Es ging ziemlich hoch her, als sich am Dienstag der Verwaltungsrat der Fédération des hôpitaux luxembourgeois traf. Paul Wirtgen, Generaldirektor der Fondation Hôpitaux Robert Schuman (FHRS), sollte erklären, wie die Krankenhausstiftung des Erzbistums es mit den Labors in ihren Spitälern hält. Der FHRS-Direktor gab zu, die „ambulanten“ Laboranalysen von Hôpital Kirchberg, Zithaklinik, Clinique Dr Bohler und Clinique Sainte-Marie würden einem Privatlabor überlassen. Die anderen Klinikchefs waren sauer.
Dass es so einen Deal geben könnte, hatte vergangene Woche eine Pressemitteilung der Schuman-Stiftung schon angekündigt: Man verfolge ein Konzept Privatspideeler 2020, in dessen Rahmen würden die ambulanten Analysen an einen Privatanbieter „abgetreten“. Land-Informationen nach ist das schon geschehen. Den Zuschlag erhielten die Laboratoires réunis aus Junglinster, nach Ketterthill das zweitgrößte Privatlabor hierzulande.
Am Hôpital Kirchberg, wo die Laboratoires réunis dem Vernehmen nach im Erdgeschoss ein Centre de prélèvement einrichten werden, sagen Ärzte, dem Patienten könne es gleich sein, wer ihm Blut abnimmt. Ganz richtig ist das nicht. Noch ist der Handel nicht offiziell und seine Bedingungen sind nicht bekannt. Damit stellt sich auch die Qualitätsfrage für die Analysen, die dem Patient nicht egal sein kann. Hinzu kommt, dass was man für einen kleinen Vorgang halten könnte, dabei ist zum politischen Problem zu werden.
Ideen, dass die Spitäler ihre ambulanten Analysen aufgeben sollten, kursieren schon lange. Vor sechs Jahren machte Jean-Luc Dourson dafür massiv Reklame, damals noch Inhaber von Ketterthill und Präsident des Privatlaborverbands. Die Privatlabors seien im ambulanten Bereich eh nicht zu schlagen, argumentierte er cool, gäben die Spitäler diesen Markt auf, könnten sie sich ganz auf Analysen an hospitalisierten Patienten konzentrieren und sich dabei vielleicht sogar zusammentun. Das war 2009, doch damals wollten Dourson und die anderen Privatlabors lediglich Subunternehmer für die Spitäler werden. Nie dagegen wollten sie den Krankenhäusern diesen Bereich abkaufen.
Verkaufen wollte auch die Schuman-Stiftung nicht, als der Pariser Laborkonzern Cerba European Lab, zu dem Ketterthill seit 2011 gehört, ihr anbot, den gesamten Laborbetrieb sämtlicher Schuman-Krankenhäuser zu kaufen. Heute dagegen soll die Stiftung an die Laboratoires réunis verkauft haben. Die FHRS-Direktion dementiert das nicht. Die Pressemitteilung vergangene Woche habe bereits von einer „cession“ gesprochen, sagt sie auf Anfrage, die Diskussionen würden aber noch andauern.
Der Unterschied zwischen vente und sous-traitance kann gravierend sein. Bei Letzterer wird lediglich ein Dienstleistervertrag abgeschlossen. Den könnte ein Krankenhausbetreiber kündigen, wenn ihm die Qualität der Leistung nicht reicht. Verkauft er dagegen, tritt er alles ab. Im Laborbetrieb könnte das heißen, dass der private Operateur entscheiden könnte, bestimmte Tests nicht mehr vorzunehmen oder seine Leistungen anderweitig zu kürzen, und das Spital könnte nichts dagegen tun. Wie die Fondation Hôpitaux Robert Schuman Einfluss nehmen will auf die Spielregeln, teilt ihre Direktion nicht mit. Nur, dass in den „noch andauernden Diskussionen“ die „Qualitätsfrage bedeutungsvoll“ sei.
