Dieses Jahr soll es so weit sein: Der Aufbau der öffentlichen Ladesäulen für Elektroautos, den schon 2012 die damalige Regierung beschlossen hatte, beginnt. Bis Ende 2020 sollen 400 Säulen auf Park-and-Ride-Plätzen, an Bahnhöfen, „Umsteigepolen“ zwischen Auto und Bus sowie an Abstellplätzen für Carsharing-Autos installiert werden. Weitere 400 Säulen sind, so steht es in einem Verordnungsentwurf der Regierung, in höchstens 300 Metern Entfernung von „wichtigen Stellen“ in den Gemeinden vorgesehen. Jede Ladesäule erhält zwei Anschlüsse, so dass 1 600 Elektroautos gleichzeitig an den Saft gehen können. Die genauen Standorte der Säulen ist eine Arbeitsgruppe noch dabei zu klären. „Das geschieht in enger Abstimmung mit den Gemeinden, wir berücksichtigen ihre Wünsche“, erklärt Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP). Er sagt das so nachdrücklich, weil auch kleinen Gemeinden daran liegt, möglichst viele Ladesäulen abzubekommen. Die neue Infrastruktur gilt schließlich als die Voraussetzung für den Übergang in die elektromobile Zukunft mit wenig Lärm und möglichst null Emissionen.
Ein Prestigeprojekt sind die „Bornen“ auch. Berührungslos lesbare Karten mit Kundenerkennung sollen dafür sorgen, dass an gleich welcher Ladesäule man auch tankt, der Strom stets mit dem Versorger abgerechnet wird, bei dem man als Haushaltskunde unter Vertrag steht. Im Ausland ist das schon wegen der größeren Zahl der Stromversorger viel problematischer. Die Regierung hofft deshalb wie schon ihre Vorgängerin, gerade dank dieser ausgeklügelten Lösung Luxemburg als „Zukunftslabor“ für Elektromobilität empfehlen zu können und damit zur Diversifizierung der Wirtschaft im Bereich Cleantech beizutragen. Außerdem hat die Ladesäulen-Infrastruktur den Vorteil, die Staatskasse nicht zu belasten: Die rund zehn Millionen Euro für den Aufbau werden auf die Netzgebühren aller Haushaltskunden umgelegt. Weil das über sechs Jahre gestreckt wird, fallen die fünf Euro mehr auf der Jahresstromrechnung gar nicht auf.
Inwiefern die vielen Ladesäulen dazu verhelfen werden, dass 2020 tatsächlich 40 000 Elektroautos auf Luxemburgs Straßen unterwegs sind, fragt sich aber. An dem 2010 beschlossenen Ziel halte man noch immer fest, sagt der Wirtschaftsminister. Dass sich im vergangenen Jahr die Zahl der Elektroautos von 264 auf 548 mehr als verdoppelt hat, sei „durchaus ein Trend“. Schneider räumt aber ein, der Aufschwung sei „wahrscheinlich wegen der Car-e-Prämie“ von 5 000 Euro zustande gekommen, die nur noch für bis Ende 2014 gekaufte Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge gezahlt wird. Und er weiß, dass Elektroautos bisher „fast ausschließlich“ als Zweitwagen angeschafft werden: In einer Zeit, da Autohändler ein wachsendes Kostendenken ihrer Kundschaft feststellen und ein Schwergewicht der Branche wie Autopolis-Gründer und Adal-Präsident Ed Goedert seinen Kollegen ins Gewissen redet, ein neues Mobilitätssystem werde den Zweitwagen infrage stellen, scheinen die Zukunftsaussichten für die neuen Elektrovehikel begrenzt. Zumal das Kostenbewusstsein der Autokunden sich noch an anderer Stelle äußert: „Weil bei den neuen Antriebstechnologien im Moment viel innoviert wird“, so der Wirtschaftsminister, „können viele Leute nicht einschätzen, was ein Elektroauto nach ein paar Jahren noch wert sein wird, wenn man es weiterverkaufen will.“
Das ist eine Sorge, die sogar Leasingfirmen plagt, die Elektroautos als Firmenwagen anbieten und sie nach vielleicht drei Jahren auf den Secondhand-Markt bringen möchten: „Schwer zu sagen, wie der Wert der Autos dann beschaffen sein wird“, sagt der Chef einer Leasingfirma. Möglicherweise sei der Wertverlust hoch. Und das für Fahrzeuge, die zwar „ganz toll sind“, wie etwa der i3 von BMW, aber „in der Anschaffung noch immer sehr teuer“.
