein Rauten- statt eines Streifenmuster verpasst, so als ob sich der Neandertaler um die Ästhetik seines frisch erbeuteten Abendessens gesorgt hätte.
Das Feuer entzündet der Mann heute nicht mehr, indem er einen kräftigen Schuss Benzin auf die Kohlen gibt und, von einem zufriedenstellen „Puff“ begleitet, die Zigarette darauf fallen lässt, sondern indem er extra-gepresste Briketten zusammen mit geruchloser Öko-Zündwolle in einen Mini-Schornstein fügt und mittels Sicherheitszündhölzern einen Sickerbrand verursacht. Da ist es gedanklich nur noch ein Katzensprung, bis Gemüse und vegane Würste auf dem Rost liegen.
Die Grillhersteller bieten zu Unterhalt und Pflege gleich eine ganze Reihe von Produkten an, die den Grillmeister seiner Manneskraft berauben. Macht der Mann alles nach Vorschrift, deckt er seinen Grill nach dem Essen nicht nur mit einer maßgeschneiderten Hülle ab, um ihn vor den Elementen zu schützen, sondern reinigt ihn vorher mit einem Aschestaubsauger. Der Einsatz dieses Gerätes könnte sich als hinterlistige Falle erweisen. Denn wer einmal am Grill beweist, dass er mit einem Staubsauger umzugehen weiß, läuft große Gefahr, sein Können auch an anderer Stelle, beispielsweise hinter dem Sofa im Wohnzimmer, einsetzen zu müssen. Allerspätestens aber wenn der Grillmeister sein Zubehör mit dem Sonder-Grill-Mikrofasertuch vom Hersteller poliert, ist es mit der Kommunikation mit der Natur und dem inneren Urmenschen, den Säbelzahntigern und willigen Frauen endgültig vorbei.
Dass die moderne Grillkultur dem modernen Mann, trotz Hochglanz-Pornomagazinen wie Beef und phallusförmigen Räuchergrills, nicht dabei behilflich ist, sich wieder als Mann zu spüren, sondern seinen Wandel zum metrosexuellen Wesen beschleunigt, belegen die vielen, akkurat in 700-Gramm-Tüten abgepackten Räucherspäne, die in mehr Duftnoten (Cherry, Pecan, ...) angeboten werden, als es in der Haushaltswarenabteilung Duftkerzen gibt. Man merkt es auch daran, dass der Hersteller für günstige 100 Euro Kurse in der vom Grillhersteller zertifizierten Grill-Akademie anbietet. Deren Beschreibung beschwört die Atmosphäre von Kosmetikverkaufsveranstaltungen herauf, bei denen die Fachkraft der aufopferungsbereiten Gastgeberin das richtige Auftragen des Lidschattens erklärt, während die anderen Prosecco trinken und über Bekannte tratschen. Auch der Hinweis darauf, dass die Anwärter auf ein Diplom der Grill-Akademie aufgrund des geplanten Alkoholkonsums mindestens 18 Jahre alt sein müssen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies eine Tarnveranstaltung ist, um Männer mit Hilfe von Kräutern und Sößchen, die sie in Schweinerippen massieren, endgültig Richtung Herd zu locken.