Dass ein Verkauf offenbar schon stattgefunden hat, die Gespräche darüber aber noch andauern sollen, ist einigermaßen absurd. Es sei denn, der Handel ist komplexer. Etwa, wenn die Schuman-Stiftung Aktionär der Laboratoires réunis würde. Da die Stiftung vergangene Woche angekündigt hat, ihre vier Spitäler allesamt in Aktiengesellschaften zu regruppieren, könnte in diesem Holding-Modell der Bistumsspitäler vielleicht auch ein Aktientausch zwischen der Junglinster Laborfirma und jener „Privatkliniken S.A.“ stattfinden, in der demnächst Zitha, Kirchberg-Spital und Clinique Sainte-Marie aufgehen sollen. Ein solcher Labor-Deal auf Beteiligungsebene, bei dem die FHRS ihre ambulanten Laboranalysen aufwertet, indem sie ins Kapital der Laboratoire réunis einsteigt, könnte auch erklären, wieso die Stiftung überhaupt eine Klinik-Holding schaffen will.
„Kein Kommentar“ entgegnet die FHRS-Direktion darauf. Was auch eine Antwort ist: Möglicherweise sind die Beteiligungen noch in der Diskussion. Als Aktionärin der Laboratoire réunis verlöre die Schuman-Stiftung jedenfalls nicht die Kontrolle über die Dienstleistungen ihres Partners am Patienten. Dann könnte es diesem vielleicht tatsächlich gleich sein, wer ihm das Blut abnimmt.
Wäre da nicht die politische Dimension. Sie besteht einerseits darin, dass ein Krankenhaus kein Teilhaber eines Analyselabors werden darf, sein Träger ebenfalls nicht. So steht es in Artikel zwei des Privatlaborgesetzes, um Interessenkonflikte zu verhindern. Über seine Einhaltung muss die Gesundheitsministerin wachen. Wie die Ermittlungen des Ministeriums über die Konformität des Labor-Deals mit den Gesetzen ausgefallen ist, konnte Lydia Mutsch (LSAP) dem Land nicht erläutern; aus „Zeitgründen“, so ihre Pressesprecherin. Womit sich erneut die Frage stellt, wie die Schuman-Stiftung die ambulanten Analysen in ihren Häusern kontrollieren will, wenn sie sie schon verkauft hat.
Ebenfalls aber fragt sich, wie die Ministerin den Labor-Deal überhaupt hinnehmen konnte. In ein paar Wochen ist wieder Krankenkassen-Quadripartite. Dort wollte Mutsch eigentlich eine gemeinsame „Laborplattform“ der Spitäler präsentieren und als leuchtendes Beispiel für die Kooperation zwischen den Krankenhäusern vorführen. Daraus wird nun wohl nichts. Nachdem am Dienstag im Verwaltungsrat des Spitalverbands der Alleingang der Schuman-Stiftung bekannt geworden war, baten verschiedene Kliniken sich Bedenkzeit aus, um zu entscheiden, ob sie weiterhin an der Plattform mitarbeiten wollen. Damit ist dieses Projekt klinisch tot.
Das ist ziemlich schlimm. In der Plattform soll nicht nur der Großteil der Laborkapazitäten aller Spitäler zusammengefasst werden, was der CNS Kosten sparen würde. Das Vorhaben soll auch endlich einen Anstoß geben für eine wirklich nennenswerte Zusammenarbeit der Spitäler, die sonst vor allem gegeneinander arbeiten. Seit gut zehn Jahren wird an der Plattform schon gewerkelt; weil das Projekt so wichtig ist, steht es im Koalitionsprogramm der Regierung. Zumal an der Plattform, wie DP, LSAP und Grüne sich das vorstellen, auch das Laboratoire national de santé beteiligt und dem ehemaligen Staatslabo in seinem Neubau in Düdelingen dadurch zu einer klaren Daseinsberechtigung verholfen werden soll. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass der von der Bettenzahl her größte Spitalverbund im Land aus dem gemeinsamen Vorhaben ausschert, zeigt, dass Lydia Mutsch dabei ist, die Autorität in ihrem Ressort zu verlieren.
In der Schuman-Stiftung wird das anders gesehen: Man gebe ja „nur“ die ambulanten Analysen ab, die „marginal“ seien im Vergleich zum Laborbetrieb der FHRS-Spitäler insgesamt. An der Plattform arbeite man weiter mit. Außerdem sei die Regierung selber Schuld am Verlauf der Dinge, denn die laut Zukunftspak seit dem 1. Januar um 20 Prozent gekürzten Labortarife hätten sämtliche Spitäler in ein Defizit manövriert. Darauf reagiere man nun.
Die Labortarifkürzung ist tatsächlich ein Teil des Problems. Eine „ganz dumme Entscheidung“ nennt gegenüber dem Land ein Kliniklaborchef diesen Punkt im Zukunftspak. Und die CNS bestätigt, dass dadurch alle Krankenhäuer in Schwierigkeiten geraten sein sollen, sei „nachvollziehbar“.
