Seit gut einem Monat kommt die Zithaklinik nicht mehr aus den Schlagzeilen. Gerüchten, die Führung der Hôpitaux Robert Schuman habe einen „alternativen Plan“ über die Verteilung der medizinischen Dienste zwischen der Zitha und dem Hôpital Kirchberg in der Schublade, folgte ein Dementi des Schuman-Verwaltungsrats. Und das Versprechen, nach der Rentrée alle Missverständnisse zu klären.
Vor drei Wochen verließ Philippe Turk, der frühere Zitha-Generaldirektor, seinen Posten als stellvertretender Generaldirektor der Schuman-Krankenhäuser, den er seit Mai 2014 innehatte. Und der Ärzterat der Zithaklinik will von einem Alternativkonzept ebenso erfahren haben wie die Psychiater aus der Zitha und die aus dem Hôpital de Kirchberg: Das Spital im Bahnhofsviertel der Hauptstadt könnte womöglich auf längere Sicht „nur noch Psychiatrie, Augenmedizin, plastische Chirurgie und kleine Gefäßchirurgie, Zahnmedizin sowie Geriatrie anbieten“; der Rest werde „auf den Kirchberg repatriiert“.
Da meinte nach dem Regierungsrat vom 24. Juli sogar der Premier, ein Machtwort sprechen zu müssen: Xavier Bettel erklärte, es komme nicht in Frage, „über ambulante Versorgung et cetera ein modernes Quartier-Spital in eine Geriatrie“ zu verwandeln. Und drohte: Stehe die Schuman-Führung nicht zu dem, „was abgemacht war“, dann werde die Regierung „andere Maßnahmen ergreifen“.
Den letzten großen Stein ins Wasser warfen vergangenen Freitag sieben Ärzte, die früher dem Zitha-Ärzterat angehört hatten. In einem offenen Brief verlangten sie den Rücktritt der Direktion der Schuman-Krankenhäuser und die Neubesetzung des Verwaltungsrats der Schuman-Stiftung, der die Spitäler gehören. Die Krankenhausgruppe habe offensichtlich ein Führungsproblem. In der DP schlug der Brief hohe Wellen. Denn bei der ganzen Auseinandersetzung geht es nicht nur um die Frage „Wer macht was?“, sondern auch um Politik. War das Kirchberg-Krankenhaus seit den Neunzigerjahren ein Projekt der CSV und stärkt dem während der sozialliberalen Koalition der Siebzigerjahre gegründeten CHL die LSAP den Rücken, steht hinter der Zithaklinik die DP, die nun in der Regierung den Ton angibt.
Eigentlich sollte klar sein, welches der vier Schuman-Spitäler in Zukunft „was macht“. Nicht erst vor kurzem, sondern Mitte Dezember 2012 unterschrieben die Fondation Hôpitaux Robert Schuman (FHRS), die damals noch Fondation François-Élisabeth hieß, und die Zithaklinik eine Absichtserklärung über eine „nachhaltige Zusammenarbeit“, die zu einer „neuen Krankenhausgruppe“ führen werde. Im März 2014 gaben Zitha und FHRS bekannt, ihre „Fusion“ stehe bevor. Und teilten mit: Bereiche in der Inneren Medizin, der Krebsbehandlung, der Chirurgie und der Orthopädie, die sich „zur Zeit noch an den 2 Standorten Hôpital Kirchberg und Zithaklinik“ befänden, würden „pro Standort gebündelt mit Hilfe eines ehrgeizigen Projekts zur Schaffung von Abteilungen mit starker kritischer Masse und spezifisch angepasster Infrastruktur“.
