d’Land: Frau Ministerin, gesetzt den Fall, Sie benötigten eine stationäre Behandlung in einem Krankenhaus – würden Sie sich im Ausland behandeln lassen oder in Luxemburg?
Lydia Mutsch: In Luxemburg. – Und wie würden Sie herausfinden, welches Spital für Sie das beste wäre?
Alle unsere Spitäler sind gut. Ich meine das wirklich. Wir haben vier große Krankenhausgruppen, die eine hochqualitative medizinische Versorgung anbieten. Unser Krankenhauswesen ist eines der besten in Europa.
Als Patient erfährt man aber nicht, welches Spital in welcher Art von Behandlung besonders gut ist.
Sie meinen, es gibt keine Rankings.
Im Ausland schauen die Leute auf spezialisierten Internetseiten nach.
In den meisten deutschsprachigen Ländern werden Rankings über das Aufkommen von Krankenhausinfektionen veröffentlicht. In Luxemburg gilt das ungeschriebene Gesetz, dass alle unsere Spitäler das Maximum machen und Rankings nur Feindseligkeiten schüren würden. Ich denke, das trifft zu. Aus Ihrer Frage höre ich aber auch die nach kritischen Massen heraus, die nötig sind, um die bestmögliche Versorgung anzubieten. Dazu müssen nachvollziehbare Kriterien aufgestellt werden, die die Kliniken erfüllen müssen, wenn sie bestimmte Leistungen anbieten wollen. In der Hinsicht werden wir mit dem neuen Spitalplan, den ich am Freitag (am heutigen 8.1.2016, d.Red.) dem Regierungsrat vorlegen werde, einen Qualitätssprung machen.
So wie etwa in Deutschland, wo man online auf der Weißen Liste seinen Fall eingibt und seine Postleitzahl und eine Auswahl der in der Umgebung liegenden Spitäler und der Zahl der Fälle erhält, die sie jeweils betreut haben?
Nein. Wir sind kleiner und haben nicht so viele Spitäler. Und man muss auch nicht lange überlegen, ob man in einem besser aufgehoben wäre als in einem anderen oder ob die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung anders wäre.
Nach der EU-Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung müssen den Patienten in allen Mitgliedstaaten an „Kontaktpunkten“ vorab „objektive und transparente Informationen“ über den Preis, aber auch die Qualität der Behandlungen im In- und Ausland erteilt werden. Worüber informiert Luxemburg?
Wir wollen den Patienten nichts vorenthalten. In den neuen Spitalplan haben wir zum ersten Mal Normen, Richtwerte und Kriterien einfließen lassen. Auf deren Grundlage sagen wir: Bezogen auf die Größe des Landes und auf die Zahl der Behandlungen, die wir jeweils hatten, halten wir in den jeweiligen Fachbereichen so und so viele medizinische Leistungsangebote an den Spitälern für ausreichend. Wird in einem Spital die nötige kritische Masse nicht erreicht, dürfte das betreffende Angebot nicht mehr bestehen bleiben oder das Krankenhaus nicht mehr alle medizinischen Fachgebiete abdecken. In dem Fall könnte eine Regruppierung vorgenommen werden. Und es sollen Kompetenzen gebündelt werden, damit, ich sage es mal so, die nicht-bestmögliche Versorgung nicht länger angeboten wird. Ich sage also nicht, dass bei uns kein Handlungsbedarf bestünde. Ich bin nur dagegen, dass wir mit dem Finger auf den zeigen, der vermeintlich besser ist als andere. Stattdessen will ich Kompetenzen bündeln lassen, damit bestmögliche Qualität angeboten wird.
Aber was kommunizieren Sie dann an den „Kontaktpunkten“ laut EU-Direktive? Dass es in Luxemburg Zusammenlegungen gab und nun alles gut sein soll, während aus dem Ausland noch immer Fallzahlen pro Behandlung und Klinik klar darauf hindeuten, wer aus der Praxis heraus was besonders gut kann?
