Dass Investoren aus dem Wüstenstaat Katar in Luxemburger Finanzinstitute einsteigen würden, dürfte keine Überraschung gewesen sein, bemühte sich Finanzminister Luc Frieden am Montag den Eindruck zu erwecken, dass man die Situation unter Kontrolle habe und der Coup von langer, sicherer Hand geplant sei. Montag früh hatte die belgische KBC Bankengruppe bekannt gegeben, die Luxemburger Privatbankfiliale KBL European Private Bankers an Precision Capital S.A zu verkaufen, deren Verwaltungsrat mit Mitgliedern der katarischen Herrscherfamilie besetzt ist. Nachdem der Verkauf der KBL für 1,05 Milliarden Euro besiegelt war, deren Übernahme durch die indische Hinduja-Gruppe die Finanzaufsicht CSSF verhindert hatte, konnte Frieden mitteilen, bei den „finanzkräftigen, ausländischen Investoren“, welche die Banque internationale à Luxembourg (Bil) kaufen wollen, handele es sich um die gleichen Investorengruppe aus dem katarischen Herrscherhaus. Eine Überraschung ist das Frieden zufolge deshalb nicht, weil anlässlich der Visite von Premier Sheikh Hamad bin Jassem bin Jabor Al-Thani vergangenen Juni, Luxemburg und Katar eine strategische Partnerschaft beschlossen, die auch die Finanzbranche visierte. Da hatte Al-Thani in Aussicht gestellt, eine Luxemburger Filiale der Nationalbank von Katar zu eröffnen. Seither haben sich die Pläne also ein wenig geändert; dass man einen Investor gefunden habe, der so „kurzfristig“ bereit sei, die Bil zu kaufen, hätte Belgier und Franzosen Luxemburg fast ein wenig neidisch werden lassen, so der Finanzminister.
Damit die Banque internationale à Luxembourg aber überhaupt aus der belgisch-französischen Dexia-Gruppe herausgelöst und verkauft werden kann, mussten deren Aktionäre und Verwaltungsrat am Sonntag in Brüssel der Zerlegung des einstmals größten öffentlichen Finanziers zustimmen. Demnach verstaatlicht die belgische Regierung Dexia Banque Belgique und der Dexia-Vorstand verhandelt mit den staatlichen Banken Caisse des dépôts und La Postale über die Finanzierung der französischen Kommunen. Die Regierungen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs haben für zehn Jahre Garantien über 90 Milliarden Euro für das Kredit- und Anleiheportfolio der Bankengruppe gewährt. Da sich der Luxemburger Staat an diesem Garantienprogramm mit drei Prozent beteiligt, bürgt er für maximal 2,7 Milliarden Euro. Weniger als 2008, unterstrich Frieden, als Luxemburg Dexia Garantien für maximal 4,5 Milliarden Euro gewährt hatte. Möglichst bald, so der Finanzminister, werde er einen Gesetzesentwurf vorlegen, um sich die Zustimmung des Parlaments für die Bürgschaft zu sichern. Wie hoch die Minderheitsbeteiligung des Staats an der Bil sein soll, konnte Frieden auch am Montag nicht sagen; mehr als 150 Millionen Euro, oder vielleicht 200 Millionen Euro, solle sie aber nicht kosten. Demnach sieht es aus, als ob sich der Finanzminister, der vergangene Woche wieder keinen ausgewogenen Haushalt für 2011 vorlegen konnte, sich ein Budget gesetzt hat. Was der Staat im Gegenzug dafür bekommt, hängt letzten Endes vom Verkaufspreis ab, auf den sich die Investoren auf Katar mit dem Vorstand der Dexia-Gruppe einigen. Die in vielen Medien genannte Summe von 900 Millionen Euro, welche die Kataris für die Bil zahlen würden, wollte Frieden nicht kommentieren. Doch sollten die Investoren mehr für die Bil bieten müssen – Analysten-Berwertungen von vergangener Woche zufolge sei die Bil zwischen einer und 1,7 Milliarden Euro wert – würde die Beteiligung Luxemburgs bei gleich bleibendem Einsatz entsprechend geringer.
Ob Luxemburg für diese Bankenrettung neue Schulden machen muss, ist noch nicht gesagt. Zwar würden die Garantien ohnehin erst fällig, wenn die so genannte „Bad Bank“, die das Portfolio verwaltet, die staatlich verbürgten Refinanzierungskredite nicht mehr zurückzahlen könnte. Die 150 bis 200 Millionen Euro, mit denen der Staat bei der Bil einsteigen möchte, könnte man auch aus der Trésorerie nehmen, wie Frieden meinte. „Regieren heißt vorsehen“, sagte er, wiederum bemüht, so zu tun, als gebe es im Hintergrund einen großen Plan für das Handeln der Regierung. Denn bereits 2008 habe er sich vom Parlament die Genehmigung für Anleiheausgaben über drei Milliarden Euro eingeholt, davon aber nur zwei Milliarden für die Kapitalaufstockung bei der BGL gebraucht. Demnach könne man „jederzeit“ eine Milliarde Euro Schulden aufnehmen, um einer „systemischen“ Bank zu helfen, so der Finanzminister. Auf den 2008 gewährten Bürgschaften, die spätestens 2014 auslaufen, habe Dexia rund 30 Millionen Euro Zinsen an den Staat gezahlt. Von den damals gewährten Garantien bürgt Luxemburg den Angaben der Trésorerie de l’État zufolge noch für 1,3 Milliarden Euro. Sodass der Staat nicht für 2,7 Milliarden, sondern für vier Milliarden Euro Bürge steht, was, an 2010 gemessen, 9,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Die Entscheidungen des vergangenen Wochenendes seien gute Entscheidungen, so Frieden. Sie müssten auch im Rahmen der aktuellen Debatte über die Rekapitalisierung der Banken in der EU gesehen werden, wo diskutiert wird, ob das europäische Bankensystem ohne Kapitalaufstockungen einen substanziellen Schuldenschnitt auf Griechenland-Anleihen verkraften kann oder nicht. Ob man daraus schließen kann, dass in den Plänen des Finanzministers nicht vorgesehen ist, neue Schulden zu machen, um weiteren Banken auszuhelfen?