CSV und Euthanasie

Überdacht

d'Lëtzebuerger Land vom 27.03.2008

Einen Monat, nachdem die CSV bis auf eine Ausnahme geschlossen gegen den Gesetzesvorschlag zur Legalisierung der Euthanasie gestimmt hatte, kündigte sie an, dass sie ihre „Position überdacht“ habe. Dieser Schritt kam nicht überraschend. Denn am 19. Februar hatte die Abgeordnetenkammer die international für Aufsehen sorgende Reform gestimmt, und die CSV hatte dabei gar keine Rolle gespielt. Bald besorgt, bald amüsiert, hatte das ganze Land mit ansehen können, dass der Kaiser nackt war: Wie die mächtigste Regierungspartei einfach überflüssig war und die anderen Parteien ganz gut ohne sie klar gekommen waren. Das war politisch ungefähr das Schlimmste, was der CSV geschehen konnte.

Der Nationalvorstand der CSV musste sich deshalb vergangene Woche auch fragen, ob sich die Partei nicht selbst ins Abseits manövriert hatte. Nach der Sitzung klagte Parteipräsident François Biltgen, die Position der CSV sei missverstanden worden. Dabei hatte Fraktionspräsident Michel Wolter noch unmittelbar vor der Abstimmung im Parlament betont, dass jeder CSV-Abgeordneter frei nach seinem Gewissen abstimmen durfte.

Nach der Sitzung seines Nationalvorstands war François Biltgen auch bereit, die Euthanasie „dann zuzulassen, wenn klar erwiesen ist, dass Palliativmedizin nicht oder nicht mehr greift“. Im von der Kammer verabschiedeten Gesetzesvorschlag steht nur wenig mehr. Manche Kommentatoren verstanden deshalb auch die überdachte Position der CSV falsch und glaubten, die CSV sei plötzlich für die Legalisierung der Euthanasie.

Aber der CSV-Nationalvorstand hatte die Position richtig verstanden. Denn er hatte sie einstimmig gebilligt, also einschließlich der Abgeordneten, die am 19. Februar mit Nein gestimmt hatten, der im Dienst des Erzbistums waltenden Vertreter der befreundeten Presse und anderer Politiker, die sich öffentlich lautstark gegen die Euthanasie ausgesprochen hatten. Auch das Luxemburger Wort hatte die Position richtig verstanden, anderntags seine Leitartikler wohl kaum die Gelegenheit verpasst hätten, eine geballte Ladung Kirchenbann gegen die verräterische CSV zu schleudern.

Dabei ist die überdachte Position der CSV unmissverständlich: Die Partei will wieder eine politische Rolle spielen. Wenn der parlamentarische Ausschuss die in erster Lesung verabschiedeten Palliativ- und Euthanasiegesetze aufeinander abstimmen soll, will sie mitreden und am liebsten die ganze Debatte wieder von vorne beginnen. Das geht nur, wenn sie behauptet, dass sie mit ihrem Nein am 19. Februar nicht ihr letztes Wort gesprochen hatte. Der Rechten in und außerhalb der Partei macht sie diesen angeblichen Gesinnungswandel mit der Erklärung schmackhaft, dass sie das Euthanasiegesetz zwar in erster Lesung nicht verhindern konnte, aber in zweiter Lesung zumindest eine Verwässerung aushandeln kann, wenn der Erzbischof, sein Luxemburger Wort, eine eigens gegründete Bürgerinitiative und einige Sonntagsprediger Flankenschutz liefern.

Doch damit die in die ungewohnte Minderheit versetzte CSV zeigen kann, dass es ohne sie nicht geht, ist sie auf das Wohlwollen anderer Parteien angewiesen. Deshalb muss sie Druck auf die LSAP aus­üben, damit diese aus Koalitionsräson ihr Inte­resse an einem „nationalen Konsens“ in der Euthanasie-Frage entdeckt. Auf das Risiko hin, den Streit in die eigene Partei zu tragen, so wie er mit dem öffentlichen Protest der Abgeordneten Nancy Kemp-Arendt bereits wieder in der CSV schwelt.

Romain Hilgert
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