Und vielleicht liegt die Zukunft sauberer Auto-Antriebe ja gar nicht im batteriegetriebenen Motor? Transportminister François Bausch (Déi Gréng) ist überzeugt, „dass die Brennstoffzelle sich durchsetzen wird“. Seit vergangenem Jahr wird in Europa der Hyundai ix35 FC als Leasing-PKW angeboten, in Deutschland seit dem Jahreswechsel auch für jedermann. Toyota will im September dieses Jahres seinen Mirai mit Fuel Cell in Europa lancieren, aber zunächst nur in London, Hamburg, München und Kopenhagen. Die Auswahl sei getroffen worden, weil es dort schon relativ viele Wasserstofftankstellen gibt, die Brennstoffzellentechnologie in Deutschland, Dänemark und Großbritannien „von den Märkten besonders gut akzeptiert wird“ und die Entfernung zum European Centre of Expertise for Fuel Cell in Brüssel nicht zu groß ist, erklärt David Willems, Pressechef von Toyota Belux in Zaventem. Wann der Mirai in Luxemburg angeboten werden könnte, sei ebenso wenig abzusehen wie sein Verkaufsstart in Belgien, trotz des Centre of Expertise in Brüssel. Entscheidend werde die Infrastruktur zum Nachtanken sein, meint Willems. In Belgien gebe es momentan keine einzige Wasserstofftankstelle, und Willems weiß auch von keinen Plänen, eine zu bauen.
Da ist Luxemburg ein kleines Stück weiter: In Hollerich beim Depot des hauptstädtischen Busbetriebs steht noch die Wasserstofftankstelle aus der Zeit, da der AVL sich an einem Pilotversuch mit Brennstoffzellenbussen von Mercedes beteiligte. „Als ich Mobilitätsschöffe war, habe ich gesagt: Lassen wir die mal stehen, man weiß ja nie“, sagt François Bausch. Relativ schnell möchte er dafür sorgen, dass wenigstens drei weitere Wasserstofftankstellen eingerichtet werden, „eine im Süden, eine im Norden und eine im Osten“. Die Infrastrukturabteilung im Nachhaltigkeitsministerium prüfe das schon; in Frage kämen Tankstellen, deren Plattform der Staat den Betreibern per Konzession überlässt, etwa an Autobahnen.
Bausch weiß natürlich, dass die Brennstoffzelle in PKW frühestens in zehn Jahren richtig marktreif und erschwinglich werden könnte: In Japan wird der Toyota Mirai für sieben Millionen Yen, umgerechnet knapp 53 000 Euro, verkauft. Für die fünf Testgebiete in Europa stünden auch acht Monate vor dem geplanten Start noch keine Preise fest, informiert David Willems. Der Hyundai ix35 FC kostet in Deutschland 65 000 Euro, nicht gerade wenig für ein 136 PS starkes SUV. „Gerne würden wir ihn auch in Luxemburg anbieten“, erklärt die Marketingabteilung von Hyundai Belux. Dazu müssten aber zunächst „ein paar“ Wasserstofftankstellen her.
Ökologisch und energetisch ist der Wasserstoffantrieb allerdings nicht gerade die Ideallösung. Zurzeit wird Wasserstoff in erster Linie durch Aufspaltung von Erdgas gewonnen. Dabei könnte Erdgas auch direkt einen klassischen Benzinmotor antreiben. Wasserstoff-Enthusiasten, zu denen offenbar auch der grüne Transportminister gehört, hoffen deshalb, dass die Wasserstoffgewinnung per Elektrolyse sich durchsetzt. Die kostet zwar viel Strom, und wenn der nicht aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird, sind Brennstoffzellenantriebe kaum klimafreundlicher als Benzin- und Dieselmotoren. Aber: „Vor der Küste Schottlands zum Beispiel haben die Windkraftwerke im vergangenen Jahr einen Überschuss von 25 Prozent produziert“, sagt François Bausch. Nutzte man solche Grünstrom-Überschüsse zur Wasserstoffgewinnung, würden nicht nur die Brennstoffzellenantriebe sauberer. Wasserstoff ließe sich dann auch als Energiespeicher einsetzen. Was ein nicht zu verachtendes Argument ist, wenn es in Zukunft darum gehen wird, in Stromnetzen, in die mehr und mehr Elektrizität aus diskontinuierlich arbeitenden Quellen wie Windkraftwerken und Solarstromanlagen eingespeist wird, jederzeit für ein ausreichend hohes Spannungsniveau zu sorgen.
Und einen praktischen Vorteil gegenüber dem batteriegetriebenen Elektroantrieb hat die Brennstoffzelle: Wasserstoff nachzufüllen dauert nicht länger als Diesel oder Benzin nachzutanken; das Laden einer Elektroauto-Batterie dagegen dauert selbst an einer Schnellladesäule eine halbe Stunde. Und nicht alle Säulen haben einen Anschluss von mehr als 22 Kilowatt, der sie so schnell werden lässt, auch die 800 in Luxemburg zu installierenden nicht: Die 400 Säulen an P&R-Plätzen und Bahnhöfen sollen vorzugsweise als Langsam-Lader eingerichtet werden, innerhalb der Gemeinden werde über die Anschlussleistung von Fall zu Fall entschieden, steht im Projet de règlement grand-ducal dazu.