Ich meine nicht, dass wir die Kommunikationspolitik der Spitäler steuern müssen. Unser Job ist, anhand nachvollziehbarer Kriterien zu sagen, was erfüllt sein muss, damit ein Leistungsanbieter X den Patient so betreuen kann, wie es internationalen Standards entspricht. Das konnten wir bisher nicht richtig machen. Der Staatsrat hat uns vorgeworfen, eine Zukunftsplanung ohne ausreichende Grundlage und ohne zuverlässiges Zahlenmaterial zu betreiben. Die Kritik war nicht unberechtigt. Wir haben in den letzten acht Monaten intensiv gearbeitet und gemeinsam mit dem Lu-xembourg Institute of Health alle Daten sämtlicher Spitäler gesammelt und ausgewertet. Das war eine Heidenarbeit. Jetzt können wir sagen, wir haben zurzeit so und so viele Behandlungen dieser und jener Krankheit, so und so viele Operationen. Damit sind wir in der Lage uns zu vergleichen. Und können sagen, wir brauchen so und so viele Betten im Land und so und so viele Krankenhaus-Services. Das ist eine Steuerungsmöglichkeit für Qualität. Wie das kommuniziert wird, ist eher Sache des Krankenhausverbands oder der Spitäler.
Was ist aus der Brustkrebs-Roadmap geworden? Die war 2011 geschrieben worden und es steht unter anderem drin, jeder Chirurg, der Brustkrebs als opérateur principal operiert, müsse bis Ende 2014 mindestens 30 Eingriffe im Jahr nachweisen.
Wir sind nun bei 36 Eingriffen.
Die Frauen erfahren aber nicht, wo sie diese Chirurgen finden.
Das stimmt. Der Ärzteverband AMMD müsste in meinen Augen stärker daran interessiert sein, Transparenz darüber herzustellen.
Was unternehmen Sie da?
Ich habe die Diskussion mit der AMMD noch nicht geführt. Ich finde es aber schade, dass wir diese Informationen nicht richtig verbreiten. Wir müssen mit der Gynäkologischen Gesellschaft und der AMMD sprechen und ihnen klar machen, dass internationale Standards auch in Luxemburg angewendet werden müssen.
Aber wieso der Unterschied: Zu Brustkrebs wollen Sie sogar über Ärzte nach Fallzahlen informieren. In anderer Hinsicht soll es reichen zu wissen, dass Services bestehen, die hoffentlich genug Patienten versorgen.
Zur Brustkrebsfrüherkennung haben wir ein ganz ehrgeiziges Mammografie-Programm, da muss es auch möglich sein, alle Informationen zu bekommen. Das heißt aber nicht, dass demnächst in den Zeitungen eine Liste von Ärzten stehen wird, die Brust-Operationen vornehmen dürfen.
Wie viele Services werden Sie wahrscheinlich nicht mehr vergeben?
Wir werden in acht Spezialitäten die Zahl reduzieren.
Und in welchen?
Das kann ich nicht sagen, weil der neue Entwurf erst noch dem Regierungsrat zur prinzipiellen Genehmigung vorgelegt wird. Es sind aber grosso modo die aus dem letzten Spitalplanentwurf von 2014. Zur Pädiatrie zum Beispiel habe ich gemeinsam mit dem Sozialminister schon erklärt, es soll in allen Kliniken ein ambulantes pädiatrisches Angebot geben, aber eine zentrale Anlaufstelle in der CHL-Kinderklinik.
Bleibt die Pädiatrie in der Bohler-Klinik als Konkurrenz zum CHL bestehen?
Eine Klinik mit einer Geburtenstation, die mehr als 2 000 Entbindungen jährlich betreut, soll auch eine nicht-intensive Frühgeburtenbetreuung und eine ambulante Pädiatrie anbieten können.
Aber Bohler bietet an sieben Tagen die Woche eine Kinderpoliklinik von acht bis 20 Uhr an, nimmt chirurgische Eingriffe an Kindern vor, hat Neuropädiater unter Vertrag und so fort. Das wurde als Konkurrenz zum CHL aufgebaut. Und es sieht so aus, als trauten Sie sich an ein Spital des Erzbistums nicht heran.
Wir haben auch dem CHEM und dem Centre hospitalier du Nord eine Pauschale zuerkannt, damit sie zusätzliche Pädiater einstellen können. Bei Bohler ist die Situation bereits geregelt. Ich will keinem Spital verbieten, Pädiater zu rekrutieren. Ganz im Gegenteil.
Wo liegt für Sie politisch dann der Punkt, an dem Sie sagen, hier geht die Konkurrenz zu weit, hier müssen wir kooperieren – einfach weil Luxemburg ein kleines Land ist?
Zum Beispiel bei den Kompetenzzentren. Elf haben wir definiert. Sie dürfen auch an mehreren Klinik-standorten angesiedelt sein, die Kompetenzen müssen aber gebündelt werden. Im neuen Gesetz ist außerdem vorgesehen, dass ein Antrag auf Kompetenzzentren nicht mehr vom Krankenhausverband kommen muss, sondern jeweils mindestens zwei Spitäler ihn stellen müssen.
