Ee schicke Buttik

d'Lëtzebuerger Land vom 02.02.2018

„Der Erwerb genannter Gebäude erfolgte im Interesse der Stadtentwicklung und der urbanistischen Aufwertung des Bereiches um das Centre Aldringen: Neugestaltung des Busbahnhofs, Schaffung von Wohnungsraum im Stadtzentrum, Förderung des Handels durch die Schaffung eines weiteren attraktiven Geschäftszentrums in der Haupt- und Europastadt Luxemburg“, heißt es im analytischen Bericht der Sitzung vom 27. April 2009, während der im Gemeinderat der Kauf zweier Immobilien in besagtem Bereich beschlossen wurde. Doch die Bekanntmachung der Ankunft der Galeries Lafayette im entstehenden Gebäudekomplex Royal Hamilius bewies im Gegenteil, dass Luxemburg, der immensen Wohlstandsvermehrung der vergangenen Jahrzehnte zum Trotz, keine Europastadt, sondern immer noch Provinz ist.

Das zeigte sich nicht nur daran, dass die Vertreter des Bauträgers Codic, die Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) und der Generaldirektor der Galeries Lafayette, Nicolas Houzé, gemeinsam vor einem Bildschirm saßen, der die frohe Botschaft „Un grand magasin arrive à Luxemburg“ verkündete, so als ob eine Kaufhauseröffnung vergleichbar sei mit historischen Ereignissen wie der ersten Eisenbahnfahrt vor bald 160 Jahren. Es ließ sich in der Reaktion der zahlreich erschienenen Geschäftsleute ablesen, die Nicolas’ Vater, Philippe Houzé, eingeheirateter Kaufhauserbe im Ruhestand, allein für sein Erscheinen eine spontane Runde Applaus schenkten, wie man sie sonst einem Friedensnobelpreisträger oder dem Erfinder eines Heilmittels gegen Krebs vorbehalten würde. Houzé Senior, dem in französischen Medien absolutistische Tendenzen in der Familienbetriebsführung nachgesagt wurden und derlei Anbetung gewöhnt, stand auf, nickte huldvoll in alle Richtungen des Saales. Das Publikum, unausreichend blasiert, um angesichts dieses Star-Faktors unbeeindruckt zu bleiben, sonnte sich in seinem Pariser Großstadtglanz. Houzé-fils legte nach, schmeichelnd erklärte er, das Geschäft in Luxemburg sei das achte Kaufhaus, das außerhalb Frankreichs eröffnet werde, nannte es in einem Atemzug mit Filialeröffnung in Metropolen wie Istanbul, Shanghai und Peking, und dem, wenn auch etwas staubigen, sehr reichen, Kuwait-City.

Dass sich durch die Galeries Lafayette zumindest eine Prise von diesem Pariser Glamour auf Luxemburg überträgt, darauf hoffen alle, die am Dienstag bei der Offenbarung dabei waren. Lydie Polfer hieß die Kaufhauskette „sehr herzlich willkommen“. Thierry Behiels, Generaldirektor von Codic, zierte sich nicht, indiskret über die finanziellen Probleme der Muttergesellschaft von Galeria Inno zu reden, dem ehemaligen Partner von Codic, über den es bisher geheißen hatte, er sei vergangenes Frühjahr wegen der Verzögerungen beim Bau abgesprungen. Deutlicher konnte er nicht machen, dass er den Austausch Lafayette-Galeria Inno für einen Glücksfall hält.

Eleganter erklärte sich Polfer überzeugt, die Galeries Lafayette würden „zu einer Lokomotive für die ganze Stadt“. Denn, so formuliert es die Direktorin des hauptstädtischen Handelsverbands UCVL, Anne Darin, die Galeries Lafayette seien einem viel breiteren Publikum bekannt als Galeria Inno. Während Letztere außerhalb Belgiens kaum jemand kenne, hätten Erstere ein derart positives und bekanntes Image, dass sie auch Touristen anziehen würden. Ganz gerechtfertigt, meint auch Darin, sei das nicht unbedingt, denn das Markenangebot der beiden Kaufhausketten decke sich in großen Teilen, aber Galeria Inno habe ein etwas angestaubtes Image. Für viele Verbraucher hingegen sind die Galeries Lafayette der Inbegriff französischen Schicks.

