„Also: Zahlen gibt es heute keine“, sagt Infrastrukturminister Claude Wiseler (CSV). Die Pressekonferenz, auf der der Minister und der Direktor der Straßenbauverwaltung über ihr Busspurkonzept referiert haben, neigt sich dem Ende entgegen, und die Frage war aufgekommen, wie stark dank der neu geschaffenen Korridore die Fahrzeit der Busse gesenkt und der Bus gegenüber dem Auto attraktiver wurde. Doch, solche Daten gebe es, hat Ponts-et-Chaussées-Chef Georges Molitor versichert. Nur habe man sie im Moment nicht parat.
Demnach ist das Busspurkonzept vielleicht schon ein Erfolg. 2008 wurde dafür eine Task force einberufen, ein Jahr später eine Strategie aufgestellt, die seitdem nach und nach umgesetzt wird. Verbessert werden soll die Erreichbarkeit der drei großen Entwicklungspole des Landes: der Hauptstadt mit ihrem Ballungsraum natürlich, aber auch der Südregion und der Nordstad. Und vor allem in Richtung Hauptstadt, aber auch nach Esch/Alzette und Belval wurden in letzter Zeit neue Busspuren angelegt oder bereits bestehende Korridore weiter verlängert. Die Nationalstraße N6 von der belgischen Grenze über Steinfort nach Luxemburg zum Beispiel ist über weit mehr als die Hälfte ihrer Länge mit Busspuren versehen. Zuletzt kamen ein Korridor zwischen Mamer und Bartringen sowie Durchfahrten in Steinfort und Capellen hinzu. Ein Korridor für Windhof wird derzeit geprüft.
Damit nicht genug: Am Ausgang von Belval-West wurden gleich mehrere Buskorridore geschaffen. Entlang der N2 Luxemburg-Remich wurde ein neuer Korridor in Sandweiler und ein Bypass für den Bus am Kreisverkehr Schaffner, dem Irrgarten, angelegt. „Der spart dem Bus in Spitzenzeiten fünf Minuten Fahrzeit, das ist enorm!“, berichtet Georges Molitor.
Ebenfalls ziemlich neu sind Busspuren in Bartringen und Junglinster sowie mehrere solche Abschnitte entlang der N7 zwischen Mersch und Lorentzweiler. Studiert werden neue Korridore in Walferdingen und Heisdorf sowie die schon vielzitierte bidirektionale Busspur in der Mitte der steilen Auffahrt aus dem Hesperinger Tal nach Howald. Kurz vor der Ausschreibung steht ein Korridor durch Leudelingen hin zum boomenden Gewerbegebiet Am Bann, das wegen der vielen Parkplätze pro Bürofläche viele Dienstleistungsbetriebe einem Sitz in der Hauptstadt vorgezogen haben.
So weit, so gut. Neue Bushaltestellenkonzepte entwickelt die Busspur-Task force ebenfalls. Desgleichen elektronische Vorrangschaltungen, die dafür sorgen, dass der Bus Priorität vor dem Autoverkehr erhält – nicht nur an Ampelkreuzungen, sondern zum Beispiel auch an engen Passagen; die Steuerung der Vorfahrt für den Bus kann sehr raffiniert über Radar oder in den Asphalt eingelassene Sensoren erfolgen.
Doch: Wie sehr zu den Spitzenzeiten Autos und Busse um freie Fahrt auf den Überlandstraßen konkurrieren, zeigte eine Erhebung, die die Straßenbauverwaltung 2008 für die Busspurstrategie anstellte. Auf den Nationalstraßen Richtung Hauptstadt, in der das Gros der Arbeitsplätze angesiedelt ist, lag die tatsächliche Reisegeschwindigkeit der Busse meist deutlich unter der, die laut Fahrplan erreicht werden müsste, um pünktlich anzukommen. Auf der N2 etwa lag sie zwischen Remich und Sandweiler bei gemessenen 23 statt laut Fahrplan 38 Stundenkilometern, auf der N11 zwischen Echternach und Dommeldingen bei 28 statt 46 km/h, auf der N12 zwischen Reichlingen und Luxemburg-Rollingergrund bei 29 statt 42 km/h. Das heißt: Die Korridore sollen in erster Linie dafür sorgen, dass der Fahrplan jederzeit halten kann, was er schon verspricht.
