Seit sie während einer Klausur im September 2014 in Senningen die Einzelheiten des Referendums über das Ausländerwahlrecht, das Wahlalter, die Dauer von Regierungsmandaten und damals noch die Finanzierung der Priestergehälter beschlossen hatte, hätte die Regierung es wissen müssen: Das geht schlecht aus! Aber nein, nach einer erneuten Klausur, diesmal in Mondorf, kündigte sie am Mittwoch dieser Woche ein neues Referendum für Anfang 2018 an, nunmehr über den Entwurf der großen Verfassungsrevision, an der seit mehreren Legislaturperioden gearbeitet wird.
Anfang 2018, das wäre etwa ein halbes Jahr vor den nächsten Wahlen, und nicht vor irgendwelchen Wahlen, sondern vor politisch höchst aufgeladenen, weil sie über die Rückkehr der CSV an die Macht entscheiden werden. Damit ist gewährleistet, dass die Verfassungsrevision ein Wahlkampfschlager für Regierung und Opposition wird. Präziser: die Verfassungsrevision droht, zumindest in dieser Legislaturperiode zu scheitern, und der Wahlkampfschlager soll sein, wer die Schuld an diesem Scheitern tragen wird. Denn um die Verfassungsrevision in erster Lesung mit der vorgeschriebenen Zweidrittelmehrheit durch das Parlament zu bringen, ist die Regierungskoalition auf die Stimmen der CSV angewiesen.
Also darf die Koalition erst einmal vor keiner Konzession zurückschrecken, um sich im parlamentarischen Ausschuss der Institutionen und Verfassungsvision mit der CSV auf einen endgültigen Text der neuen Verfassung zu einigen. Inhaltlich wäre das kein Problem, denn der vorliegende Text geht auf den CSV-Abgeordneten Paul-Henri Meyers zurück, und bisher wurde sich der Ausschuss auch über die Änderungsanträge dazu einig. Stimmen aber die CSV-Abgeordneten im parlamentarischen Ausschuss für die neue Verfassung, gibt es keinen vernünftigen Grund, dass die CSV-Fraktion es schätzungsweise Ende nächsten Jahres bei der ersten Lesung im Plenum nicht tut. Stimmt die CSV aber in erster Lesung für den Text, kommt sie kaum daran vorbei, öffentlich dazu aufzurufen, Anfang 2018 beim Referendum mit Ja zu stimmen, das die Funktion der zweiten Lesung übernimmt.
Selbstverständlich hat die CSV keine Lust, mitten im Wahlkampf Seite an Seite mit DP, LSAP und Grünen eine Referendumskampagne zu führen, weil das Zweifel an ihrer entschlossenen Opposition zur Regierungspolitik aufkommen ließe. „Die stecken doch alle unter einer Decke“, heißt es dazu an den Stammtischen. Außerdem schmerzte es die CSV aufs Empfindlichste, der anscheinend ziemlich unpopulären Regierung kurz vor den Wahlen den Triumpf eines erfolgreichen Referendums zu gönnen. Und schließlich geht es auch ums Prinzip: In den Augen der CSV ist die Verfassung etwas wie die Hausordnung des CSV-Staats. Und wie könnte die Hausordnung geändert werden, wenn der Hausmeister gerade oppositionshalber abwesend ist? Es würden ja glatt Zweifel an der Unersetzbarkeit des Hausmeisters aufkomen.
Die ganze politische Kunst der CSV wird es also sein, mit dem Ausdruck der hehrsten Absichten das Referendum zu verhindern, ohne den Eindruck aufkommen zu lassen, dass sie etwas Geheiligtes wie das Grundgesetz für niedere parteipolitische Ränkespiele missbraucht. Am sichersten ist selbstverständlich der Versuch, im Staatsrat, der nun mit der Begutachtung der Änderungsanträge befasst ist, und im parlamentarischen Ausschuss auf Zeit zu spielen. Oder eine Prinzipienfrage auszumachen, deren Hinnahme die CSV beim besten Willen nicht mit ihrem christlichen Gewissen vereinbaren könnte und so sogar erlauben würde, der Regierungsmehrheit die Verantwortung für das Scheitern der Revision zuzuschieben. Das Referendum über die Hausordnung des CSV-Staats könnte ja nach 2018 nachgeholt werden, wenn der alte Hausmeister wieder seine Loge bezogen hat.