Allerdings ist alles noch komplexer. Noch vor gut 25 Jahren erledigten ambulante Laboranalysen vor allem die Spitäler und das Staatslabo. Damals erhielten die Krankenhäuser jede einzelne Analyse von den Krankenkassen bezahlt, und zwar mit sehr viel Geld. So sollten Defizite kompensiert werden, die den Kliniken an anderer Stelle entstanden. Als die Spitäler 1995 auf Jahresbudgets umgestellt wurden, war damit Schluss. Die hohen Analysetarife blieben aber in Kraft und konnten nun von Privatlabors abgerechnet werden. Gleichzeitig verhängte die damalige Krankenkassenunion ein Moratorium für Laborinvestitionen in den Spitälern. Als vor zehn Jahren ein Beratungsunternehmen im Auftrag des damaligen Gesundheitsministers Mars Di Bartolomeo (LSAP) zum Schluss kam, die Kliniklabors seien gegenüber den Privaten technologisch ein Jahrzehnt im Rückstand, lag das vor allem an dem Investitionsverbot und daran, dass die großzügigen Tarife es den Privatlabors gestattete, in automatisierte Analysen zu investieren. Dass die nur rentabel sind, wenn viele Proben zu testen sind, war nie ein Problem: Die gute Bezahlung durch die Kassen erlaubte es den Privatlabors auch in über Land verteilte Blutentnahmezentren zu investieren. So schuf ein wachsendes Angebot sich seine eigene Nachfrage. Dass an den Spitälern das Laborpersonal laut Kollektivvertrag mit dem öffentlichen Dienst assimiliert ist, während in den Privatlabors Grenzgänger zu Gehältern tätig sind, die gar kein Kollektivvertrag regelt, tat sein übriges. Der Aufstieg von Ketterthill, den Laboratoires réunis und den Forges du Sud zu sehr rentablen Unternehmen war letzten Endes wahrscheinlich weniger auf die Kompetenz ihrer Manager zurückzuführen als auf politische und finanzielle Rahmenbedingungen.
Erst seit 2005 versuchen die wechselnden Regierungen und die Kasse die Parallelwelten Privat- und Kliniklabors mühsam zu ordnen. Vor allem wurden Labortarife gekürzt, was die Privaten bisher aber weggesteckt haben. Insbesondere Ketterthill, das größte und am stärkten automatisierte Labor, das 2014 auf seinem Umsatz noch 44 Prozent operatives Betriebsergebnis (Ebitda) auswies. Damit wird man auch bei seit 1. Januar um ein Fünftel gesenkten Tarifen nicht unrentabel. In den Kliniken ist das anders. Für sie wird seit 2011 zwischen „ambulatoire“ und „hospitalier“ unterschieden, werden ambulante Analysen pro Akt von der CNS bezahlt wie bei den Privaten. Nur der „hospitalier“ wird über das Klinikbudget abgedeckt. Dass anscheinend sämtliche Spitäler nun im „ambulatoire“ defizitär sind, liegt vor allem an den Personalkosten. Sie liegen in den Spitälern im Schnitt bei weit über 50 Prozent der Laborkosten im „ambulatoire“, bei den Privaten sind sie um 35 bis 45 Prozent kleiner.
Deshalb ist es aus einer rein unternehmerischen Perspektive gar keine falsche Entscheidung, wenn ein Spital seinen ambulanten Labor-Teil aufgibt. In den Schuman-Krankenhäusern wird das, dem Vernehmen nach, ohne Entlassungen über die Bühne gehen können: Die Zusammenlegung von Hôpital Kirchberg und Zithaklinik bietet Spielraum für interne Umbesetzungen. Der Rest des Personalabbaus soll durch „natürliche Abgänge“, die man nicht ersetzt, vorgenommen werden.
Das Problem ist nur, dass in den Spitälern die Trennung zwischen „ambulant“ und „stationär“ rein buchhalterisch durch die CNS erfolgt. Die Maschinen, die Reagenzien zur Analyse, die Räumlichkeiten und das Personal für Tests an hospitalisierten Patienten kosten umso mehr, wenn der ambulante Teil weggefallen ist. Am Ende muss dafür die CNS aufkommen, also die Allgemeinheit. Käme die gemeinsame Laborplattform der Spitäler doch noch zustande, würde sie ebenfalls teurer, wenn die ambulanten Analysen aus der Schuman-Gruppe fehlen. Vor allem daher rührte der Zorn der anderen Klinikchefs am Dienstag: Die FHRS löse ihr Kostenproblem nicht nur durch den Deal mit dem Privatlabor, sondern wälze den Rest auf die anderen Krankenhäuser ab.
