Und wenn die Regierung doch beschließt, die Kraftstoffe aus dem Index-Warenkorb zu entfernen und im Gegenzug den öffentlichen Transport gratis zu machen – vielleicht nicht gleich, sondern erst nach den Gemeindewahlen?
Luxemburg würde damit zum Exoten. Ein Gratisangebot für ein ganzes Land wurde in der EU noch nirgendwo eingeführt. Nur in Städten. Im belgischen Hasselt zum Beispiel fahren seit 1997 alle innerstädtischen Buslinien zum Nulltarif. Die Zahl der Busbenutzer stieg nach Zählungen des flämischen Transport-Operateurs De Lijn von 30 000 im Monat vor Einführung des Gratisangebots auf monatlich 400 000 heute.
Womöglich würde auch in Luxemburg ein Gratis-System den Bussen und Bahnen mehr Passagiere zuführen. Zumal seine Einführung nach den Vorstellungen des Premiers in der letzten Tripartite-Sitzung am Dienstag nicht nur mit der Änderung im Warenkorb einher gehen soll, sondern auch mit der vollständigen Abschaffung der Steuerbefreiung für Fahrtkosten. Da könnte die Option Bus und Bahn in einem anderen Licht erscheinen als heute.
Eine wichtige Frage wäre allerdings die: Könnte die Regierung eine politische Garantie abgeben, dass ein Gratisangebot länger-
fristig Bestand hätte? Auch dann, wenn Neuinvestitionen fällig werden, die Infrastruktur ausgebaut werden muss, die Wartungskosten steigen?
Denn das Problem von Gratis-Transport besteht nicht in der Relation kurzfristiger Ausgaben und Einnahmen. Tatsächlich sind im Staatshaushalt 2010 allein für die Bahn- und Busverkehrsleistungen der CFL im service public 172 Millionen Euro vorgesehen, für die Busleistungen der anderen Transportfirmen im RGTR sind es 110 Millionen Euro und für das Süd-Transportsyndikat Tice 20 Millionen Euro. Gegenüber diesen insgesamt 302 Millionen Euro wären die Einnahmen aus dem Verkauf der 1,50-Euro-Tickets im Grunde ähnlich geringfügig wie eine Null bei Gratistransport. Und wer weiß: Vielleicht wirkte es sich sogar positiv aus, falls man das Bezahlsystem e-Go wieder demontiert.
Das Problem eines Gratisangebots wäre seine politische Anfälligkeit auf längere Sicht. Würden Transportleistungen gratis, könnte bei knappen öffentlichen Kassen umso eher gefragt werden, ob dieser oder jener Fahrplantakt wirklich nötig sei, die eine oder andere Linie verzichtbar wäre. Im Grunde müsste die Regierung auch ein Extra-Bekenntnis zum parastaatlichen Statut der CFL-Bediensteten abgeben. Wäre sie zu all dem bereit?
Womöglich nicht ohne Weiteres. Zudem ist noch gar nicht klar, welches Transportangebot man künftig braucht, ganz unabhängig vom Tarif. Finanzminister Luc Frieden sprach vor drei Wochen vom Ersatz „unrentabler Linien“ im ländlichen Raum durch Rufbusse, was die Staatsausgaben für den öffentlichen Transport um zehn bis 20 Millionen Euro im Jahr senken soll. Aber noch ist das Nachhaltigkeitsministerium nicht fertig mit seiner Prognose des Rufbus-Bedarfs und Kostenkalkulationen. Das unter dem damaligen Transportminister Lucien Lux (LSAP) im Frühjahr 2008 im Kanton Capellen gestartete Rufbus-Pilotprojekt ist fast zu Ende. Doch dann erst folgt die Auswertung. Daraus will man ersehen können, ob Rufbusse auch im ländlichen Raum sinnvoll wären, der 60 Prozent des Landesterritoriums ausmacht.
Doch Gratis-Transport zu versprechen, ehe nicht das Angebot definiert ist, ist eigentlich politisch töricht. Man könnte ihn zwar als soziale Maßnahme zugunsten all jener begrüßen, die nicht einkommenssteuerpflichtig sind. Aber es ist nicht gesagt, dass tatsächlich viel weniger Auto gefahren würde, falls die Qualität im Angebot nicht wesentlich steigt. Träte dies ein, könnten sich durch die Abschaffung der Absetzbarkeit der Fahrtkosten plus eine dann nicht mehr in der Indexentwicklung berücksichtigte Preiserhöhung an den Tankstellen die Autofahrer im Lande womöglich stärker belastet fühlen als der Premier sich am Dienstag vor seinem verhandlungstaktischen Schnellschuss vorstellte. Vielleicht ist aus all diesen Gründen für die CSV seit ihrem Nationalkomitee am Mittwoch, im Gegensatz zum Premier, die Abänderung des Warenkorbs plus Gratistransport nicht die erste Wahl.