Kenntnis von dem „ehrgeizigen Projekt“ musste eigentlich die Regierung im November erhalten haben. Denn damals wurde das Concept médical der Klinikgruppe an die Gesundheitsministerin gereicht; laut Koalitionsvertrag sollten erst danach über ein Spezialgesetz 55 Millionen Euro zur Modernisierung der Zithaklinik bewilligt werden können. Da die Abgeordnetenkammer dieses Gesetz am 18. März verabschiedet hat, muss das Concept médical für gut befunden worden sein und eigentlich alles seine Ordnung haben. So ungefähr argumentieren die Zitha-Ärzte, und darauf spielte auch der Premier an vor zwei Wochen an.
Was man nicht sagt, ist, dass dieses Konzept von den Kirchberg-Ärzten nicht gewollt ist. Als der Entwurf vor einem Jahr vorlag, legte der Ärzterat des Kirchberg-Spitals einen avis renforcé dagegen ein und erzwang ein dreimonatiges Schlichtungsverfahren. Das übernahm Marc Fischbach, der frühere Minister, Richter und Ombudsman, es führte aber zu keinem Konsens. Das „Scénario 2+“, von dem seit Wochen in den Medien die Rede ist, arrangiert folglich nur den kleineren der beiden Partner.
Und das ist noch heute so. Mit dem Unterschied, dass es anscheinend zwar kein Alternativkonzept gibt, aber in der Schuman-Führung eine ganze Reihe alternativer Ideen in Betracht gezogen werden. Dem Gesetzentwurf zur Zitha-Modernierung war eine Tabelle angefügt, die die Arbeitsaufteilung unter den vier Schuman-Spitälern Hôpital Kirchberg, Clinique Bohler, Zitha und der Escher Clinique Sainte-Marie skizzierte. Von sieben künftigen „Aktivitätspolen“ sollten drei in der Zitha-klinik angesiedelt werden: Geriatrie, „Tête et cou“ und Viszeral-Onkologie. Mit Letzterer war gemeint, sämtliche Krebsbehandlungen im Bauch und der Lunge, nicht aber Brustkrebs, in der Zitha zu konzentrieren und ebenso die damit verbundene Chirurgie. Vermutlich sollte so dem „Zentrum für Tumorchirurgie“, das die Zitha sich vor Jahren gegeben hat, Rechnung getragen werden.
Dass dieses Szenario nun in Frage gestellt wird, liegt daran, dass die Zitha ab 1. Januar 2016 keinen Notdienst in der Region Zentrum mehr haben wird. CHL und Kirchberg-Spital teilen sich ihn dann. Damit hört die Zitha im Grunde auf, Akutspital zu sein, und die Frage stellt sich, was sie anstelle anbieten soll. Dass diese Frage Schuman-intern nun auf den Tisch kommt, ist eigentlich erstaunlich: Das Ausscheiden der Zitha aus dem Samu-Notdienst war schon im Frühjahr 2014 abgemacht.
Glücklich ist diese Vorgehensweise wohl nicht. Sondern eher die Fortsetzung jener Geheimpolitik, mit der 2012 und danach die „Annäherung“ der beteiligten Spitäler vorbereitet wurde, die am Ende in allen Häusern Ärzte und Paramediziner überraschte. Auf jeden Fall aber liegt dem Schuman-Verwaltungsrat ein Rechtsgutachten des Brüsseler Anwalts Nicolas Estienne von der Kanzlei Estienne & Callewaert, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Université catholique de Louvain und Sekretär der Revue générale des assurances et des responsabilités, vor. Die Schuman-Spitze scheint sich vor allem zu sorgen, dass „Viszeral-Onkologie“ in der Zitha zu konzentrierten, auch hieße, die Bauchchirurgen der gesamten Gruppe dort anzusiedeln. Verwaltungsratspräsident Frank Wagener wollte wissen, ob der Träger der Hôpitaux Robert Schuman Gefahr liefe, zivilrechtlich und vielleicht gar strafrechtlich geradestehen zu müssen, falls regelmäßige Patiententransporte aus dem Notdienst-Spital auf dem Kirchberg in die Zithaklinik stattfinden müssten, weil der Bauchchirurg vom Dienst dort zu finden ist, und unterwegs etwas passiert.