Was sich da ankündigt, ist ein noch prinzipiellerer Konflikt. Einer, der die Krankenhauslandschaft spalten könnte und die Regierung überfordern dürfte. Im Klinikverband wird nun gefragt, wie die FHRS eine Aktivität verkaufen kann, die die Allgemeinheit ihr komplett bezahlt. Ob es angehen kann, dass sie in die Räumlichkeiten ihrer Spitäler, die Staat und CNS finanziert haben, ein Privatlabor einlädt und dafür vielleicht noch Miete kassiert. Und ob die Schuman-Stiftung denn Besitzerin der ambulanten Analysen ist, um sie verkaufen zu können.
So argumentiert, wer die Gesundheitsversorgung als eine öffentliche Angelegenheit versteht. Was sie auch ist, zumal der gesamte Spitalbetrieb nahezu vollständig öffentlich finanziert wird, ganz gleich ob ein Krankenhausträger eine öffentliche Einrichtung ist oder eine Aktiengesellschaft.
Die Frage ist nur, ob das so bleiben soll und ob Krankenhäuser Unternehmen sind, mit allen Konsequenzen, die das hat, oder öffentliche Dienstleister. Schon ist zu hören, auch andere Spitäler wären einer Zusammenarbeit mit Privatlabors vielleicht gar nicht abgeneigt. Dann wäre die Schuman-Gruppe nur Vorreiter einer Entwicklung, Kostenprobleme durch mehr Markt im Gesundheitswesen zu lösen. Vor allem das Problem des Personals mit Kollektivvertrag.
Will die Regierung das? Vermutlich nicht. Zudem hat auch die ziemlich liberale blau-rot-grüne Koalition in ihrem Regierungsprogramm das sozialdemokratische Mantra vom „universellen und gleichberechtigten Zugang für alle zu Gesundheitsleistungen von hoher Qualität“ niedergeschrieben. Ihm gerecht zu werden, erfordert aber politische Führung. Um das Gesundheitssystem zu ordnen, es transparenter und effizienter zu machen, haben DP, LSAP und Grüne sich eigentlich eine Menge vorgenommen. Sie wollen die einheitliche Dokumentation des Tun und Lassens der Spitäler einführen, wollen die Gebührenordnung der Ärzte überarbeiten, wollen klären, welches Statut ein Klinikarzt hat, wollen das allgemein verhasste System PRN zur Erfassung von Krankenpflegeleistungen reformieren. Und dafür sorgen, dass in den Spitälern nicht mehr „überall alles“ angeboten wird und das kleine, öffentlich finanzierte Klinikwesen sich nicht länger eine Konkurrenz leistet, die so weit geht, dass sie auf Dauer nur ruinös sein kann. Angepackt aber wurde davon bisher nichts. Lydia Mutsch macht lieber Reklame für Gesundheitsprävention, mit der jeder einverstanden sein kann, und ihr Parteifreund Romain Schneider, verantwortlich für die Sozialversicherung, redet lieber über seine anderen beiden Ressorts Entwicklungshilfe und Sport.
Bei so viel politischer Tatenlosigkeit muss man sich nicht wundern, dass nun gerade die von der CSV stets unterstützte Klinikgruppe des Erzbistums sich als Unternehmer geriert, Privatkliniken zu führen behauptet und vollendete Tatsachen schafft. Ziehen die anderen Spitäler nach, wäre das nicht nur das definitive Ende der gut gemeinten Laborplattform. Sondern der Anfang vom Einstieg in noch viel mehr Konkurrenz als heute und in eine politisch nur noch schwer steuerbare Konfrontation der kirchlichen mit den säkular geführten Spitälern. Entlastung könnte dann womöglich wirklich nur ein Ja zu mehr Markt im System bringen, mit allen Ungerechtigkeiten, die das nach sich ziehen wird. Und wie das so geht in Luxemburg, bekommt der Patient und Krankenkassenbeitragszahler von diesem Wetterleuchten überhaupt nichts mit.