Vor den Kommunalwahlen im Oktober haben sich wieder einmal alle Parteien praktisch unisono für bezahlbaren Wohnraum in Luxemburg stark gemacht. In den Wahlprogrammen zu den Parlamentswahlen dieses Jahr wird sich dieser Punkt sicherlich ebenfalls wiederfinden. Und trotzdem werden sehr wahrscheinlich alle Parteien, die auf Landesebene oder in den Gemeinden das Sagen haben, genauso wie bisher gegen diesen Wunschgedanken arbeiten.
Will man das Problem lösen, geht es in erster Linie darum, die Landspekulation zu unterbinden, an der sich der Staat als größter Akteur beteiligt. Das künstliche Anlocken von Google ist dafür in zweierlei Hinsicht ein Musterbeispiel. Zum einen bot der Staat 1,7 Millionen Euro pro Hektar (17 000 Euro pro Ar) für Land, das im Flächennutzungsplan (PAG) der Gemeinde als unerschlossenes Grünland ausgewiesen ist. Dadurch wird die Spekulation auf Grundbesitz außerhalb und innerhalb der Bauperimeter maßlos angeheizt. Welcher Landwirt wird sich in Zukunft nicht auf dieses Angebot beziehen?
Zum anderen zeigt das Scheitern der einen Google-Variante in Roost/Bissen eine weitere Problematik, die das Angebot von Land reduziert und dadurch die Preise antreibt. Und zwar hat ein Landwirt dem Verkauf seiner Ländereien angeblich nicht zugestimmt, weil er den Veräußerungsgewinn unter Geschwistern hätte aufteilen müssen. Bis 2009 galt nach Artikel 832-4 des Code civil für die Teilung eines landwirtschaftlichen Betriebes durch Erbschaft eine Frist von zehn Jahren (beziehungsweise von 20 Jahren innerhalb des Bauperimeters). Ein bei einem Verkauf von Grundbesitz erzielter Mehrerlös muss unter den Erben aufgeteilt werden. 2009 wurde die Karenzzeit auf 25 Jahre erhöht. Die Erbschaft im Falle Roost wurde angeblich vor weniger als 25 Jahren unterschrieben, und somit wäre der Veräußerungsgewinn unter Geschwistern aufzuteilen gewesen. Deshalb soll der Landwirt dem Verkauf nicht zugestimmt haben. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Regelung, die das Fortbestehen landwirtschaftlicher Betriebe sichern soll, den negativen Effekt hat, das Landangebot zu reduzieren, und somit die Preisspirale antreibt.
Unsere Landwirte gehören einerseits immer noch zu den größten Landbesitzern. Anderseits hat das besagte Erbschaftgesetz zur Nebenwirkung, dass immer mehr Landbesitz in den Händen von immer weniger Landwirten konzentriert wird. Diese Konzentration wird zusätzlich durch zahlungskräftige Bauherren unterstützt, die im ganzen Land Grundbesitz aufkaufen, um Kompensationsflächen für anstehende Bebauungsprojekte anbieten zu können. Eine weitere Gruppe, bestehend aus den Erben der im vorigen Jahrhundert entstandenen Unternehmens-Bourgeoisie, wurde im Land vom 25. November 2016 im Artikel „Rentiers & Héritiers“ von Bernard Thomas eingehend beschrieben. Mit einer der Erbschaftssteuer gegenüber freundlichen Gesetzgebung und ausreichend Schlupflöchern zur Minimierung der Veräußerungsgewinne liefert die Politik einen weiteren Beitrag zur Spekulation auf dem Immobilienmarkt.
Die Subventionspolitik, die nunmehr seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft mit dem lobenswerten Ziel praktiziert wird, eine Lebensmittelproduktion in Luxemburg aufrechtzuerhalten, trägt ebenfalls zur Verringerung des Angebotes an Grundbesitz bei. Weniger wirtschaftlich arbeitende Betriebe hätten ohne Beihilfen Land veräußern müssen, um überleben zu können. Es ist richtig, dass man einem Wirtschaftszweig mit einer Subventionspolitik über eine schwierige Zeit hinweghilft, um eine Neuausrichtung und somit ein Überleben zu ermöglichen. In einer Welt, in der ein Drittel der Bevölkerung Hunger leidet, hat man es in Luxemburg aber nicht erreicht, dass die Landwirtschaft mit der Produktion von überlebenswichtigen Gütern ein auskömmliches Einkommen erwirtschaften kann. Damit gilt die landwirtschaftliche Subventionspolitik als gescheitert. Wird nun aber der Bauperimeter willkürlich erweitert, so wird die entsprechende Fläche von heute auf morgen um das Zig-fache aufgewertet, ohne dass der Landwirt Beihilfen, die er auf der Fläche erhalten hat, zurückerstatten muss.