Die Antwort des Gutachtens, das dem Land vorliegt, lautet ja. Ein Krankenhaus unterliege der obligation de résultat, die Sicherheit seiner Patienten zu gewährleisten. Und Ärzte, die zwar nie garantieren könnten, ihre Patienten zu heilen, müssten ebenfalls alles unternehmen, um sie nicht zu gefährden. Das Gutachten erinnert auch an die Hepatitis-Affäre der früheren Clinique Sainte-Élisabeth, die heute Teil des Hôpital Kirchberg ist. 2011 wurde sie bis vor den Kassationshof getragen und endete mit dem Verdikt, der damalige Sainte-Élisabeth-Verwaltungsrat habe nicht ausreichend dafür gesorgt, dass die Klinikdirektion alles unternahm, um Patienten davor zu schützen, dass ein Krankenpfleger sie mit einer infizierten Spritzennadel anstecken konnte. Man konnte dieses Urteil für ziemlich weit hergeholt halten. Die Rechtsprechung in Luxemburg geht in medizinschen Affären aber in die Richtung, dass schon beim kleinsten nachweisbaren Fehler eine Verurteilung erfolgt.
Vor diesem Hintergrund denkt die Schuman-Spitze nun offenbar intensiv darüber nach, wie kohärent ihr bisheriges Konzept ist. Und ob es nicht nur sicherer, sondern auch effizienter wäre, Aktivitäten, die laut „Scénario 2+“ für die Zitha vorgesehen sind, auf dem Kirchberg zu konzentrieren. Daher kommen Gedankenspiele wie die um „kleinere Operationen“ an der Zitha. Gedankenspiele um den Ausbau des Kirchberg-Krankenhauses soll es ebenfalls geben. Eventuell hat die Schuman-Führung dazu sogar schon erste Schritte eingeleitet, denn unweit der Bohler-Klinik entsteht ein vierstöckiger Neubau, dessen erste drei Etagen Praxisräume für Ärzte umfassen. Auf dem Kirchberg ist es üblich, Krankenhaus-Belegärzten vorzuschreiben, eine Praxis im Spital zu betreiben: So sind sie für die Klinik ähnlich disponibel, als wenn sie angestellt wären wie die Mediziner am CHL.
Wahrscheinlich wäre eine solche Zentralisierung tatsächlich eine gute Sache. Wobei dann zu klären bliebe, was die Zithaklinik stattdessen übernehmen sollte. Zwei Probleme stellen sich dabei offenbar.
Das erste betrifft die Zitha-Ärzte. Viele von ihnen haben es Ex-Direktor Turk und den Zitha-Schwestern bis heute nicht verziehen, sie „an die Kirche verkauft“ zu haben. „Verkauft“ trifft zu: Der Zusammenschluss mit den Schuman-Spitälern war keine Fusion, wie es offiziell hieß, sondern eine Übernahme. Auf der Jahresversammlung der Zithaklinik S.A. am 8. Mai 2014 trat deren Verwaltungsrat geschlossen zurück und eine Viertelstunde später wurde einer aus der FHRS eingesetzt. Die Kongregation der Tertiarkarmeliterinnen, ihrerseits eine Aktiengesellschaft und bis dahin alleinige Teilhaberin der Zithaklinik S.A., hatte vorher ihre Anteile an die Schuman-Stiftung verkauft.