Ausbauen lassen will die Regierung auch das Netz der Erdgastankstellen. Bisher gibt es sechs, und das ist schon seit fünf Jahren so. „Aber alle großen Hersteller haben Erdgasmodelle in ihrer Palette, und ich weiß, dass Volkswagen zum Beispiel noch nachlegen will“, sagt Etienne Schneider. Spricht man mit Autohändlern, schwärmen die vom Erdgasantrieb. Adal-Präsident Ed Goedert erinnert sich, wie er in einem Volvo mit kombiniertem Benzin-Erdgas-Antrieb mit je einer Gas- und Benzintankfüllung die 1 300 Kilometer von seinem Autohaus in Bartringen bis zur Volvo-Zentrale in Göteborg ohne einmal nachzutanken absolvierte. „Das Auto hatte eine Reichweite wie ein kleiner Flieger!“
„Problematisch war aber stets, dass wir stark von belgischen Importeuren abhängen“, sagt Fegarlux-Präsident Ernest Pirsch, der in seinem Betrieb die Marke Ford anbietet, die zu den Erdgas-Pionieren zählt. Doch weil in Belgien Erdgas nie populär war, hätten Erdgas-Fords aus Deutschland beschafft werden müssen. „Das war kompliziert.“
Wie klimafreundlich Erdgasantriebe sein können, weiß man beim Süd-Bussyndikat Tice: Dort sind 39 Erdgasbusse im Einsatz; ihre Zahl soll demnächst auf 47 steigen. Weil die Tice-Busse mit Biogas fahren, sind sie zu 95 Prozent CO2-neutral. Wie ein Test im vergangenen Jahr ergab, wären auch Hybridbusse mit Elektro- plus Dieselantrieb nicht so gut. Der Tice erklärt: „Wir bleiben beim Erdgas.“
Ende 2014 lag die Zahl der Erdgas-PKW nur bei 22 und so niedrig, dass die Zulassungsbehörde SNCA sie in ihrer vor dem Festival publizierten Bilanz gar nicht mehr erwähnte. Dass Erdgas sich nicht habe durchsetzen können, liege aber nicht in erster Linie am dünnen Tankstellennetz, meint Erny Huberty, Marketingchef beim Enrgieversorger Enovos und Präsident der Asbl Lëtzebuerg gett Gas. Der Verein half, den Tankstellenbau voranzutreiben. „Sechs Tankstellen sind schon nicht schlecht, sie sind auch gut verteilt über Land.“ Wenngleich es nördlich von Diekirch keine mehr gibt, weil das Erdgasnetz nicht so weit reicht. „Vor allem aber ist es uns nicht gelungen, den Kunden die Furcht vor Gasantrieben zu nehmen.“ Gas hieß Explosionsgefahr. „Dabei sind Gastanks im Auto besser abgesichert als Benzintanks“, weiß Huberty.
Während des Autofestivals will die Asbl den Erdgasantrieb promoten. Dass er in Luxemburg noch einen Aufschwung nehmen könnte, scheint allerdings zweifelhaft: Nötig wäre dafür nicht nur eine Kampagne, um den Leuten die Angst vor Gas zu nehmen, sondern auch eine Strategie, um landesweit für Biogas zum Tanken zu sorgen wie für die Tice-Busse. Sonst wäre Erdgas, wenn alle auf die Emissionen schauen, weniger günstig als der Elek-troantrieb, der in Luxemburg im Grunde komplett aus grünem Strom versorgt werden kann.
Und richtig günstig ist die Lage auch nicht, wenn mit einem Erdgasauto über die Grenzen des Landes hinaus gefahren werden soll. „Italien ist ein großer Erdgas-Nutzer, da gibt es Zehntausende Tankstellen“, sagt Erny Huberty. In Deutschland wachse das Gastankstellennetz auch. Belgien und die Niederlande dagegen würden auf LPG, Flüssiggas, setzen und Frankreich auf eine Zukunft mit Elektroautos. „Erdgas ist da kaum ein Thema.“
Vielleicht ist am Ende ja doch die Elektro-Infrastruktur diejenige, die sich grenzüberschreitend durchsetzt. In Deutschland soll bis 2017 jede Autobahntankstelle Schnellladestationen erhalten. Der US-Autobauer Tesla will, um seine Elektromobile in besser zu verkaufen, an vielbefahrenen Autobahnen Ladestationen einrichten. Wirtschaftsminister Schneider erzählt, seit seinem letzten Kalifornien-Besuch stehe auch Luxemburg auf Teslas „Landkarte“. Man will halt bereit sein für alles.