„Die Frage ist ja, warum will man ein Unternehmen wie Knauf nicht“, sagt Fedil-Direktor René Winkin, „es muss dafür ja einen Grund geben, die Entscheidung kann nicht auf einem Gefühl beruhen.“ Ab da wird es problematisch. Datenmaterial gibt es reichlich. 238 Seiten mit 14 Anhängen reichte die Firma zur Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) ein, soviel, dass sich die Gemeinden Sanem und Differdingen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme beschwerten, die wichtigen Informationen seien in der schieren Masse von Angaben nicht wiederzufinden. Da sich aber auch die Zahlen drehen, wenden und interpretieren lassen, trägt die Debatte für oder wider den Bau einer Steinwollefabrik die Züge eines Glaubenskrieges.
Knauf möchte im Industriegebiet Paafewee eine Produktionsanlage bauen, die jährlich mehr als 110 000 Tonnen mineralische Steinwolle herstellt. Laut Knauf sollen hauptsächlich Elemente zur Isolation von Fassaden dort produziert werden, ob sie geklebt werden oder belüftet sind, zur Isolation von Flachdächern und Metall-Sandwich-Paneele, die nach Frankreich, Deutschland und in die Benelux-Länder geliefert werden sollen. Dafür ist eine Fläche von circa 15,5 Hektar notwendig. Um die Wolle herzustellen, wird Basaltgestein auf 1 400 Grad erhitzt. Dafür würden 236 Gigawattstunden Energie gebraucht, die aus dem Verbrennen von Koks und Erdgas entstehen, und ein bisschen Strom ist auch notwendig. Die Fabrik soll laut UVU maximal 750 Kilogramm Schwefeloxyd (SOx) täglich ausstoßen, jährlich also 280 000 Kilo, dazu 100 000 Kilo Stickstoffoxyde (NOx, 180 000 Kilo Ammoniak und 135 000 Kilo Steinwollfasern. Die Gemeinden befürchten zudem 4 000 Tonnen Abfall jährlich, gepresster Staub, der entsorgt werden müsse, ohne dass es dafür die notwendigen Deponien gebe.
Auf Nachfrage erklärt Knauf dem Land, die SOx-Emissionen würden unter denen liegen, die laut der bestmöglich erhältlichen Technologie vorgesehen seien, der Ammoniakausstoß hänge davon ab, welche Produkte hergestellt würden. Im Schnitt seien es 300 Kilo täglich, nur gelegentlich 500 Kilo, wie in der UVU beantragt, weiß Knauf von Schwesterfabriken im Ausland. Die neue Fabrik werde einen Energieverbrauch von 169,9 Gigawattstunden haben, die beantragten 236 GWh seien für den Fall vorgesehen, dass alle Energiesparmaßnahmen fehlschlagen würden. „Energie“, so Siân Hughes in einer Mail ans Land, „ist ein großer Kostenpunkt für unser Unternehmen, den Verbrauch so niedrig wie möglich zu halten, ist deshalb in unserem eigenen Interesse.“ Das gleiche gelte für die Abfallentsorgung. Daher habe sich Knauf das Ziel gesteckt, bis 2020 an allen Produktionsstandorten weltweit gar keinen Abfall mehr zu produzieren, der auf Deponien entsorgt werden muss, die für den Paafewee beantragten Mengen, ein Lastwagen täglich, seien der „Plan B“.
Ist das viel? Ist das wenig? Berechtigterweise sorgt sich der Sanemer Bürgermeister Georges Engel (LSAP) um die gesundheitliche Belastung der Anrainer. In Sichtweite der Gemeinde, die sich dagegen wehrt, dass der Verkehr aus Niederkerschen zu ihr umgeleitet wird, gibt es zwei Elektrostahlwerke von Arcelor-Mittal und Kronospan, die für Schadstoff- und Lärm- und Verkehrsbelastung sorgen. Ob die Belastung aller diese Werke zusammen, der Verkehr der durch Anlieferung der Werkstoffe und Abtransport fertiger Waren entsteht, zu hoch ist für die Bürger, beklagt Engel, sei nicht Umstand der UVU von Knauf, darin werde die Niederlassung von der Gesamtsituation losgelöst betrachtet.