Ob das genügt, um einen großen Umstieg auf den öffentlichen Transport per Straße auszulösen, damit das politische Ziel aus dem Integrativen Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept IVL von 2004 ein Stück näher rückt, bis 2020 ein Viertel aller Fahrten im Inland „öffentlich“ erledigen zu lassen, scheint so sicher nicht. Unter Verkehrsplanern gilt die Faustregel, dass die Fahrgastzahl im Bus um ein Fünftel zunimmt, wenn die Fahrzeit um die Hälfte sinkt. Aber ob der Busverkehr durch die Korridore derart beschleunigt werden kann?
Helfen könnte dabei vielleicht der Ausbau des Busverkehrs über die Autobahnen. Schon in absehbarer Zeit könnte auf der A4 zwischen Esch/Alzette und der Hauptstadt bei Staus oder hohem Verkehrsaufkommen die Standspur für Busse freigegeben werden, wie der Infrastrukturminister ankündigt. Auf der A3 zwischen Frankreich und Luxemburg-Stadt sowie auf der A6 aus Richtung Arlon dagegen könnte, wenn beide in ein paar Jahren abschnittsweise auf zwei Mal drei Spuren ausgebaut sein werden, die dritte Spur bei viel Verkehr für Busse und Fahrgemeinschaften reserviert werden.
Aber so pragmatisch sinnvoll wie diese Lösung klingt, über die schon vor zehn Jahren der damalige Transportminister Henri Grethen (DP) laut nachdachte: Die Autobahn-Busverbindungen werden nicht jedem Autofahrer im Berufsverkehr als bequeme Alternative zum Stop-and-Go im eigenen Wagen erscheinen. Nach Belval vielleicht, weil dort die Busse in unmittelbarer Nähe der neuen Wohnungen und Arbeitsstätten halten. In der Hauptstadt dagegen ist vorgesehen, die Buslinien an den Peripheriebahnhöfen enden zu lassen. Dort hieße es dann Umsteigen zur „Feinverteilung“ mit Stadtbus oder Tram. Da dürften viele weiterhin ihr Auto benutzen, solange sie damit irgendwie durch den Berufsverkehr, aber direkt an ihr Ziel kommen.
Die Buslinien bis zu den ökonomischen Schwerpunkten im Ballungszentrum Hauptstadt zu verlängern, würde wiederum den starken Überlandbusverkehr quer durch die Stadt nicht senken, was man sich durch Tram und Peripheriebahnhöfe zu erreichen erhofft.
Entlastung dürften die Buskorridore daher bringen, aber wohl keinen Quantensprung an Qualität, der zum breiten Verzicht auf das Auto im Berufsverkehr führt. Dabei wird der Weg zur Arbeit von den Einwohnern des Landes zu 76 Prozent ausschließlich im Auto zurückgelegt, von den Grenzpendlern zu 89 Prozent. Die Zahlen datieren zwar von 2007, Anfang nächsten Jahres ist eine Aktualisierung durch das Forschungszentrum Ceps-Instead geplant. Doch ob sich die Lage wesentlich entspannt hat, ist fraglich; seit 2007 nahm die Zahl der Grenzpendler um über 10 000 zu, war trotz Krise die Arbeitsplatzentwicklung bisher nie negativ.
Und wahrscheinlich meinte nicht von ungefähr das renommierte Straßburger Verkehrsplanungsbüro PTV vor vier Jahren, zur Lösung seiner Berufsverkehrsprobleme benötige Luxemburg nicht nur in der Haupstadt ein größeres Tram-Netz als bis dahin angedacht, sondern obendrein eine Art S-Bahn-System, das auch über die Grenzen reicht und in den Gemeinden unterwegs Passagiere aufnimmt.
Solche Ideen wurden schon damals kaum finanzierbar genannt. Bahnfahren aber wird, das weiß die Wissenschaft, von den Benutzern generell um 40 Prozent attraktiver wahrgenommen als Busfahren. Heute setzt die Regierung auch aus Sparsamkeitsgründen verstärkt auf den Bus. Was das ändert am Berufsverkehrsproblem, bleibt abzuwarten.