The Happy Guts’ Company

Kochen als Sinfoniekonzert

d'Lëtzebuerger Land vom 14.12.2018

Unter The Happy Guts’ Company stellt man sich unwillkürlich ein Künstlerkollektiv vor, doch „Company“ bedeutet in diesem Fall tatsächlich Firma. Für ihre Gründerin Jennifer Olding steckt hinter dem Firmennamen aber eine ganze Philosophie. Dazu gehört zum Beispiel ein Credo wie dieses: „Gutes Essen ist ein Menschenrecht.“

Darüber kann die quirlige Chinesin lange referieren. Britische Chinesin, um genau zu sein; daher kommt auch ihr Name. Ihre Firma betreibt Jennifer Olding seit August in Burglinster, daheim in ihrem Haus, in einer großen Küche, die eher einem Labor ähnelt. Dort stellt sie drei Sorten Produkte her: Kimchi, eine Art Sauerkrautmischung; Kombucha, ein nachfermentiertes Tee-Getränk, und einen Kefir, der in Zuckerwasser herangezogen wird, ohne Milch auskommt und also vegan ist. Zurzeit ist die Company noch ein Ein-Frau-Unternehmen, und Gewinn wirft es noch keinen ab. Das aber soll sich nächstes Jahr ändern, dann hofft Jennifer Olding auch eine Supermarktkette beliefern zu können. Im Moment sind ihre Produkte nur an ausgewählten Stellen zu haben, etwa im Café Purple Sage in Bonneweg oder dem Ready auf dem Limpertsberg.

Das könnte der Informationen schon beinahe genug sein, wäre nicht von Jennifer Oldings Philosophie zu reden und von der besonderen Rolle, die Kimchi darin spielt. „Ich war noch ganz klein, keine zwei Jahre alt, als ich begann, meiner Mutter beim Kimchi-Machen zu helfen. So gut ich das damals konnte jedenfalls.“ Die Mutter hatte die Methode mitgebracht in die Familie im autonomen Gebiet Guangxi im Süden Chinas. Im Alter von nur vierzehn Jahren war sie während Mao Zedongs Kulturrevolution zur Umerziehung in ein Lager im Nordosten gesteckt worden. Kalt sei es dort gewesen, das Lager brutal und das Essen knapp. „Im Lager freundete meine Mutter sich mit einer jungen Koreanerin an. Kimchi kommt aus Korea und wird dort zu fast jeder Mahlzeit gegessen. Die beiden Frauen begannen gemeinsam Kimchi herzustellen, auch für die anderen im Lager.“ Wahrscheinlich habe die scharfe Sauerkrautmischung ihrer Mutter das Leben gerettet, weil sie so gesund ist. Das ist einer der Gründe, aus denen Jennifer Olding findet, gutes Essen sei „kein Luxus, sondern ein Menschenrecht“.

Ein anderer hat für sie zu tun mit Kochen und Essen als Akt: „Ich glaube nicht so sehr an die Wirkung von Meditation. Ich glaube mehr an die Wirkung von guter Nahrung.“ Dass die Wissenschaft immer spannendere Zusammenhänge zwischen Kopf und Bauch, zwischen mentaler Gesundheit und „happy guts“ entdeckt, nimmt Jennifer Olding als Bestätigung ihrer These, und es hat der Firma zu ihrem Namen verholfen. Geschätzte hundert Milliarden Bakterien leben im Darm jedes Menschen, und die Aufklärung, in welchen Wechselwirkungen die Mikroben-Bevölkerung mit dem Gehirn und mit Körpervorgängen steht, hat erst vor ein paar Jahren so richtig begonnen. Jennifer Olding erzählt von Verwandten in China, die „nur“ 84 und 86 Jahre alt wurden. Das sei kein hohes Alter, die meisten anderen Großeltern, Onkel, Tanten, Großonkel und Großtanten, die sie erwähnt, wurden entweder über hundert oder weit über 90. Und das bei guter Gesundheit, gutem Essen sei dank.