Das dürfte vor allem für diejenigen gelten, die beispielsweise noch nie die Metzer Filiale besucht haben, sondern immer nur die Zentrale in Paris und sich des Angebotsgefälles zwischen Metropole und Provinz nicht bewusst sind. Wo sich das Angebot der Luxemburger Galeries Lafayette situieren wird, ob es mehr Paris oder mehr Metz wird, konnte Houzé am Dienstag noch nicht sagen, man beginne nun erst mit der Planung.

Ganz einfach wird es nicht, denn die Erwartungen an das Kaufhaus sind sehr unterschiedlich. Ein Teil der Bevölkerung erhofft sich dort, wie früher bei Monopol seine Feinrippunterhosen kaufen zu können, sowie beim gleichen Kassengang einen ordentlichen Pulli und einen robusten Wintermantel zu einem erschwinglichen Preis. Ein anderer Teil erwartet sich, dort die neuesten Modetrends erstehen zu können, auch wenn dafür erhebliche Summen fällig werden.

Der Stadtverwaltung hat man versprochen, das Angebot im Kaufhaus werde das bestehende Angebot im Einzelhandel ergänzen, nicht dublieren oder gar ersetzen. Aber viele große internationale Mode-Marken haben in den vergangenen Jahren eigene Geschäfte in der Grande-Rue oder der Rue Philippe II eröffnet. Manche, wie Dolce und Gabbana, haben sogar bereits wieder geschlossen. „Für eine Ladenschließung kann es viele unterschiedliche Ursachen geben“, sagt Anne Darin vom Geschäftsverband. Eine davon, wie sie einräumt, könnte sein, dass das statistisch unschlagbar hohe verfüge Einkommen der Luxemburger Erwerbstätigen in großen Teilen in die Finanzierung des Wohnraums geht und sie am Monatsende nicht so viel Geld zum Shopping übrig haben, wie in manchem Business-Plan vorgesehen. Dass Nicolas Houzé am Dienstag keine Angaben zum zukünftigen Markenangebot machen konnte, liegt letztlich auch daran, dass die Marken selbst entscheiden, ob sie in einer neuen Filiale präsent sein wollen oder nicht. Anders herum erklärt: Für wie finanzkräftig und hip die internationale Modebranche Luxemburg hält, lässt sich Ende 2019 bei der Eröffnung der 8 000-Quadratmeter-Galerie am Markenangebot ablesen.

Houzé und der Bauträger Codic gaben sich am Dienstag auf jeden Fall optimistisch. Ersterer erwartet eine Million Besucher jährlich in seinem neuen Kaufhaus. Thierry Behiels versprach, die Besucherzahlen in der Stadt Luxemburg würden durch die Galerie, die darunter angesiedelte Fnac, die immerhin zehn Jahre nach einer Niederlassungsmöglichkeit in Luxemburg gesucht habe, und das darum entstehende Einkaufsangebot insgesamt um 20 Prozent steigen. Der neue Einkaufskomplex, bedeutete der Codic-Direktor den Luxemburger Geschäftsleuten, solle nicht zu ihrem Nachteil sein. Die Ausgaben im Handel würden von jährlichen 2,2 Milliarden Euro um 300 zusätzliche Millionen gesteigert.

Dies zu unterstreichen ist für Behiels wichtig, da in der allgemeinen Aufregung um die große Kaufhauskette und die durch die Riesenbaustelle entstandenen Unanehmlichkeiten für die umliegenden Geschäfte im Besonderen und die Bevölkerung im Allgemeinen ein wenig in Vergessenheit geraten ist, dass Codic zwar ein Privatinvestor ist, aber im Auftrag der Stadtverwaltung handelt. Eben im April 2009 hatte die Stadt Luxemburg unter Bürgermeister Paul Helminger (DP) und Finanzschöffe François Bausch (déi Gréng) der Versicherungsgesellschaft La Luxembourgeoise ihre Liegenschaften am Boulevard Royal und in der Rue Aldringen für insgesamt rund 37 Millionen Euro abgekauft, um den Stadtkern und, bevor die Tram geplant war, insbesondere den Busbahnhof umzugestalten. Diese Liegenschaften hat sie an den Gewinner der damaligen Ausschreibung (Codic) unter Auflagen verpachtet, die ein Kaufhaus vorsahen, um zu verhindern, dass die Innenstadt sich immer mehr zugunsten der Einkaufszentren im Stadtrandgebiet leert. Die Auflagen sahen außerdem Büroflächen und den Bau von Wohnungen vor. Dass die Dachterrasse des Panorama-Restaurants über der Einkaufsgalerie, für das demnächst ein Betreiber gesucht wird, der Öffentlichkeit zugänglich sein wird, anstatt zahlenden Kunden vorbehalten zu sein, könnte ebenfalls damit zu tun haben, dass die Grundstücke in öffentlicher Hand sind. Über die Pachtdauer von 75 Jahren zahlen die Investoren der Royal Hamilius-Gesellschaften laut Pachtvertrag 100 Millionen Euro an die Stadt Luxemburg, 40 davon sind bereits überwiesen und die Investitionskosten für die Stadtverwaltung damit gedeckt. Weshalb Lydie Polfer gegenüber dem Land zufrieden sagen kann: „Wenn das alles gut geht, und so scheint es zu laufen, dann war das für die Stadt eine ganz gute Operation.“

