Die Rentenreserven ethisch verantwortlich investieren

Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen

d'Lëtzebuerger Land vom 03.01.2014

Im August 2010 war es zu einem Eklat gekommen. Die NGOs Pax Christi und Netwerk Vlaanderen hatten einen Bericht über Unternehmen veröffentlicht, die Streumunition produzieren, und hatten überdies noch sämtliche Aktionäre dieser Unternehmen beim Namen genannt. Unter den Anteilseignern von sechs solcher Firmen tauchte auch der Kompensationsfonds (FDC) der Luxemburger Pensionskasse auf. 800 000 Euro habe der FDC im Jahr 2009 in die sechs Firmen gesteckt, rechnete der Lénk-Abegeordnete André Hoffmann in einer parlamentarischen Anfrage an den Außen- und den Sozialminister vor. Und wies darauf hin, dass Luxemburg dem Abkommen von Oslo über die Ächtung von Streumunition beigetreten sei und dass ein Gesetz Verstöße gegen dieses Abkommen mit Strafen zwischen 25 000 und einer Million Euro belegt.

So kann es Investoren ergehen, die ihr Geld Asset Managern anvertrauen, ohne ihnen klare Richtlinien zu geben. „Wir hatten damals überhaupt kein Konzept für ethische Investitionskriterien“, räumt FDC-Präsident Robert Kieffer rückblickend ein. Da konnten jenem Manager, der für den FDC den MSCI World-Aktienindex mit den 2 500 darin enthaltenen Unternehmen verfolgt und für den Kompensationsfonds Firmenanteile kauft und verkauft, die sechs Streubombenproduzenten ins Portfolio geraten. „Nach der Intervention André Hoffmanns haben wir die Anteile der sechs Firmen sofort verkauft.“ Wie auch die von vier Unternehmen, die Anti-Personenminen produzieren, die durch die Konvention von Ottawa geächtet sind, die Luxemburg ebenfalls ratifiziert hat. Wegen seiner schnellen Reaktion sei der FDC von Pax Christi in die "Hall of Fame" besonders verantwortungsbewusster Investoren aufgenommen worden, informierte der FDC in seinem Jahresbericht 2012.

Heute habe der Kompensationsfonds ein Konzept für ethisch verantwortliche Geldanlagen, so Kieffer. Man gehe in Etappen vor. „Der umgehende Rauswurf der zehn Unternehmen aus unserem Aktienportfolio war die erste Etappe.“ Die zweite habe 2011 begonnen. Der FDC wurde Mandant der schwedischen Global Engagement Services (GES). „Diese Gesellschaft“, sagt der FDC-Präsident, „ist nicht nur darauf spezialisiert, Aktien-Portfolios auf verdächtige Anteile zu screenen. Sie tritt auch in Verhandlungen mit diesen Unternehmen, um sie zu veranlassen, ihre Unternehmenspolitik zu ändern.“ GES agiere im Auftrag vieler Fondsgesellschaften und habe dadurch Gewicht.

Alle sechs Monate erhalte der FDC einen detaillierten Bericht von GES. „Ergibt sich, dass eine Firma ihre Politik nicht ändern will, verkaufen wir ihre Aktien und setzen sie auf eine Ausschlussliste für künftige Investitionen.“ Mitte November vergangenen Jahres umfasste die Ausschlussliste 61 Unternehmen – darunter Kernwaffenhersteller, aber auch IT-Firmen, Banken oder Automobilhersteller, die nachweislich gegen irgendeine internationale Konvention verstoßen haben, der Luxemburg sich angeschlossen hat. „Wir ließen uns 2011 vom Außenministerium informieren, welche Konventionen hierzulande Gesetz sind.“ Und so ist der FDC beispielsweise nicht mehr Aktionär bei Yahoo!, weil der Internetdienstleister in China die Meinungsfreiheit einschränken hilft, und besitzt auch keine EADS-Aktien mehr, weil der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Kernwaffen an die französische force de frappe liefert (siehe „Ausgesondert“). Neben der „schwarzen“ Ausschlussliste gebe es noch eine „graue“ Liste von Unternehmen, deren Aktivitäten GES anhand einer Skala bewertet. „Die Aktien dieser Firmen haben wir noch nicht abgestoßen, das kann aber kommen.“

Mittlerweile habe beim FDC die dritte Etappe auf dem Weg zum ethisch und sozial verantwortlichen Investieren begonnen – für den Fondspräsidenten „die komplexeste“, weshalb sie „ länger dauert“. Sei sie abgeschlossen, werde der Kompensationsfonds nur noch in Unternehmen investieren, die beim Sozial- und Umweltschutz sowie in ihrer betrieblichen Governance den höchsten Standards genügen. Mit ausländischen Expertenbüros sei man dabei, eine Matrix aus Kriterien dieser drei Bereiche aufzustellen. „Wir feilen aber noch an unserer Methodologie.“ Mit einem Asset Manager der ING Bank teste der FDC derzeit, wie es sich auswirkt, aus einem Aktienpaket von 1 400 Unternehmen nur die 700 besten zu behalten. „Bewährt sich das, könnte ich mir vorstellen, dass wir das systematisch anwenden“, so Kieffer.

Trotz all dieser Konzepte, externen Consultants, Matrizen und schwarzen und grauen Listen sei der FDC aber keine moralische Instanz. „Wir wenden nur die hier geltenden Gesetze an.“ Ein AKW-Betreiber wie die japanische Tepco wurde vom FDC wegen ihrer Unternehmensführung auf die Ausschlussliste gesetzt, nicht aber aus Opposition zur Atomkraft. „Schließlich gibt es kein Gesetz, dass Atomkraft verbietet.“ Ebenfalls nicht ausschlusswürdig waren dem FDC bislang Tabakfirmen – trotz Rauchverbotsverschärfung und EU-weit immer stärker eingeschränkter Tabakwerbung. Dass der norwegische Pensionsfonds sämtliche Aktien von Big Tobacco abgestoßen hat, sei, sagt Kieffer, „eine politische Entscheidung gewesen, die der norwegische Premier traf, der zu dem Pensionsfonds das letzte Wort hat“. In Luxemburg hat der Sozialminister das letzte Wort über den FDC. Der letzte Sozialminister, der auch Gesundheitsminister war, hatte sich allerdings beim Kompensationsfonds lediglich erkundigt, wie man zu Aktien von Tabakfirmen stehe, und sich erklären lassen, solange Tabak nicht gesetzlich verboten sei, liege das an ihm. Woraufhin nichts mehr geschah.

Peter Feist
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