Kabinettsumbildung

Warum Maggy Nagel Ministerin wurde und es nicht mehr ist

d'Lëtzebuerger Land vom 18.12.2015

Als die moderne Sparkoalition von DP, LSAP und Grünen Ende 2013 antrat, passte Maggy Nagel perfekt in die neue Regierung, die angekündigt hatte, die Fenster des CSV-Staats weit aufzureißen, den Staub von Jahrzehnten wegzufegen und die Verwaltung auf Trab zu bringen. Da war Maggy Nagel genau die Richtige, um resolut anzupacken, kein Blatt vor den Mund und keine falschen Rücksichten zu nehmen.

Es passte in die damalige Aufbruchstimmung, dass Maggy Nagel sich als Wohnungsbauministerin wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt den Wohnungsbaupakt aus CSV/LSAP-Zeiten vorknüpfte und nach einer Kabinettsitzung als das beschrieb, was er tatsächlich größtenteils war: ein kostspieliger Humbug. Ja, sie kündigte an, reihenweise den Gemeinden Mahnungen zu schicken, um Mil­lionen staatliche Zuschüsse zurückzufordern, die sie nicht verbauten, sondern horteten.

So liebt der liberale Wähler seine Politiker, wenn sie endlich die Staatsquote senken. Denn er fürchtete schon immer, zu viel Steuern zahlen zu müssen, damit der Staat sein schwer verdientes Geld an Arbeitslose, Grenzgänger, Musikanten und Prunkbauten errichtende Gemeinden austeilt.

Als erste liberale Kulturministerin strich Maggy Nagel dann ebenso energisch Ausstellungen und Konzerttourneen, kündigte sie an, alle staatlichen Konventionen mit Künstlern und Vereinen aufzulösen und erst nach eingehender Prüfung neue zu gewähren. Auch damit sprach sie dem liberalen Wähler aus dem Herzen, der nicht einsehen wollte, dass alle Maler, Schauspieler und Schriftsteller halbbeamtete Staatskünstler sein sollen, während der sonstige Mittelstand sich dem rauen Wind des freien Marktes stellen muss.

Der Masse der Wähler ist die ganze Steuerberatungsindustrie hinter der DP viel zu abstrakt, diese unnahbare Kriegerkaste des Finanzplatzes ist ihr fremd. Da hatte eine joviale Frau aus Fleisch und Blut, die energische Maggy Nagel, das Zeug dazu, die Gallionsfigur des Zukunftspak zu werden, bevor es ihn überhaupt gab. Pflichtbewusst und voller Tatendrang wollte sie in ihrer kleinen Domäne den Vorschlaghammer auf der großen Baustelle des schlanken Staats und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit schwingen.

Hinzu kam, dass Maggy Nagel Erstgewählte der DP im Ostbezirk war, und jede Partei aus Rücksicht auf den Lokalpatriotismus versucht, Vertreter aller Wahlbezirke in ihrer Regierungsmannschaft zu vereinen. Außerdem bemühte sich der in Regierungsdingen unerfahrene Premierminister ­Xavier Bettel, in der Regierung und in der Partei alte Bekannte um sich zu sammeln, denen er vertraute oder die in seiner Schuld standen. Als die langjährige Gemeindesekretärin des legendären Bürmeringer Bürgermeisters Will Bertrand 2004 ihr Abgeordnetenmandat und ihr Einkommen verlor, wurde sie Gemeindeangestellte der Stadtverwaltung Luxemburg, zuletzt unter Bürgermeister Xavier Bettel, auch wenn die Lokalpolitik im Osten ihr keine Zeit dazu ließ.

Aber die tollkühne Pionierzeit der ökosozialliberalen Himmelsstürmer ist längst vorbei. Nach der Unterzeichnung einer Konvention mit dem Erzbistum und der Einigung auf Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen ist die Euphorie verflogen. Nicht erst seit dem Desaster des Referendums und den alarmierenden Umfrageergebnissen schließen die Bettel, Schneider und Braz wieder diskret die Fenster des CSV-Staats.

Deshalb wurde auch von Maggy Nagel erwartet, nicht bloß zu demontieren, sondern auch aufzubauen. Nach der genussvollen Zertrümmerung des CSV-Erbes sollte sie bei den nächsten Kammerwahlen 2018 auch etwas für ihre Partei vorzuweisen haben. Sie sollte den Vorschlaghammer beiseitelegen und Akten wälzen, Audits kaufen, Lobbys empfangen, Notizen lesen, Untergebene beruhigen, alles, was regieren so bedeutet. Dazu war sie nicht in der Lage.