Die 10 000 Quadratmeter Büroflächen, konnte Behiels am Dienstag berichten, sind allesamt an den Immobilienfonds Silver Royal vermietet. Dahinter steht der staatliche Investmentfonds des Emirats Abu Dhabi. An den Gesellschaften Royal Hami­lius Commerces, Royal Hamilus Bureaux und Royal Hamilius Parkings hält Codic laut Geschäftsberichten jeweils nur noch 49 Prozent; im Verwaltungsrat vertritt Abdulla Khaleefa Gaith Khaleefa Alqubaisi jeweils den Mehrheitseigner.

Den Wohnungsbau übernimmt die Firma Codic, die insgesamt 320 Millionen Euro in das Projekt investiert, selbst. Ende 2017 hat sie die 73 Wohneinheiten in den Verkauf gegeben, 40 Prozent davon seien bereits veräußert. Die Käufer verfügen ihrerseits über ein Oberflächen- und Zugangsrecht von 75 Jahren, das über eine einmalige, im Kaufpreis inbegriffene Zahlung erworben wird. Danach fällt es zurück an die Stadt Luxemburg und die Erben müssen einen neuen Pachtvertrag verhandeln.

Während das Kaufhaus den Stadtkern insofern verändern wird, als es den sich über den gesamten Boulevard Royal erstreckenden Damm an Bürogebäuden aufbricht, die für die Öffentlichkeit unzugänglich sind, werden auch die Wohnungen, mit Balkon auf den Aldringer Platz, das Stadtbild wandeln. Ein Studio von 40 Quadratmetern kostet 537 639 Euro, eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern und einer Fläche von 113 Quadratmetern 1,734 Millionen Euro. Wer sich für ein 250 Quadratmeter Penthouse mit drei Schlafzimmern und zwei Bädern interessiert, muss beim Makler anrufen, um zu erfahren, wie viel der Blick auf das hauptstädtische Postamt kostet.

Die Preise zu vergleichen ist schwierig, da es in dieser Stadtlage keine Wohnungen gibt, aber im absoluten ist das sehr viel Geld. Codic setzt bei der Ausstattung auf hohe Qualitätsstandards. „Wohnen in Foster“, lautet die Devise, nach dem Pritzker-Preis-gekrönten Architekten, der die Pläne entworfen hat. Die Deckenhöhe ist großzügig und die Käufer können zwischen drei von Innenarchitekten vorbereiteten Atmosphären „trendy“, „classic“ und „contemporary“ aussuchen, oder im hochwertigen Materialangebot im Showroom selbst ihr Glück bei der Auswahl versuchen. Wenn sie mit ihren Umzugskartons anrücken, Topfpflanzen und Wäscheständer auf den Balkons aufstellen und bei gutem Wetter ihre Weber-Grills zünden, dürfte das in der Tat für ungewohnte Szenen im Luxemburger Stadtzentrum sorgen.

Dass es im Royal Hamilius keine Sozialwohnungen gibt, erklärt Lydie Polfer damit, dass zum Zeitpunkt der Planung solche gesetzlich nur für Projekte ab einem Hektar Fläche erforderlich waren. Doch falls erwünscht, hätte die Stadtverwaltung billigere Wohnungen sicherlich als Bedingung in die Ausschreibungsklauseln integrieren können. Alle, die sich keine Wohnung dort leisten können, vertröstete Behiels mit der Aussicht darauf, dass das entgegen früheren Aussagen François Bauschs auf 630 Plätze ausgebaute Parkhaus ab September wieder zugänglich sein wird. Sogar die Vorbestellung eines Parkplatzes im Internet wird dort möglich sein.

Michèle Sinner
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