Autosattler Pesch

Hämmern, Klackern, Summen

d'Lëtzebuerger Land vom 14.12.2018

Die Firma Pesch ist ein Familienunternehmen in fünfter Generation. Das sind so viele, dass sich Marc Pesch, aktueller Unternehmenschef, ohne nachzusehen, gar nicht erinnern kann, welcher seiner Ahnen den Betrieb gründete. Mathias Pesch, geboren 1823, war der erste in der Reihenfolge, der in Sprinkange als Sattler tätig wurde. Bis zum Zweiten Weltkrieg stellten sie dort Pferdezaumzeug her. Danach veränderte sich der Beruf mit der zunehmenden Motorisierung der Gesellschaft vom Pferde- zum Autosattler. Marc Pesch hat seine Lehre im elterlichen Betrieb gemacht, gelernt, Stoffe und Leder zu verarbeiten. Mit Pferden hat sein Handwerk schon lange nichts mehr zu tun, er stattet heute vor allem Autos aus.

Pesch, der den Betrieb 1993 übernahm, beschäftigt zehn Mitarbeiter und ist gerade dabei, sein Atelier auszubauen. Schon 2007 zog er mit der Werkstatt aus der Niederkerschener Hauptstraße in das Gewerbegebiet Robert Steichen um, wo der neue Firmensitz mit seiner Fassade hervorsticht, die wie eine Sofagarnitur gepolstert ist. Die Firma Pesch repariert auch Möbel. Im Büro im Eingangsbereich stapeln sich in den Regalen die Kataloge mit

Mustern der Stoffe, die vor allem aus Deutschland und den Niederlanden bezogen werden. Hauptaktivität ist die Reparatur der Innenausstattung von Autos, vor allem historischer Fahrzeuge. Davon, erklärt Pesch, gibt es mehr als man denkt. In Luxemburg, sagt er, seien rund 5 000 historische Fahrzeuge angemeldet.

Mitten im Atelier steht vergangene Woche ein grüner VW Käfer, besser gesagt, das frisch lackierte Käfer-Gerüst. Denn im Innenraum ist der Oldtimer komplett ausgenommen, die Sitze sind raus, sogar die Deckenbekleidung, der Himmel, fehlt und die Türen sind nicht mehr bezogen. Peschs Mitarbeiter haben alles abmontiert und herausgeholt, danach alles gründlich gesäubert. Sie werden die Federn in den Sitzen erneuern, sie frisch beziehen, genauso wie die Decke, die Türen und die Böden. An die 100 Arbeitsstunden kann es dauern bis ein Oldtimer wieder instand gesetzt ist. Die herausgeholte Originalgarnitur dient dabei als Vorlage für die neue Verkleidung.

Auf großen, hohen Arbeitstischen liegen Schablonen aus Karton. Dort werden erst die Schnittmuster angefertigt und dann die neuen Teile zugeschnitten. An den Wänden dahinter hängen große Garnspulen in unterschiedlichen Farben, darunter stehen die Nähmaschinen, mit denen Garnituren und Teppichen in Form gebracht werden. Eine junge Frau ist dabei, die Einzelteile für Schutzbezüge für ein Bauunternehmen zuzuschneiden. Die Bezüge sollen die Sitze der Kleintransporter, Lastwagen und Krankabinen, die ständig Staub, Zement und Dreck ausgesetzt sind, vor der Abnutzung schützen, erklärt Pesch, während er die Stücke begutachtet. In Hand- und Maßarbeit wird hier ersetzt und repariert, was vorher in einem industriellen Prozess hergestellt wurde. Werbung muss die Firma Pesch nicht machen. Höchstens auf Sondermessen für historische Autos stellt sie ihre Arbeit vor, sagt der Firmenchef. Auch sein Herz schlägt für alte Autos. Pesch besitzt einen Aston Healey, wie er schüchtern und gleichzeitig stolz erklärt.

Aus der Nebenhalle hört man ein mechanisches Summen. Auf dem Boden sind große Plastikbahnen exakt aufeinander gefaltet. Ein Mitarbeiter wandert langsam von einem Ende zum anderen und führt eine Maschine über die aufeinanderliegenden Enden, die so erhitzt und zusammengeschweißt werden. Die Firma Pesch stellt auch Lastwagenplanen her. Zwar werden Planen nach Standardmaßen eher in Billiglohnländern hergestellt, räumt Pesch ein. Aber daneben gibt es einen Markt für Maßanfertigungen, der bei der Firma Pesch einen Ausbau notwendig gemacht hat.

Im Atelier hören die Mitarbeiter Radio. Übertönt wird die Musik vom Hämmern, Klackern und Summen der Maschinen. In einer Ecke sind zwei Mitarbeiter am Werk, die in Hohem Tempo die Sitzoberfläche von großen giftgrünen Sesseln mit neuen, bereits zusammengenähten, silberfarbenen Stoffbezügen beziehen. Die Sessel, erklärt Pesch, stammen aus einem Krankenhaus. Die kaputten, durchgesessenen Bezüge mit neuen zu ersetzen werde billiger als neue Sessel zu bestellen. Einen Sitz nach dem anderen nehmen sich die beiden vor. Umdrehen, die Klammern mit Hammer und Meißel lockern und herausschlagen, bis der alte Stoff runterkommt. Den neuen Bezug über die Schaumstoffmasse in Form ziehen und danach unter der Sitzoberfläche festtackern.

Patricia Monteiro packt kräftig an. Sie hat offensichtlich Spaß an ihrer Arbeit. Sie hat die Bezüge zusammengenäht; alle Mitarbeiter, erklärt Pesch, führen alle Arbeitsschritte aus, damit es Abwechslung gibt. Seit September ist die junge Frau, die vorher als Näherin gearbeitet hat, bei der Firma und hat nun ihre Lehre begonnen. Den praktischen Teil zu absolvieren, ist für sie kein Problem. Das macht sie in der Firma. Doch als gebürtige Kapverdierin, die mit 14 nach Luxemburg kam und französisch spricht, kann sie die theoretischen Kurse nicht verfolgen, die ausschließlich auf Deutsch angeboten werden. „Warum gibt es keine Kurse in französischer Sprache?“, fragt sie, „das wäre doch gut für die französischsprachige Bevölkerung.“ Monteiro arbeitet einstweilen weiter. Vielleicht wird ihr die Handwerkskammer ihre Ausbildung auch ohne Theorie anerkennen, hofft sie. Eine endgültige Entscheidung dazu stehe aber noch aus, sagt ihr Chef.

Marc Pesch selbst ist der zweitletzte, der in Luxemburg in seinem Beruf eine Meisterprüfung abgelegt hat. Er bildet sein Personal, wie Monteiro, bis zur Gesellenprüfung selbst aus. Doch eine Meisterprüfung wird mangels Kandidaten und mangels Examenskommission ohnehin nicht mehr veranstaltet. „Wie in so vielen Berufen“, bedauert Pesch.

Michèle Sinner
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