d'Lëtzebuerger Land vom 10.01.2014
Stabipakt: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde 1997 beschlossen und 2005 erstmals reformiert. Er sieht ein mittelfristiges Haushaltsziel für die Eurostaaten vor, die außerdem jährlich ein Stabilitätsprogramm zur Überwachung der Haushalte vorlegen müssen. Als Grenzwerte für ein Defizitverfahren sind die Eckwerte von einem Defizit von drei Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt vorgesehen, beziehungsweise eine Verschuldung von 60 BIP-Prozent. Durch die Reform von 2005 werden die mittelfristigen Haushaltsziele für die verschiedenen Länder individualisiert, dürfen nach unten aber maximal einem Defizit von einem BIP-Prozent entsprechen. Länder, die das mittelfristige Haushaltsziel nicht erreicht haben, müssen ihr Saldo jährlich um 0,5 BIP-Prozent verbessern. Verfehlen sie es dennoch, kann der Rat eine „Warnprozedur“ lancieren. Danach kann der Rat der EU-Finanzminister die Defizit-Prozedur gegen Haushaltssünder einleiten. Die Länder können dann zu einer zinsfreien Einlage von bis 0,5 Prozent des BIP gezwungen werden, die in ein Bußgeld verwandelt werden kann. Europäisches Semester: 2010 beschließt der EU-Rat die Einführung des Europäischen Semesters. Im April müssen Stabilitäts- und Wachstumsprogramm, sowie das nationale Reformprogramm miteinander eingereicht werden, damit sie auf EU-Ebene analysiert werden können, und die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der jeweiligen Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt werden kann, bevor der Haushalt fürs folgende Jahr vorbereitet wird. Die Kommission analysiert die Programme, gibt Empfehlungen an den Rat, der über eventuelle Maßnahmen und Sanktionen im Juni abstimmt. Six-Pack: 2011 wird das Six-Pack aus sechs legislativen Texten beschlossen. Durch das Six-Pack werden die Sanktionen gegen Defizitsünder verschärft. Setzt ein Land in der Defizitprozedur, die Empfehlungen des Rates nicht um, kann die Kommission dem Rat die Verhängung von Bußgeldern empfehlen. Der Rat stimmt mit einer umgekehrten Mehrheit darüber ab, das heißt Sanktionen können nur verhindert werden, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Länder dagegen stimmt. Durch das Six-Pack wird es möglich, eine Defizit-Prozedur gegen ein Land zu verhängen, dessen Defizit sich unterhalb der Drei-Prozent-Grenze bewegt, dessen Schuldenlast aber bei über 60 BIP-Prozentpunkten liegt und das sein Schuldensaldo nicht jährlich um ein Zwanzigstel reduziert. Das Six-Pack führt außerdem eine Haushaltsregel ein, nach der die Ausgaben nicht zu schnell wachsen dürfen. Die maximal erlaubte Wachstumsrate orientiert sich an der BIP-Wachstumsrate. Durch das Six-Pack wird auch dieProzedur zur Überwachung der gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte eingeführt. Fiskalpakt: Im März 2012 wird der Fiskalpakt von allen Ländern der EU mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien unterzeichnet. In ihm werden die Euroländer verpflichtet, eine „goldene Haushaltsregel“ einzuführen. Der Haushalt muss ausgeglichen sein oder einen Überschuss ausweisen, eine Regel, die dann erfüllt ist, wenn das im Stabilitätspakt für das jeweilige Land definierte mittelfristige Haushaltsziel ausgedrückt als strukturelles Saldo erreicht ist, wobei dies nicht niedriger als -0,5 BIP-Prozent sein darf. Für Länder mit niedriger Schuldenlast ist ein strukturelles Defizit von einem Prozent zulässig. Für den Fall, dass dies nicht erreicht wird, verpflichten sich die Mitgliedstaaten im Fiskalpakt, einen automatischen Korrekturkurs festzulegen, der ausgelöst wird, wenn eine signifikante Abweichung von Ziel beziehungsweise des Berichtigungskurses festgestellt wird. Darüber soll eine unabhängige Institution wachen. Two-Pack: 2013 tritt das Two-Pack in Kraft, durch das die Haushaltsüberwachung weiter verstärkt wird. Dazu reichen die Mitgliedstaaten spätestens am 15. Oktober ihren Haushaltsentwurf für das kommende Jahr ein, die von der Kommission daraufhin untersucht werden, ob die jeweils im Sommer ausgesprochenen Empfehlungen berücksichtigt werden. Der zweite Teil des Two-Pack betrifft Länder, die ein finanzielles Hilfsprogramm in Anspruch nehmen oder kurz davor stehen. Die Kommission kann dem Rat empfehlen, ein Land in ein Hilfsprogramm aufzunehmen, für das dann eine strengere Haushaltsüberwachung gilt, bis es 75 Prozent der Hilfen zurückgezahlt hat. Im Oktober reichen die Mitgliedstaaten ihren Haushaltsentwurf bei der Kommission ein, die ihn bis November analysiert und kommentiert. Im November erscheinen die Herbst-Wirtschaftsprognosen und die Kommission veröffentlicht als Auftakt für das Europäische Semester die Annual growth survey (AGS), welche die wirtschaftspolitischen Prioritäten im Rahmen der EU-Wachstumsstrategie festhält, sowie den Alert mechanism report, in dem gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte beleuchtet werden. Im Dezember werden die nationalen Haushalte verabschiedet. Die EU-Mitgliedstaaten nehmen Schlussfolgerungen zur AGS an, spätestens im Januar. Das Europaparlament tut dies bis spätestens Februar, wenn die Winter-Wirtschaftsprognosen der Kommission veröffentlicht werden. Im März nimmt der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs Richtlinien für die Wirtschaftspolitik an. Im April veröffentlicht die Kommission ihre länderspezifische Analyse der gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte. Außerdem reichen die EU-Mitgliedstaaten die Stabilitäts- und Wachstumsprogramme zusammen mit den nationalen Reformprogrammen ein. Im Mai stellt die Kommission auf Basis der nationalen Programme und ihrer Untersuchung der makroökonomischen Ungleichgewichte länderspezifische Empfehlungen aus und veröffentlicht außerdem ihre Frühjahrs-Wirtschaftsprognosen. Im Juni bespricht der Rat die Empfehlungen der Kommission, die schließlich von den Staats- und Regierungschefs angenommen werden. Die Empfehlungen sollen in den über den Sommer vorbereiteten Haushaltsplänen für das folgende Jahr berücksichtigt werden. Die Kommission überwacht dies. ms
Michèle Sinner
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