Der Fotograf und Regisseur Pasha Rafiy schafft seit zehn Jahren unermüdlich Porträts von Personen, oder vielmehr Persönlichkeiten, aus dem kulturellen, journalistischen oder auch politischen Leben. Der abgebildete Mensch wird dabei immer in einer ausgewählten Umgebung dokumentiert; die Fotografien sind stets großzügig und im Querformat aufgebaut. In seiner Arbeit versucht Rafiy, das komplexe Gebilde von Individuum und Umfeld einzufangen und für den Betrachter offenzulegen. Für sein jüngstes Projekt Foreign Affairs begleitete er Außenminister Jean Asselborn über 18 Monate lang auf Staatsbesuchen und diplomatischen Reisen. Aus diesem Projekt erwuchsen sowohl ein Film als auch Fotografien, die nun in einem Katalog in den Éditions d’Letzeburger Land veröffentlicht wurden.
Die Premiere des ersten langen Dokumentarfilms von Rafiy (am 26. Februar in den Rotondes) wurde breit in den regionalen Medien diskutiert und fand auch in politischen Kreisen Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt offenbart der Film – genauso wie die Fotografien – einen der Öffentlichkeit sonst verwehrten Einblick in den Arbeitsalltag eines der wichtigsten Minister Luxemburgs und eines Akteurs auf internationalem Niveau. Pasha Rafiy, der 1980 in Teheran geboren wurde und in Luxemburg aufwuchs, arbeitet derzeit in Wien als Chef der Bildredaktion für die österreichische Zeitung Die Presse. Es ist so kein Zufall, dass er sich für internationale Angelegenheiten, ihre Prozesse, Wege, aber auch Kehrseiten interessiert. Bewusst wählt er einen Zugang dazu, der sich auf intelligente Art von dem der Massenmedien unterscheidet und nicht die Sprache der Pressefotografie aufgreift.
Pasha Rafiy setzt eher auf einzelne Momente, auf die Augenblicke vor oder nach diplomatischen Treffen, auf Transit-Orte und Stille. Diese spezifische Atmosphäre, die sich stark von dem eigentlich stressigen Leben eines Außenministers absetzt, dringt umso klarer im Katalog durch. Jean Asselborn – meist allein, aber auch in Begleitung seines deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier – posiert im Garten, auf dem öden Dach eines Gebäudes oder in einem Hotel – in Teheran, New York, Kairo, Neu Delhi, Jerusalem, Moskau, Wien, Berlin und Brüssel oder im Irak. Diese Städte und Länder spiegeln einerseits die Intensivität und Dichte der Reisen des Ministers. Auf der anderen Seite legen die Ziele aktuelle Konfliktzentren offen, die während der letzten zwei Jahre immer wieder in den Schlagzeilen der internationalen Presse auftauchten.
Das Buch Foreign Affairs erlaubt auch einen kurzen Einblick in das Privatleben des Politikers, den Rafiy beim Fahrradfahren oder bei der Gartenarbeit zuhause in Steinfort mit seiner Kamera und Kameramann Jean-Louis Schuller begleitete. Blättert man im Katalog weiter, tauchen wiederum Menschen auf, die den Außenminister auf seiner Mission begleiteten oder für die Sicherheit vor Ort verantwortlich waren: Botschafter oder Journalisten, wie Gaston Carré, lokale Polizei und Bewachungspersonal. Pasha Rafiy hat aber auch bewegendere und für unser Augen teilweise eher ungewöhnliche Szenen auf seinen Reisen eingefangen. Eine Fotografie zeigt zum Beispiel fünf junge Mitglieder der Israel Border Police. Auf zwei weiteren Fotografien sind syrische Flüchtlinge in einem Lager im Irak abgebildet.
Als Vorbild nennt Pasha Rafiy den Fotografen August Sander, der ab den 1920er Jahren ein umfangreiches dokumentarisches Porträt von Menschen aus unterschiedlichen Berufen und sozialen Verhältnissen anlegte. Auch Foreign Affairs zeugt auf dokumentarisch nüchterne Weise vom Leben eines Mannes. Bei Rafiy steht aber nicht nur die Person im Vordergrund, sondern auch das, was sie in dem Moment der Aufnahme umgibt, also ihr soziopolitischer Kontext. So sind es auch gerade die Aufnahmen von menschenleeren Straßen, die durch einen gezielten Blickwinkel und präzisen Bildaufbau extrem beeindrucken. Dennoch sind die Fotografien nur mit dem Jahr, dem Ort und gegebenenfalls mit dem Namen der abgebildeten Person betitelt. Pasha Rafiy spielt so indirekt mit den Bildern, die durch die weltweiten Medien gingen und unsere Vorstellung von jenen Orten im Ausland beeinflussen. Rafiys eigene Vorstellung vom Luxemburger Außenminister und seinen internationalen Arbeitsorten ist offener und abwartender; er setzt die Kamera als neutralen Zeitzeugen ein.