Unsere Landwirte, die hiesigen Baulöwen und die Luxemburger Immobilienbourgeoisie werden diese Ausführungen übelnehmen. Gilt es doch, nach der Feudalzeit den Grundbesitz als Errungenschaft zu verteidigen und sich nicht marxistischen Überlegungen in einer sozialen Marktwirtschaft hinzugeben.
Man sollte jedoch die Definition von Grundbesitz in Betracht ziehen und sich insbesondere mit den beiden Begriffen Besitzrecht (nue propriété) und Nutzungsrecht (usufruit) auseinandersetzen, die gemeinsam den Grundbesitz (pleine propriété) darstellen. Jeder Grundbesitzer kann seinen Grund und Boden entweder selbst nutzen oder das Nutzungsrecht vermieten beziehungsweise verpachten. In der Landwirtschaft ist der Pachtvertrag seit jeher bekannt, und die großen landwirtschaftlichen Betriebe bewirtschaften heute zum Teil weit über
50 Prozent Pachtland. Beim Bauland ist diese Praxis immer noch verpönt, gilt doch im Volksmund der Spruch: „de Grond zitt de Bau“.
In einigen Nachbarländern ist der Erbpachtvertrag (bail emphithéotique) bei Immobilien übrigens gängige Praxis. Erbpacht ähnliche Verträge gab es bereits im Mittelalter und sogar im alten Rom als jus emphyteuticum. In Deutschland spricht man heute von Erbbaurecht mit Laufzeiten von bis zu
99 Jahren. Als Beispiel gibt es Großgrundbesitzer aus alten Adelsgeschlechtern, wie unter anderem Nachkommen des Grafen von Spee, die in Nordrhein-Westfalen riesige Flächen an Industriebetriebe verpachtet haben. Dieses Modell wird seit einiger Zeit auch in Luxemburg angeboten, wobei die Société nationale des habitations à bon marché (SNHBM) eine Vorreiterrolle übernommen hat. Die Verträge sind eindeutig und schützen den Wert der Gebäulichkeiten, die über das Nutzungsrecht des Grundbesitzes geregelt sind. Eine Wohnung wird über diesen Weg um bis zu 50 Prozent preiswerter und damit erschwinglich für viele junge Paare, die sich eigene vier Wände anschaffen möchten. Wie kann man dieses Modell nutzen, um eine Gesamtlösung zu finden, die die Grundeigentumsspekulation weitestgehend oder zum größten Teil unterbindet?
Zuerst sollte man sich die schleichende Enteignung der Landbesitzer durch immer strenger werdende Gesetze und Regelungen vor Augen führen. Die Nutzung vom eigenen Grund und Boden wird über zum Teil notwendige Auflagen seit Jahren immer mehr eingeschränkt – nicht zuletzt in Bezug auf die Umweltschutzproblematik. So unterliegen Landwirte erheblichen Einschränkungen durch Auflagen, wie etwa Zwischenfruchtarten, Fruchtfolgen, Anbauarten, Spritzmitteleinsatz, Greening, Drainageverbot, Bodenbewegungen oder Ausfuhr von Gülle. Die Mehrzahl dieser Auflagen ist nicht verwerflich und sicherlich sinnvoll, soll das doch hauptsächlich dem Umweltschutz dienen.
Diese weitestgehend unbestrittenen Einschränkungen unterstreichen, dass das Wichtigste am Grundbesitz immer noch das Nutzungsrecht ist, da es Erträge durch eigene Nutzung oder Verpachtung erwirtschaftet. Das Besitzrecht kann ebenso wie das Nutzungsrecht veräußert werden. Ohne Nutzungsrecht ist das Besitzrecht allerdings wenig wert. Das Nutzungsrecht ohne Besitzrecht (usufruit – zum Beispiel Wohnrecht) wird meistens auf die vereinbarte Vertragsdauer, beziehungsweise Lebzeiten des Nutzers beschränkt. Eine Nutzung nach dem Ableben macht auch keinen Sinn – abgesehen von zwei Quadratmetern auf dem Friedhof ...
Halten wir fest, dass sich einerseits durch Erbschaften bei schwindender Geburtenzahl das Angebot an unbebautem Grund und Boden in einigen wenigen Händen konzentriert – und zwar durch spe-
zielle in der Landwirtschaft geltende Erbschaftsregelungen und Subventionspolitik, durch Ankauf von Kompensationsflächen durch Baulöwen und nicht zuletzt durch Ankäufe der öffentlichen Hand. Andererseits nimmt die Nachfrage nach bebaubaren Flächen aufgrund einer stark wachsenden Bevölkerung, einer zugleich sinkenden Zahl von Personen pro Haushalt, aufgrund des Ausbaus von Industrie- und Gewerbeflächen und wegen der zunehmenden Anzahl an Freizeitflächen stetig zu.
Beide Entwicklungen drehen an der Spekulationsschraube. Mit dem Ergebnis, dass Wohnraum unbezahlbar wird. Ein Ausweg ist sicherlich der Erbpachtvertrag. Dazu stellt sich die folgende Frage: Können wir über eine Trennung von Besitzrecht und Nutzungsrecht neue Wege entwickeln und den Übergang für jeden schmerzlos überwinden?
