Schicksalstage. Schicksalsgestalten. In der deutschen Geschichte war der 2. Juni 1967 ein solcher und auch Soraya. Jene Regenbogenblatt-Prinzessin, die dem Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Glamour brachte, und die Menschen von fernen Ländern träumen ließ, und jener Tag, an dem sich die außerparlamentarische Opposition radikalisierte. Beide sind eng mit dem Iran verbunden. Es gab schon jeher eine besondere Beziehung zwischen den beiden Ländern, die auf gegenseitiger Bewunderung fußten. Die Regierungen in Bonn und später auch in Berlin sprachen immer von einer besonderen Partnerschaft und pflegten einen besonderen Draht zu den jeweiligen Machthabern in Teheran. Ende September dieses Jahres bezeichnete Irans neuer Präsident Hassan Rohani in einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck, Deutschland als wichtigstes Land für den Iran in der EU. Diese Verbundenheit zwischen dem Iran und Deutschland, die während der Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf offiziellen politischen Ebenen abkühlte, ist so innig, dass selbst die Grünen-Politikerin Claudia Roth während der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz den iranischen Verteidigungsminister zur Begrüßung abklatschte.
Dennoch mag es verwundern, dass Deutschland an den „P5+1“-Gesprächen zur Lösung des Konflikts um das iranische Atomprogramm teilnimmt. „P5-1“, das sind die fünf ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA plus Deutschland. Welche Rolle spielt Berlin in diesen Gesprächen, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson erklärte, schienen die Karten verteilt: Berlin als enger Verbündeter Israels stets und immer gegen Teheran. Einerseits. Andererseits pflegten alle deutschen Regierungen nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 den Dialog mit Teheran und nahmen so eine oftmals unbeachtete Rolle als Mittler im Nahost-Konflikt ein.
Doch die deutsche Staatsräson endet an einem Punkt: Handel. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran. Viele deutsche Firmen waren in iranische Infrastruktur-Projekte – vor allem in der petrochemischen Industrie – involviert. Der Iran ist für Deutschland ein Milliardenmarkt, besonders für mittelständische Unternehmen. Bevor die Sanktionen gegen den Iran verhängt und dann verschärft wurden, exportierten deutsche Firmen Waren im Wert von rund fünf Milliarden Euro an den Persischen Golf. Im Gegenzug wurden aus dem Iran wurden vor Obst und Gemüse importiert. Für 500 Millionen Euro.
So war es auch Berlin, das sich 2006 am heftigsten gegen Handelssanktionen wehrte. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) befürchtete seinerzeit, dass über 10000 Arbeitsplätze durch den Boykott Irans in Deutschland gefährdet seien und sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnten. Deutsche Wirtschaftsbosse trugen als Mantra stets vor, dass wenn Deutschland seine Handelsbeziehungen zum Iran minimieren würde, Russland und China bereitstünden, die Lücke zu füllen.
Mehr noch: Das iranische Atomprogramm basiert in erster Linie auf deutscher Technologie und Know-how. Die Siemens-Tochter Kraftwerk Union baute zum größten Teil die Meiler von Buschir. Auch als die Vereinten Nationen bereits 2003 ein Technik-Embargo gegen Teheran verhängte, schafften es deutsche Firmen immer wieder – teils in skandalträchtiger Art und Weise – dieses Embargo zu umgehen und über Drittstaaten, an erster Stelle dabei Russland, weiterhin Handel mit der Islamischen Republik zu unterhalten – auch und vor allem mit Embargo-Technologie. Genau diesen Markt möchten sich deutsche Firmen wieder sanktions- und embargolos erschließen.
Die Außenpolitik ist eine Scheckheft-Diplomatie, die gerne den Geldbeutel zückt, aber irgendwann die Dividende der Investition einfahren möchte. Der Iran ist ein Markt mit Zukunft, denn durch den Boykott des Landes kam es zu einem Investitionsstau vor allem auch in Infrastrukturmaßnahmen. Gerne ist man dem Land dabei behilflich, diesen abzubauen und dabei zu verdienen, vielleicht lässt sich auch noch mit der Kontrolle der iranischen Atomkraftwerke Geld machen.
Anders die Situation in Paris: Während der ersten Phase des Konflikts mit dem Iran suchte Frankreich den Schulterschluss mit Deutschland und Großbritannien, um im Gegensatz zur US-amerikanischen Regierung den Dialog mit Teheran fortzuführen. Erst mit der Wahl von Nicolas Sarkozy zum Staatspräsidenten im Jahr 2007 kam es zu einem Paradigmenwechsel: Paris setzte auf Härte wegen der iranischen Atompolitik. Auch heute ist für Frankreich die Nichtverbreitung von Atomwaffen eine strategische Priorität – mit dem Ziel, die iranische Regierung zu isolieren und durch verschärfte Sanktionen zu schwächen. Doch damit manövriert sich Paris auf der internationalen Bühne zusehends ins Abseits. Auch in Frankreich gibt es Druck von der Wirtschaftslobby, den außenpolitischen Kurs gegenüber dem Iran zu überdenken. Vor allem die Automobilkonzerne Renault und Peugeot befürchten, dass wieder einmal ihre deutschen Konkurrenten die Nase vorn haben könnten.
Der Konflikt um das iranische Atomprogramm zeigt, dass es noch ein weiter Weg sein wird bis zu einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik. Noch dominieren nationalstaatliche Interessen, die von ökonomischen Zielen bestimmt werden. Doch unterm Strich sind die Motiven dieselben: Wohlstandsvermehrung bleibt oberste Priorität, der sich alle anderen Interessen und Inhalte unterordnen müssen.