Doch wie konnte sie auch? Wie soll eine liberale Politikerin in einem winzigen Land, in dem immer mehr Leute wohnen wollen, die Mieten und Grundstückspreise drosseln, ohne sich an dem keiner Partei wie der DP so heiligen Privateigentum der Grundstücks- und Ertragshausbesitzer zu versündigen? Wie viele Wohnungsbauminister mussten sich schon vor ihr, alle Wahlversprechen hin oder her, an diesem Widerspruch scheitern lassen? Wie soll sich eine liberale Politikerin die Sympathien all der um ihre Zuschüsse bangenden katholischen Staatskünstler, wie Thomas Bernhard sie nannte, erkaufen, wenn ein ausgeglichener Staatshaushalt oberstes Staatsziel ist? Das war schon ihrer CSV-Vorgängerin Octavie Modert nicht mehr gegönnt.

So war Maggy Nagel rasch überfordert, um so mehr als sie ihre beiden Ministerien ziemlich desorganisiert vorgefunden hatte und noch weiter desorganisierte, etwa durch den ungeschickten Streit mit dem Präsidenten des Fonds du logement. Sie fühlte sich in die Defensive gedrängt, reagierte patzig, tauchte immer seltener in ihren Ministerien auf, drückte sich an Entscheidungen vorbei. Ihre Partei, die sie bisher als volkstümliche Variante durchgehen ließ, um Wählerstimmen im Osten zu sammeln, begann, sich für sie zu schämen. Premier Xavier Bettel setzte sie unter die Zwangsverwaltung von Staatssekretär Marc Hansen, um während der Referendumskampagne und des europäischen Ratsvorsitzes den schönen Schein zu wahren. Nicht nur unter vier Augen gab er ihr dann zu verstehen, dass er sie loswerden wollte. Bis sie nun in einer „rein persönlichen Entscheidung dem öffentlichen Druck nachgab“, um „Schaden von Ministeramt und Partei abzuwenden“, wie er am Mittwoch zynisch erklärte.

Plötzlich war auch aufgefallen, was anfangs niemand gestört hatte: Dass Maggy Nagel immer etwas zu laut, zu plump und zu schrill war, dass ihr Geschmack und ihre Vorlieben, ihr Hang zu Kitsch und Populärkultur proletarisch waren und sie es für ratsamer hielt, sich dazu zu bekennen, statt Halbbildung vorzutäuschen, wie es die feineren Parteikollegen und die Mittelschichtenkinder der Kunstszene voller Häme und Klassendünkel von ihr verlangten.

Da scheint der neue Staatssekretär Guy Arendt die ideale Wahl. Denn der Geschäftsanwalt ist so grau, wie Maggy Nagel bunt ist. Nachdem der Abgeordnete und Mondorfer Bürgermeister Lex Delles den Regierungsposten abgelehnt hatte, bot Xavier Bettel ihn nicht dem Nächstgewählten im Osten an, dem vor 14 Tagen abgesetzten DP-Generalsekretär Gilles Baum, sondern dem Zentrumsabgeordneten und Walferdinger Bürgermeister. So geht der Ostbezirk leer aus.

Die dritte Regierungsumbildung der DP nach dem Ausscheiden von Staatssekretär André Bauler und der Entmachtung Maggy Nagels im Wohnungsbauressort sollte möglichst geräuschlos geschehen. Das ist gründlich misslungen, seit Lex Delles zuerst überall erklärte, der Premier habe ihn am Mittwoch angerufen, um ihm ein Regierungsamt anzubieten. Denn nun sah es zum Entzücken der CSV auch noch so aus, als ob der Regierungschef nicht einmal Vorbereitungen getroffen hatte für den seit Wochen erwarteten, aber noch vor 14 Tagen dem DP-Kongress verheimlichten Abgang seiner Ministerin.

Weil Marc Hansen nun vom Staatssekretär zum Minister befördert wird, hat die DP in der Koalition kein Anrecht auf einen weiteren Minister. Deshalb muss ein anderer Minister, Premier Xavier Bettel, die Verantwortung für das Kulturressort übernehmen, damit Guy Arendt dort als Staatssekretär die Arbeit erledigen kann (siehe Seite 17 dieser Ausgabe).

So hat die moderne Sparkoalition am Ende einen guten Tausch gemacht. Sie ersetzt eine Kulturministerin, die nicht mehr gebraucht wird, durch einen Kulturstaatssekretär, der in Kabinettsitzungen zwar nicht viel zur Kultur zu sagen hat, aber umso mehr bei Gesetzesvorlagen über den Charme des Beps mitreden kann.

Romain Hilgert
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