Susy Ciacchini hat gerade Stress. Sie bereitet ihre Jubiläumsausstellung vor, die am heutigen Freitag Vernissage feiert. Vor 25 Jahren hat sie die Galerie Orfèo in der Rue des Capucins eröffnet. Mit ihrem Konzept war sie Vorreiterin: Sie stellt neben bildenden Künstlern – hauptsächlich Skulptur, Malerei und Keramik – zeitgenössischen Schmuck aus, den sie ebenfalls wie Kunstwerke präsentiert. Eine Mischung, auf die sie hält, weil sie ein breiteres Publikum in die Galerie locke.
Sonst organisiert sie Vernissagen für einen Künstler, diesmal sind es um die 30. Sie rätselt, wie sie die vielen Objekte in ihrer Galerie, die so groß ist wie ein Taschentuch, anordnen soll, damit jedes davon zur Geltung kommt. In schwarzen Turnschuhen, Jeans und schlichtem Pulli wirkt sie wesentlich jünger als 65. Während ihr Mann gut gelaunt Bilder der letzten Ausstellung in Blisterfolie verpackt, organsiert sie am Telefon und Computer das Abholen der Bilder, die sie für Freitag braucht. Zeit zum Reden hat sie nicht wirklich, um über sich selbst zu reden schon gar nicht. „Ich habe gerade so viel zu tun, dass ich gar nicht mehr weiß, wer ich selber bin“, sagt sie und lacht, ein Hinweis, dass sie sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Susy Ciacchini lacht offen und mit Leichtigkeit und vor allem oft.
Dass sie zur Galeristin für zeitgenössischem Schmuck wurde, verdankt sie dem Zufall und dem 1995 verstorbenen Schmuckkünstler Jean Hilger, der sie, die zuvor für Architektenbüros gearbeitet hatte, rekrutierte, um seine Galerie zu führen. Davon verstand sie damals nichts, wie sie betont. Dennoch nahm sie die Herausforderung an. Hilger, sagt sie, warf sie ins kalte Wasser, sie musste schnell lernen. „Wenn ich etwas mache, dann will ich es auch gut machen“, so Susy Ciacchini mit entschlossenem Lächeln, „dann arbeite ich mich ein.“ Als Hilger seine Galerie aufgibt, beschließt sie, in einer ehemaligen Kurzwarenhandlung, nicht weit entfernt, ihre eigene einzurichten. Zusammen mit einem befreundeten Architekten renoviert sie mit kleinem Budget die Räume, legt Stuck und Eisenträger frei, erhält die alten Holzböden und –treppen, lässt einzelne alte Wandfliesen in polierten Betonfußboden gießen. Ein Deckenkran kann die Glasschaukästen mit den schmalen schwarzen Metallrahmen anheben, alles wirkt auch 2017 noch frisch und zeitgemäß.
Ihr Kundenstamm setzt sich aus einer treuen lokalen Gefolgschaft und internationalen Sammlern zusammen, die auch aus Übersee anreisen, um spezifische Stücke zu kaufen. Der lokalen Kundschaft bescheinigt sie die notwendige Offenheit, außergewöhnlichen Schmuck zu tragen, eine Offenheit, die sie beispielsweise in Frankreich oder Italien vermisse, obwohl es dort hervorragende Künstler gebe.
Guten Schmuck definiert sie zuallererst per Ausschlussverfahren: „nicht klassisch!“ Weder in Form – „kein Reif“ – , noch in Material – „nicht nur Brillanten“, noch in der Technik. Dann fällt ihr Blick auf eine Arbeit von Claude Schmitz, neben Michelle Kraemer, dem einzigen Luxemburger Künstler, den sie vertritt, und sie korrigiert sich. Er nutze manchmal klassische Formen, „aber er übertreibt sie und zieht sie ins Extreme“. Sie zeigt eine Brosche eines vietnamesischen Künstlers, eine organische Form, die bei genauerem Hinsehen aus Unmengen winziger Perlen besteht, die in filigranster Handarbeit, in die Struktur eingefädelt sind. Susy Ciacchini beschreibt das Material und die einzelnen Arbeitsprozesse im Detail, mimt mit ihren Händen aktiv die einzelnen Schritte nach. Sogar die Frustration des Künstlers, wenn dabei etwas schiefgeht und es neu gemacht werden muss, spiegelt sich in ihrem Gesicht. Zu wissen und zu verstehen, wie die Künstler arbeiten, ist ihr wichtig, sagt sie, damit sie ihrerseits den Kunden die Stücke erklären kann. Sie selbst trägt zum Arbeiten in der Galerie Ohrringe und einen Ring. Wenn sie nicht gerade den Haushalt erledige, trage sie immer Schmuck, sagt sie. Ciacchini ist eine Verfechterin des „Statement piece“, wie es auf Englisch heißt. „Weniger ist mehr“ rate sie auch ihren Kunden, damit zwischen Ohren, Ketten, Armreifen und Ohrringen nicht alles untergehe.
Als sie vor 25 Jahren anfing, übernahm Ciacchini einen Teil der Künstler, die sie schon bei Jean Hilger betreut hatte, in ihrer neuen Galerie; pflegt mit ihnen langjährige Beziehungen. Sie spricht bewusst von Künstlern, nicht von Kunsthandwerkern. „Die meisten von ihnen bestehen selbst darauf“, sagt sie neutral. Das soll nicht falsch verstanden werden – sie ist sehr stolz auf die Künstler, die sie vertritt. Sie kommen aus der ganzen Welt, ihre Arbeiten sind preisgekrönt und in den Kollektionen großer Museen vertreten. Susy Ciacchini sitzt ein bisschen aufrechter und strahlt etwas mehr, wenn sie davon erzählt. Die Künstler, die sie vertritt, seien hoch ausgebildet, versucht sie, eine Grenze zwischen ihrer Galerie und der immer allgegenwärtigeren Hobbykunst zu ziehen. Es ist ihr sichtlich unangenehm, etwas Abwertendes über andere zu sagen, doch dass „Kunst banalisiert wird“, weil heute gleich ausstellen könne, wer einen Malkurs belegt habe, bereitet ihr Kummer. „Über die Jahre“, sagt sie, „habe ich gelernt, dass diejenigen, die richtig gut sind, oft diejenigen sind, die sehr viel arbeiten, dazu meistens noch sehr bescheiden sind und nicht groß auftreten“, bemerkt sie. „Aber wenn man schon alles weiß, was kann man denn dann noch hinzulernen?“