Das wird aber zum Wettrüsten unter den Spitälern führen. Jeder wird sich anstrengen, zum Beispiel um zu einem Krebszentrum zu werden.
Aber man müsste sich mit einem anderen zusammentun. Das CHEM zum Beispiel wird nicht sagen können: Wir haben das Radiotherapiezentrum François Baclesse bei uns und werden nun Krebszentrum, sondern müsste sich mit einem Spital zusammenschließen, um den Antrag zu stellen. Ich meine, diese Auflage wird ihre Wirkung haben und zu einer gesunden Konkurrenz und keiner übertriebenen führen.
Die Fondation Hôpitaux Robert Schuman hat im Herbst angekündigt, ihre vier Spitäler in Aktiengesellschaften unterzubringen, drei davon in einer „Privatkliniken S.A.“. Was halten Sie davon?
Ich habe die FHRS damals gefragt, was um alles in der Welt sie sich bei diesem Namen gedacht hat. Ihr Präsident hatte gegenüber einer Zeitung sogar erklärt, man wolle sich abgrenzen von den öffentlichen Spitälern, denn in den privaten sei die Qualität besser.
Die Abgrenzungsidee hat die CSV in den Neunzigerjahren geprägt, als sie den Neubau der Kongregationsspitäler auf dem Kirchberg als so genannte private Konkurrenz zum öffentlichen CHL politisch vorantrieb.
Trotzdem sind alle Spitäler öffentlich finanziert. Wir haben beinah so viele Rechtsformen von Krankenhausträgern, wie wir Spitäler haben: von öffentlichen Einrichtungen über Stiftungen und gemeinnützige Vereine bis hin zu Aktiengesellschaften. Alle sind öffentlich finanziert und bieten höchstmögliche Qualität an.
Kann man ein Spital, dessen Bau und Ausrüstung zu 80 Prozent vom Staat und zu 20 Prozent von der CNS bezahlt wurde und das im laufenden Betrieb fast ausschließlich von einem CNS-Budget lebt, einfach in Aktienwerte übertragen? So dass sich dann vielleicht ein Investor einkaufen kann?
Wir haben in das neue Gesetz Vorkehrungen eingebaut, um das zumindest zu erschweren. Fusionen können wir nicht verbieten, wir streben sie sogar an. Dass Spitäler Allianzen eingehen und Verträge aller Art abschließen, können wir ebenfalls nicht verbieten. Aber zum einen soll der Regierungskommissar für die Krankenhäuser in Zukunft an allen Verwaltungsratssitzungen teilnehmen können. Auch in den Kliniken, die nicht direkt unter Aufsicht des Gesundheitsministers stehen. Dadurch wollen wir vorab Informationen über geplante Transaktionen erhalten und unser Vertreter soll zumindest sagen können: „Wenn ihr auf diesen Weg geht, wollen wir aber, dass ...“. Zum anderen haben wir die schon bestehende Regel noch präzisiert, bis zu 15 Jahre lang eine Rückzahlung von Subventionen für Krankenhaus-immobilien verlangen zu können, falls die nicht mehr zu Krankenhauszwecken genutzt werden. Wir wollten das beim Labor des Hôpital Kirchberg versuchen, dessen ambulante Analysen an die Laboratoires réunis veräußert wurden. Das geht aber nicht, weil die Räumlichkeiten, die das Kliniklabor jetzt nutzt, noch immer Krankenhauszwecken dienen: Dort werden unter anderem Laboranalysen gemacht, die vorher in der Zithaklinik vorgenommen wurden.
Die Laboratoires réunis schreiben auf ihrer Webseite, sie würden seit 1. Dezember auch in der Zithaklinik und in der Escher Clinique Sainte-Marie je eine Blutentnahmestation betreiben.
Es kommt noch hinzu, dass 2014 das Laborgesetz geändert wurde. Darin wollten wir eine Beteiligung an Krankenhauslabors nur dem Laboratoire national de santé gestatten. Der Staatsrat aber verlangte, das LNS auf eine Stufe mit Privatlabors zu stellen.
Und dadurch wurde eine Auslagerung oder ein Verkauf von Laboraktivitäten möglich?
Ich fürchte, wir bekommen das nicht verhindert. Das ist auch eine Rentabilitätsfrage für die Spitäler. Ich hatte nicht gedacht, dass Labors ausgelagert würden. Aber es gab eine 20-prozentige Tarifsenkung für ambulante Laboranalysen. Die setzte Privat-, aber auch Krankenhauslabors unter Druck.