Wie oben aufgeführt werden die Rechte der Grundbesitzer immer mehr eingeschränkt und die Pflichten und Restriktionen werden Schritt für Schritt erweitert. Die Enteignung von Grundeigentum durch den Gesetzgeber wird über Nutzungseinschränkungen und -auflagen schleichend vollzogen, ohne Wertausgleich oder Entschädigung an die Eigentümer von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen. Andererseits kann es auch nicht sein, dass die Bauausführung eines Autobahnanschlusses wegen eines Enteignungsverfahrens durch Prozedurfehler um Jahre verzögert wird.
Unsere kinderlose Bevölkerung torpediert das Pensionssystem und trägt einen erheblichen Anteil zur Konzentration des Grundbesitzes über Erbschaft bei. Ein Spekulationsgewinn auf Grundbesitz müsste daher unmittelbar an die Pensionkasse übertragen werden.
Die einzig mögliche Alternative, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, führt über den Weg, der jedem Bürger ein in der Verfassung verankertes Recht auf die Nutzung von Land im Allgemeinen und Bauland im Speziellen festschreibt. Das könnte zum Beispiel über einen Obolus, das heißt Pachtpreis, geregelt werden, der an die Familien-, Einkommens- und Wohlstandsverhältnisse der betreffenden Person gebunden wäre.
Um dies zu ermöglichen, muss jeglicher Grundbesitz dem Staat gehören. Der Besitz einer Wohnung oder eines Wohnhauses mit dem Nutzungsrecht gemäß Erbpachtvertrag (50-99 Jahre gesetzliche Pachtlaufzeit) ist vererbbar. Am Ende des Pachtvertrages wird, wie heute bereits in den meisten Verträgen vereinbart, der Wert der Gebäulichkeiten von zwei unabhängigen Gutachtern geschätzt und vom Grundeigentümer an den Eigentümer der Wohnung bezahlt. Damit verfällt der Wert einer Bauinvestition nicht mehr und nicht weniger als der Wert einer Wohnung auf eigenem Grundstück. Es wird lediglich die Grundeigentumsspekulation unterbunden. Sicherlich ist das Recht auf Grundbesitz sowohl durch die Verfassung als auch durch das EU-Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. In diesem Sinne mögen diese Überlegungen radikal wirken, nicht zuletzt weil für einen solchen Eingriff in die bestehende Gesetzgebung der erbschafts- und eigentumsrechtliche Rahmen grundlegend abgeändert werden muss.
Die Umsetzung dieses Eingriffs in das Grundeigentumsrecht ist ein Prozess, der folgendermaßen vollzogen werden kann: Ein Vererben von Grundeigentum, bebaut oder unbebaut, wird unterbunden. Nach dem Tod wird das Besitzrecht (nue propriété) der verstorbenen Person an Grund und Boden an den Staat übertragen. Verkäufe von Grundbesitz können nur noch an den Staat erfolgen. Das Nutzungsrecht wird an die nächste Generation vererbt, gegen einen Pachtzins, der über einen Zeitraum von 25 Jahren (eine Generation) von Null auf den Marktwert erhöht wird. Der Nutzungswert wird über einen Faktor korrigiert, der an die jeweils vorliegenden Familien-, Einkommens- und Wohlstandsverhältnisse gebunden ist. Dieser Faktor ermöglicht bei angebotenen Pachtverträgen ein Überbieten von wohlhabenden Bietern auszugleichen.
Gesellschaften müssen ebenfalls jegliches Grundeigentum an den Staat abtreten und können den Bilanzverlust über eine festzulegende Periode abschreiben. Die Pacht des Nutzungsrechtes von Grund und Boden wird, ähnlich wie bei Privatpersonen, über einen festzulegenden Zeitraum von Null bis auf den Marktwert erhöht. Auch hier wird ein Korrekturfaktor angewandt, der aus der Ergebnislage der Gesellschaft pro genutzte Flächeneinheit errechnet wird.
Dieses Modell mögen einige Mitbürger als Utopie bezeichnen. Ähnliche Überlegungen zu Nutzungs-, Besitz- und Eigentumsrecht finden sich in den Commons-Theorien, die unter anderem die juristische und rechtliche Umsetzung beleuchten. Bei einer objektiven Betrachtung dürfte man zweifellos erkennen, dass es ohne Eingriff in das Eigentumsrecht schwierig wird, ein vergleichbares Modell zu entwickeln, das bezahlbaren Wohnraum für jeden Bürger ermöglicht, die Spekulation durch wenige unterbindet, die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter öffnet, diese Entwicklung sehr wahrscheinlich sogar korrigiert, und nicht zuletzt auch eine unüberwindbare Schranke gegen landgrabbing ist. Nation Branding wäre überflüssig, die ganze Welt würde über uns berichten – Luxemburg als Modell für ein allgemeines Recht auf die Nutzung von Grundbesitz.