In der Knauf-Anlage entsteht ein Produkt, das, wie René Winkin meint, in seiner Anwendung als „Rifkin-konform“ betrachtet werden könne. Die Steinwolle wird zur Gebäudedämmung eingesetzt, hilft also Energie ein zu sparen. Bei einem Einsatz von 50 Jahren als Dach oder Fassadenisolation spart Rock Mineral Wool 250 Mal mehr Energie ein als zur Herstellung der Steinwolle gebraucht wird, heißt es in einem Infoblatt von Knauf. Die genaue Lebenszyklusberechnung, so Hughes schriftlich ans Land, hänge von Produkt zu Produkt ab, da die Herstellungsmethode für Dachisolationselemente sich von der für Außenwanddämmungen unterscheide, also mal mehr, mal weniger Energie gebraucht wird. Um seine Klimaziele bei den begrenzten Produktionsmöglichkeiten für erneuerbare Energie erreichen zu können, will Luxemburg das Energiesparpotenzial nutzen und hat als eines der ersten EU-Länder angeordnet, dass neue Gebäude dem höchsten Energiestandard entsprechen müssen. Doch darüber, ob der Einsatz von Stein- oder Mineralwolle dafür geeignet ist, diesen Standard zu erreichen, gehen die Meinungen auseinander. In einer Stellungnahme der Gemeinden Sanem und Differdingen heißt es: „Steewoll gëtt vum Nohaltegkeetsministär als net nohaltegt Isolatiounsmaterial ugesinn. Dementspriechend gët et op deem Produkt kéng Subventioun fir nohaltegt Bauen. Dest gouf ons vu myenegry, die national Berodungsagence fir Energiespueren vun de Ministäre Wirtschaft, Nohaltegkeet a Wunnen bestätegt.“ Das stimmt so aber nicht. In der Nachhaltigkeitsbewertung der Dämmstoffe der Umweltverwaltung belegen Mineral- und Steinwollprodukte unterschiedliche Ränge, je nach Anwendung und wie viel Energie zur Herstellung gebraucht wurde. Mit wie viel Geld Stein- oder Mineralwolle in den vergangenen Jahren subventioniert wurde, weiß die Umweltverwaltung nicht, dazu fehlen die Statistiken. Aber dass sie gefördert wird, steht außer Zweifel. Bei der Entscheidung, diese Dämmstoffe zu fördern, habe sich das Wohnungsbau- gegen das Umweltministerium durchgesetzt, heißt es im Hintergrund. Das Umweltministerium sei prinzipiell dagegen, Dämmstoffe zu fördern, zu deren Herstellung fossile Energie wie Koks notwendig ist. Aber das Wohnungsbauministerium habe zusätzliche Bremsen beim Bau von dringend notwendigen Wohnungen befürchtet.
In der Praxis, berichten Bauunternehmer, führt das zu folgender Situation: Styropor und Steinwolle erzielen gute Dämmwerte und das bei im Vergleich zu anderen Materialen relativ dünnen Schichten. Styropor ist billiger als Steinwolle und wird deshalb beim Blick auf die Marge bevorzugt eingesetzt. Styroporfassaden sind aber nur schwer zu recyceln. Sie brennen außerdem schnell, weshalb sie in der Stadt Luxemburg nur noch im Erdgeschoss eingesetzt werden dürfen. In höheren Etagen wird dann die teurere Steinwolle angebracht. Nach dem Feuer im Grenfell-Tower in London ist das Bewusstsein für den Brandschutz gestiegen und durch die Energiesparbestimmungen steigt die Nachfrage nach Steinwolle, wie Siân Hughes von Knauf bestätigt. Gebäude, rechnet die in Brüssel basierte Lobbystin vor, seien für 40 Prozent des Energiebedarfs und 38 Prozent der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich. Durch gute Dämmung könnten 70 Prozent des Energiebedarfs eingespart werden, was wäre, als wenn man 43 Millionen Autos von der Straße nehmen würde. „Wir beliefern Europa ab unseren Fabriken in Deutschland, Slowenien, Kroatien, Serbien und dem Vereinigten Königreich, aber das ist nicht nachhaltig angesichts der steigenden Nachfrage in Frankreich, Deutschland und den Benelux-Ländern. Stein wiegt schwer im Transport, und es ist aus wirtschaftlichen und ökologischen Ursachen sinnvoll, so nah wie möglich an den Zielmärkten zu produzieren.“ Luxemburg bleibe der bevorzugte Standort für das neue Werk, so Hughes. Angaben darüber, wie weit die Planungen am Alternativstandort Yutz fortgeschritten sind, wollte sie nicht machen.