Aber wenngleich die Zithaklinik stets ein konfessionelles Spital war, war sie zugleich das liberalste im Land. Geführt wurde sie mehr vom Ärzterat als vom Direktor, und nach innen wie nach außen das Image gepflegt, mit 220 Betten zwar klein, aber feiner und besser als alle anderen zu sein – eine Art Privatklinik im öffentlichen System. Dagegen war der Schuman-Verbund, der viel öfter als die Zitha nach draußen das Wort „privat“ gebrauchte, schon immer ein straff geführter Betrieb, dessen Direktion sich als Manager versteht. Da stößt so manchen Zitha-Ärzten noch mehr als der Umstand, nun zu einem Bistums-Spital zu gehören, auf, die Zitha-Kultur verloren zu haben. Ende vergangenen Jahres beschwerte sich Zitha-Ärzteratspräsident Marco Hirsch in einem zweiseitigen Interview im Quotidien über den Verlust an Autonomie und liberaler Medizin. Philippe Turk, so wird sich erzählt, habe versucht, die Eigenart der Zitha auch im Schuman-Verbund zu bewahren. Falls das stimmt, könnte er damit schon 2014 gescheitert und kaltgestellt worden sein. Im Organigramm des Spitalverbunds hatte er zwar die Funktion eines stellvertretenden Generaldirektors inne, war aber nur für Qualitätssicherung zuständig. Eine Schlüsselrolle ist das nicht.
Die andere Unbekannte bei der Zuweisung „anderer“ Zuständigkeiten an die Zithaklinik ist die Regierung. Eigentlich müsste ihr der Effizienzwille der Schuman-Gruppe recht sein. Denn im Koalitionsvertrag steht, DP, LSAP und Grüne würden hinarbeiten auf mehr Zusammenarbeit, Kompetenzbündelung und bessere „Steuerbarkeit“ der Spitäler.
Nach Xavier Bettels Grundsatzrede nach dem Regierungsrat von vor zwei Wochen ist das aber nicht so sicher. Der Premier hörte sich da weniger wie der Regierungschef, sondern wie ein Stater Bürgermeister an, der Politik macht für die Entwicklung des Bahnhofsviertels und die Zitha als DP-Lobbyist unterstützt. Dabei steht weder zur Debatte, die Zitha zu schließen, noch dem Garer Quartier die Poliklinik zu nehmen. Nur, was die Klinik in Zukunft leisten soll, fragt sich. Und ob es manchen ihrer Ärzte abverlangt werden kann, ihr Knowhow auch anderswo und in einer zentralisierten Struktur einzusetzen. Dass sich dergleichen aus Firmenübernahmen ergeben kann, sollte die modernisierungswillige Regierung eigentlich wissen.
Dass die Lage durchaus brisant ist, zeigt eine diese Woche von dem CSV-Abgeordneten Serge Wilmes gestellte parlamentarische Anfrage an die Gesundheitsministerin. Wilmes fragt Lydia Mutsch (LSAP), ob sie von „Akteuren des medizinischen Sektors“ oder „Privatinvestoren“ kontaktiert wurde, die die Anteile der Zithaklinik aus der Schuman-Stiftung herauskaufen wollen. Und will wissen, ob sie die „Fusion“ der Schuman-Kliniken weiter unterstütze und die Führung der FHRS „in ihrem Bemühen, das bestmögliche organisatorische Szenario und die bestmögliche Struktur einzuführen“, und zwar im „einzigen und alleinigen Interesse des Patienten“.
CSV und Schuman-Gruppe haben also offenbar Angst um die Zitha und trauen in dieser Sache dem Premier und der DP nicht. Es soll schon Überlegungen von Zitha-Ärzten geben, zusammenzulegen und „ihre“ Klinik zurückzukaufen. Das wäre gar nicht mal so teuer, denn die Schuman-Stiftung bezahlte vor einem Jahr für die Anteile der Zitha-Schwestern nur 2,34 Millionen Euro. Doch selbst für eine „befreite“ Zithaklinik würde sich die Frage stellen, welche Rolle sie in einer Krankenhauslandschaft zu spielen hätten, die effizienter werden soll. Die Zeiten der ultraliberalen und von sich selber eingenommenen Klinikmedizin sind im Bahnhofsviertel von Luxemburg-Stadt vermutlich so oder so vorüber.