Der Western war niemals tot, im Gegenteil: Die Fülle an Filmen des Genres, die in den letzten Jahren über die Leinwände zogen, ist Beweis genug für seine fortwährende Lebendigkeit. Never grow old mag für einen Western eher untypisch wirken, zumal er eine Zeitspanne abbildet, die nicht häufig bearbeitet wird. Wir befinden uns im Amerika Mitte des 19. Jahrhunderts. Patrick Tate (Emile Hirsch) ist sozusagen arbeitslos, bisher konnte er als Bestatter recht gut leben, doch nun nehmen die Verbrechen und auch die Todesfälle in der Stadt Garlow in Amerika erheblich ab. Dann erscheint der Gesetzlose Dutch Albert (John Cusack) und es gibt wieder Tote. Er will das Leben in der Stadt gründlich umstrukturieren und Patrick sieht sich folglich mit Zweifeln konfrontiert, ob dieser Dutch Albert nun Heilsbringer oder eine Gefahr ist...
Es sind wahrlich gute Zeiten für den Bestatter und gewiss schlechte für die Einwohner Garlows, die in ihrem geordneten Leben durch die Ankunft des Revolverhelden zunehmend destabilisiert werden. Der böse schwarze Mann wird hier zum Prüfstand dieser Gemeinschaft, die sich am Ende der 1840-er-Jahren besonders aus irischen Immigranten konstituiert. So wie sich Loyalitätskonflikte auftun, so gibt es auch verwandte soziale Probleme; all dies ist verwoben in jenen widerspruchsvollen Prozess der Zivilisierung, den Never grow old abbildet. Dass beispielsweise irische Katholiken zum Protestantismus gezwungen werden, wird beiläufig erwähnt, aber nicht vertieft. Indessen bleibt dieser spannende Ausgangspunkt unausgereift. Auch wirft Never grow old exakt die Frage auf, ob es grundsätzlich böse ist, vom Bösen zu profitieren. Handelt dieser Patrick Tate nun in seiner Opportunität verwerflich oder sind seine Beweggründe nachvollziehbar?
Die äußerst transparente Formsprache überlagert dabei den Gesamteindruck, denn sie ist dahingehend ausgerichtet, dass sie ganz unmittelbar auf die sofortige Lesbarkeit der Charaktere und Situationen abzielt. Das ist gewiss ein klassischer Inszenierungsstil, bei dem der Antagonist aber ganz eindimensional bleibt; er hat keinen Ursprung und keine definierte Motivation für sein böswilliges Verhalten. Freilich ist sein Auftreten zuvorderst einer dramaturgischen Funktionalität zuzuschreiben über die der Initiationsritus des Helden initiiert wird. Dass dieser Dutch Albert dann noch ganz in Schwarz gekleidet ist, weist in die genannte Richtung und lässt John Cusacks Figur beinahe derart ins Zeichenhafte driften, dass er sich allzu nah an der Parodie bewegt.
Diese Grundstimmung des Verderbens in der Handlung vermittelt der Film durch dunkle Farben und es gelingt Regisseur Ivan Kavanagh auch ansatzweise eine Atmosphäre der Beklemmung heraufzubeschwören, allerdings ist für Subtilität oder Nuancen kein Platz. So bleibt die Wandlung des Leichenbestatters vorerst eher eine Drehbuch-Behauptung, mehr dagegen scheint es um das Abarbeiten bekannter Stationen und Effekte zu gehen. Introspektion und eine nachvollziehbare Charakterentwicklung gehen dabei beinahe verloren, so sehr unterwirft der Film sich dem Schema von Aktion und Reaktion in einer doch sehr schematischen Dramaturgie, die nur selten die angestrebte psychologische Tiefe erreicht. In manchen Augenblicken trifft der Film den Ansatz, die Ursprünge der Gewalt aufzuzeigen, die für den amerikanischen Westen für diese Zeit und Stimmung so bezeichnend sind.
Never grow old (eine luxemburgische Koproduktion via Iris Productions) berührt beachtenswerte Themenfelder für das Western-Genre, aber verpasst es, sie genügend in Szene zu setzen. Die äußerst wohlwollend-demokratische Behauptung, dieser Western sei „letztlich nicht nur ein Muss für Genrefans, sondern durch seine ansprechende Ästhetik ein Genuss für alle“1, darf aber bezweifelt werden. Marc Trappendreher