Das heißt, die Zukunftspak-Maßnahme der Regierung, die Labortarife pauschal um 20 Prozent zu kürzen, hat letzten Endes die Schuman-Stiftung dazu gebracht zu entscheiden, das rechnet sich nicht mehr, das verkaufen wir?
Die Frage wurde in der Regierung gestellt. Der Sozialminister hat anhand von Zahlen gezeigt, dass die Tarifkürzung den Krankenhauslabors nicht so geschadet hat wie den Privatlabors, für die sie ja hauptsächlich gedacht war. Sie hatten enorme Gewinne gemacht. Schon die vorige Regierung hatte dem einen gewissen Riegel vorschieben wollen.
Das verstehe ich nicht. Wenn ein Privatlabor enorme Gewinne gemacht hat, könnte es doch trotz zwanzigprozentiger Tarifkürzung noch rentabel sein. Wie kann ein Krankenhauslabor dagegen weniger unter Druck geraten sein – wo die Schuman-Stiftung ihre ambulanten Analysen nun aus Rentabilitätsgründen verkauft hat?
Ich kann Ihnen die Rechnung des Sozialministers leider nicht vorführen, weil sie mir nicht vorliegt. Seinen Ausführungen nach hat es die Spitäler aber nicht derart getroffen, dass der Schritt der Schuman-Stiftung gerechtfertigt gewesen wäre.
Ein Krankenhausbetreiber, der einen Teil seiner Aktivitäten verkauft, handelt ja wie ein Unternehmer. Um bei den Spitälern der Kongregationsstiftung Robert Schuman zu bleiben: 2013 hat sie für das Hôpital Kirchberg einen Operationsroboter gekauft, ohne jemanden zu fragen. 2014 begann sie einen Ausbau der Bohler-Klinik um Einbettzimmer, besaß aber noch nicht die Genehmigung zur Finanzierung durch die öffentliche Hand, sondern erstritt sie sich im Nachhinein. 2015 erwirkte sie die Verlängerung der Betriebsgenehmigung für die Clinique Sainte-Marie, die laut letztem Spitalplan schon Ende 2013 schließen sollte. Nun will sie eine Privatkliniken S.A. gründen und hat ihre ambulanten Laboranalysen verkauft. Soll ein Spitalträger so handeln, oder soll er ein Akteur des Systems sein – das ja sagt, wir garantieren den universellen Zugang für jeden, unabhängig vom Einkommen, zu medizinischer Versorgung hoher Qualität?
Das ist eine rhetorische Frage, Sie dürften meine Antwort kennen.
Aber politisch schauen Sie allem zu. Es kommen Privatkliniken, es werden Laboraktivitäten verkauft und aus der gemeinsamen Laborplattform der Spitäler, die Sie auf der Quadripartite vergangenen Herbst hatten vorstellen wollen, wird nun nichts mehr ...
Stopp, Stopp! Nein. Der ambulante Teil der Analysen sollte sowieso nicht in die gemeinsame Laborplattform der Spitäler eingehen. Das wäre überhaupt nicht mehr möglich nach der Laborgesetzänderung.
Das sehen die Spitäler, die nicht der FHRS gehören, anders.
Es ist aber so.
Letzten Endes gehen wir in Richtung eines Systems mit mehr Konkurrenz statt mehr Kooperation.
Vor sechs Jahren gab es viel mehr Feindschaft zwischen den Häusern. Heute bewegt man sich stärker aufeinander zu. Es besteht zwar eine Gefahr der Blockbildung zwischen den Spitälern. Ich meine aber, dass wir die verhindern können durch die Vorschrift nach Zusammenarbeit bei der Bildung von Kompetenzzentren. Es soll für die Häuser attraktiv werden, zusammenzuarbeiten. Wir setzen Anreize für gesunde Konkurrenz.
Das Koalitionsprogramm will mehr „pilotabilité“ der Spitäler, unter anderem durch eine Neudefinition der Rolle der Klinikärzte in den Kompetenzzentren. Das klingt, als seien Kompetenzzentren ohne eine Änderung des Statuts der Klinikärzte gar nicht zu haben. Ihr neues Gesetz ändert daran aber nichts, oder?
Diese Kritik lasse ich gelten. Wir wollten ursprünglich den Spitalplan durch eine großherzogliche Verordnung erlassen, wie das früher gemacht wurde. Der Staatsrat aber hat uns quasi vorgeschrieben, ein Gesetz zu schreiben. Das hat Zeit gekostet, wäre aber eine Gelegenheit gewesen, Rolle und Statut der Krankenhausmediziner gleich mit zu reformieren. Ich wollte mit dem Gesetzentwurf aber nicht alle Türen öffnen. Wenn ich das System fundamental ändern wollte, wäre ich drei Jahre unterwegs.