In Luxemburg, findet sie, sei das Verständnis für gutes Essen ziemlich ausgeprägt. Stärker auf jeden Fall als in Großbritannien, von wo Jennifer Olding vor knapp sechs Jahren hierher kam. „In Großbritannien herrscht wegen schlechter Ernährung eine regelrechte Epidemie.“ Was vor allem daran liege, dass zu viele sich zum Essen nicht genug Zeit nähmen, kaum noch selber kochten. sich zu wenig dafür interessierten, wo die Zutaten für ihr Essen herkommen oder aus Mangel an Geld das Billigste kauften. „Ich hoffe, dass diese Entwicklung Luxemburg erspart bleibt, aber der Trend besteht hier ebenfalls.“ Slow Food, die Gegenbewegung, die auch sie vertritt, sei nichts Elitäres, sondern ein Versuch, wiederzufinden, was verlorenging über dem Drang, „schnellen Genuss, sofortige Gratifikation“ zu erlangen. Für Jennifer Olding dagegen schon ist die Zubereitung von Essen ein Kunstgenuss. „Mache ich Kimchi, ist das, als höre ich eine Sinfonie.“

Und die kann lange dauern. Typischerweise von morgens acht Uhr bis ein Uhr nachts. Wobei Kimchi auch endlich näher erläutert gehört. Grundbestandteil ist Chinakohl. Der wird geschnitten und Blatt für Blatt sautiert. Gemischt mit anderem zerkleinerten Gemüse, einer Ingwer-Knoblauch-Paste und Reis, der mit Fischsoße gewürzt wurde, entsteht aus allem ein Teig, der gerollt und in einen Tank zum Fermentieren gegeben wird. Es sind diese Handgriffe, über denen Stunden vergehen. Die Fermentierung der Kimchi-Mischung dauert ein paar Tage. Das fertige Produkt sieht rötlich aus, weil ihm Gochugaru beigegeben wurde, ein koreanischer Chili. In einer 17-Stunden-Schicht gelangten 75 Kilo Kimchi-Masse in den Fermentierer.

„Als ich mit meinem Mann aus Großbritannien nach Luxemburg kam, stellte ich fest, dass es probiotische Nahrungsmittel hier nicht gab. Also stellte ich sie selber her.“ Die ersten zehn Kilo Kimchi habe sie rein hobbyhalber fabriziert und auf Facebook nachgefragt, wer etwas davon haben wollte. „Innerhalb von knapp einer Woche war alles verkauft.“ So sei die Idee zur Firmengründung entstanden. Damals war Jennifer Olding noch Risiko-Managerin einer Bank. „Dass ich eine Idee hatte, die mich wegführen könnte vom Number Crunching, gefiel mir sehr.“ Studiert hat Olding weder Mathematik noch Ökonomie, und auch nicht Ernährungswissenschaft, sondern Filmwissenschaft. Dazu war sie nach Italien gegangen, was ungewöhnlich gewesen sei: „Die meisten jungen Chinesen, die in den USA oder in Europa studieren, haben Naturwissenschaften oder Informatik gewählt. Mich interessierte die europäische Kultur, ihre Sprachen und ihre Künste.“ Doch nach dem Studium die Filmanalyse zum Broterwerb zu machen, war offenbar nicht leicht. „Ich hätte natürlich Filmkritikerin werden können“, sagt Jennifer Olding knapp. Stattdessen zog sie nach England und machte als Bankerin Karriere. „Wenn ich zurückblicke, scheint mein Weg mich konsequenterweise genau dahin geführt zu haben, wo ich heute bin.“

Olding sieht sich und ihre Firma nicht nur als Produktionsbetrieb, sondern als Teil eines Netzwerks aus Produzenten, Lieferanten und Händlern, das sie hoch schätzt. „So weit das geht, nutze ich lokale Produkte und möchte Firmen und Initiativen fördern, die so neu sind wie meine.“ In Kimchi beispielsweise steckten abgesehen von Chinakohl, dem koreanischen Chili, dem Reis und der Fischsoße gut 15 Gemüsezutaten, die sie größtenteils lokal bezieht, darunter Rettich und Kohlrabi, Gurken und Fenchel. Dass sie nächstes Jahr einen Supermarkt beliefern zu können hofft und dazu die Produktion steigern muss, werde nichts am „handwerklichen“ Ansatz ihres Betriebs ändern. Noch weitere Produkte neben Kimchi, Kombucha und Wasserkefir herzustellen, plant Jennifer Olding zumindest derzeit nicht. „Was ich mache, möchte ich richtig machen.“ Das ist ebenfalls Teil ihrer Philosophie.

Peter Feist
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