Vergangene Woche erklärte der LSAP-Bürgermeister von Sassenheim, Georges Engel, zusammen mit dem grünen Bürgermeister aus Differdingen, Roberto Traversini, im Luxemburger Wort die Ansiedlung von Knauf auf dem Gelände ihrer Gemeinden sei unter anderem daher nicht nachhaltig, weil Steinwolle als Isolationsmaterial in Luxemburg nicht subventioniert werde. Am Freitag sah sich Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) daher gezwungen, die Faktenlage via Pressemeldung zurechtzurücken: Steinwolle, wie sie Knauf in Luxemburg herstellen will, werde durchaus als Isolationsmaterial zur Gebäudedämmung gefördert. Beispielsweise in den vielen neuen Wohnungen, deren Bau im überparteilichen Konsens gefordert wird. Laut Paperjam ist der alternative Standort, den Knauf für die Steinwolleproduktion im Auge hat, in Yutz, keine 20 Kilometer Luftlinie von der Luxemburger Grenze entfernt. Was manche Frage aufwirft. Zum Beispiel: Überqueren die Schadstoffe einer Fabrik in Yutz die Luxemburger Grenze oder machen sie davor magischerweise Halt? Und: Ist das Luxemburger Wachstum qualitativ hochwertiger, wenn die Schadstoffe für die Produktion der Dämmstoffe, mit denen Luxemburger Wohnungen isoliert werden, möglichst weit weg ausgestoßen werden und das Material dann mit Lastwagen hierher gebracht wird? Oder: Sollen die Gebäude in Luxemburg besser nicht mehr gedämmt werden, wenn das Material dazu hier nicht hergestellt wird?
Die Molkerei Fage, die im Gewerbegebiet Wolser zwischen Bettemburg und Düdelingen Joghurt für den Benelux-Markt herstellen will, haben vor allem grüne Kritiker wegen des Wasserverbrauchs der Anlage als Bösewicht ausgemacht. Und weil sie, ein Steuerflüchtling aus dem schwer krisengebeutelten Griechenland, der Luxemburger Landwirtschaft nichts bringen soll. Vernünftiger wäre es, die heimische Milchindustrie zu stärken. Dabei blieb in dieser Diskussion bisher völlig unerwähnt, dass der nationale Molkerei-Champion, die Luxlait, vor neun Jahren eine 150-Millionen-Euro-Molkerei ins (günstige) Grüngebiet auf dem Roost baute, die er sich leisten konnte, weil er sein ehemaliges Fabrikgelände in Merl in einem Immobilienprojekt vergoldete. Sie stellt dort in kleinen Mengen und Stückzahlen eine sehr breite Palette an Produkten her, was nach sich zieht, dass die Anlagen häufig gespült werden müssen.
Wie hoch der Wasserverbrauch der Luxlait ist, konnte bis Redaktionsschluss nicht in Erfahrung gebracht werden, aber der Klärbedarf, der von der interkommunalen Kläranlage Bleesbréck gestemmt wird, deckt sich dem Bissener Gemeindeblatt zufolge mit dem von 18 000 Einwohnern... knapp weniger als die Stadt Düdelingen Einwohner zählt. Weil sich die konventionellen und die Bio-Bauern nicht grün sind, fand die Luxlait keine Einigung mit den Bio-Milchbauern, die 2015 deshalb eine weitere, nämlich ihre eigene Molkerei in Bascharage in Betrieb nahmen. Luxlait gelingt es nicht, die gesamte Produktion der Mitglieder der Kooperative als weiterverarbeitete Milchprodukte im Handel abzusetzen. Deshalb wird sie entweder auf dem Spotmarkt verkauft, wo Fage Milch für seinen Joghurt einkauft, oder in Belgien zu Pudermilch verarbeitet. Europäische Pudermilch, kritisieren Entwicklungshelfer seit Jahren, macht die lokale Milchproduktion in Afrika unrentabel. Zieht man diese Umstände in Betracht, wird es bei der gleichen Menge Klärwasser plötzlich schwieriger zu bestimmen, welche Molkerei „nachhaltiger“ arbeitet. Die, die Produkte bis nach China verkauft und überschüssige Milch in Afrika absetzt? Oder die, die überschüssige Milch aufkauft und sie für den regionalen Markt weiterverarbeiten will? Michèle Sinner