Im Koalitionsprogramm hat die Regierung sich aber ziemlich genau das vorgenommen.
Ich sage nicht, dass ich das nicht machen werde, aber ich hatte zunächst den Spitalplan in Gesetzesform zu bringen. Ich möchte trotz vieler Bäume noch den Wald sehen. Neben dem Spitalplan auch das Krankenhausmedizinerstatut ändern und vielleicht noch die Finanzierung der Spitäler vom Globalbudget auf eine tarification à l’activité umstellen zu wollen, die das Regierungsprogramm ebenfalls vorsieht, wäre nicht zu schaffen.
Was schwebt der Regierung denn vor zum Ärztestatut in Kompetenzzentren? Sollten diese Ärzte fest angestellt sein oder vielleicht richtig frei wie etwa in Kanada, wo ein Belegarzt seinen Vertrag nur für fünf Jahre erhält und anhand von Leistungsvorgaben immer wieder entschieden wird, ob er bleiben kann?
Wo wir angestellte Ärzte haben, wird versucht, noch andere Varianten einzuführen. Wo sie nicht angestellt sind, wird versucht, Angestellte zu bekommen. Weder der eine noch der andere Ansatz scheint perfekt zu sein. Ich kann heute keine Antwort geben, aber ich weiß, dass das Thema viele laute Diskussionen auslösen wird.
Aber während der Koalitionsverhandlungen müssen DP, LSAP und Grüne bestimmte Vorstellungen gehabt haben, sonst wäre das Vorhaben nicht ins Regierungsprogramm gelangt.
Ich war nicht an allen Gesprächen zur Gesundheitspolitik beteiligt. In den Gesprächen, an denen ich teilnahm, sagten wir, wir müssen die Führung der Spitäler und ihre Steuerungsmöglichkeiten ändern. Wir können nicht einerseits ein Globalbudget für alle Kliniken dekretieren, ihnen andererseits aber keinen Einfluss darauf erlauben, was die Ärzte im Haus machen, und hinnehmen, dass wenig Transparenz über das herrscht, was abgerechnet wird. Laut Patientenrechtsgesetz muss ich auch dafür sorgen, dass der Patient erfährt, was seine Krankenhausbehandlung kostet. Also, wenn man zwei Tage im Spital liegt, dann operiert wird und anschließend noch drei Tage liegt, und dann kommt der Arzt vorbei und man bekommt Reha, und dann kommt ein weiterer Arzt – was kostet das alles? Und ist es ein Spezialist, der vorbeikommt, oder ist es ein Pfleger? Das ist etwas sehr Komplexes. Diese Diskussion haben wir noch nicht wirklich begonnen.
Soviel ich weiß, sieht auch das neue Spitalgesetz mit dem Spitalplan nicht mehr Akutbetten vor, als der Spitalplanentwurf von 2014, der ihre Zahl senken sollte. Dabei wurde davon ausgegangen, in Luxemburg würden im Jahr 2020 an die 578 000 Einwohner leben. In den vier Plans sectoriels zur Landesplanung dagegen hielt die Regierung eher 600 000 für wahrscheinlich. Die Diskrepanz hat Ihnen auch der Staatsrat vorgehalten. Anscheinend lassen Sie sie aber weiterbestehen. Müssen wirklich keine Betten hinzugefügt werden?
Wir senken die Bettenzahl um fünf Prozent und nicht etwa um fünfzig. Richtig ist, dass die Einwohnerzahl gewachsen ist und weiter wächst. Die Zahl der Älteren nimmt ebenfalls zu und ebenso die Zahl der Krankenhausaufenthalte, um 3,2 Prozent. Aber die Auslastung der Akutbetten, die ein wesentlicher Faktor ist, war schon bis 2009 gesunken und ist bis 2014 noch weiter gesunken, von 73,4 auf 71,6 Prozent. International gilt, dass sie nicht über 85 Prozent liegen sollte, damit man im Katastrophenfall reagieren kann. Daran gemessen, rechtfertigt die Auslastungstendenz den Bettenabbau trotz der Bevölkerungsentwicklung. Hinzu kommt, dass im Ausland ambulante Behandlungen noch immer viel häufiger vorgenommen werden als bei uns. Der virage ambulatoire steht in Luxemburg noch aus, durch den punktuellen Akutbettenabbau wollen wir ihn fördern. So dass wir alles in allem genug Argumente haben, um unser Betten-Szenario aufrechtzuerhalten.