Films made in Luxembourg

Kurioser Zwischenraum

d'Lëtzebuerger Land vom 29.05.2020

Adolf El Assals Spielfilm von 2019, Sawah, ist seit einigen Wochen als erster luxemburgischer Film auf dem Streaming-Portal Netflix abrufbar: Samir (Karim Kassem), ein ägyptischer DJ, gewinnt einen Mixing-Wettbewerb in Kairo, der ihm die Möglichkeit bietet, nach Brüssel zu fliegen und dort einen internationalen Preis zu erhalten. Aber er muss mit seinem komplexen Familienleben und dem angespannten politischen Kontext in Ägypten klarkommen. Der Tahrir-Platz voller Demonstranten und Strafverfolgungsbehörden ist der politische Hintergrund vor dem der junge Samir beschließt, sein Glück anderswo, in Belgien, zu versuchen. Doch nicht alles läuft nach Plan: Er ist gezwungen, in Luxemburg zu bleiben und darf das Großherzogtum nicht verlassen. Nach und nach wird er feststellen, dass dieses Land von allerlei kurioser Menschen bevölkert wird, nicht nur häufen sich immer mehr sonderbare Zwischenfälle, auch wird dieses „Zwischengebiet“ zu einer Zone von Chaos und Gefahr...

Während Pol Cruchten sich in den Neunzigern dem Thema der Einwanderung in Luxemburg mit Black Dju (1995) noch mit der Ernsthaftigkeit des Dramas annahm, nähert sich Adolf El Assal dem Feld eher mit den Standardtechniken der Komödie, ohne dabei aber den Blick für das große Ganze zu verlieren: Bei allen Verständigungsproblemen und Sprachbarrieren, die sich für den Helden zwischen dem Englischen, Französischen, Arabischen und Luxemburgischen ergeben, entgegen aller Vorurteile mit denen Samir in seinem Umfeld zu kämpfen hat, läuft da alles auf die ganz konsensstiftende Botschaft hinaus, nämlich, dass Antisemitismus schlecht ist. In alldem ist dann auch nicht eindeutig spürbar, wie viel Liebeserklärung auf autobiographischer Ebene gestiftet ist und wieviel Werbung aufgrund der staatlichen Filmförderung vorgegeben wurde.

Wie der Regisseur nämlich berichtet, nährt die Erzählung sich von den eigenen Erfahrungen: Die Eltern des Filmemachers mit ägyptischen Wurzeln wollten eigentlich nach Brüssel reisen, irrtümlicherweise hielten sie anfangs aber Luxemburg für das Ziel und wurden im Großherzogtum sesshaft. Ähnlich ergeht es Samir, der in diesem „Zwischenraum“ gefangen bleibt, einem Ort, irgendwo zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland. El Assal beschreibt folglich dieses Luxemburg weniger als ein Land mit einer eigenen klar lokalisierbaren Identität, vielmehr aber als ein interkultureller Raum, als ein ganz polyglotter Kosmos, dessen Identität sich erst im Miteinander der Kulturen konstituiert. Das Drehbuch unter der Mitwirkung von Dennis Foon und Sirvan Marogy ist auf besondere Weise karikierend angelegt. Adolf El Assal lässt dann auch in der Inszenierung dieser Filmfiguren keinen Zweifel daran, dass sie hochgradige Zeichenträger sind: So sind etwa insbesondere die Polizeibeamten weitestgehend als inkompetent dargestellt, haben Minderwertigkeitskomplexe und verlieren unter Druck schnell die Nerven. Adolf El Assal versucht auf humorvolle Weise fixe Denkwelten auch beim Publikum als solche offenzulegen.

Zwischen Integrationskomödie, Road-Movie-Elementen oder Gangsterfilm-Zitaten, (die Darstellung der Unterwelt erinnert ferner ein bisschen an Tod Brownings Film Freaks von 1932) schwankend, erzählt Adolf El Assal diese Geschichte beinahe schon als wilde DJ-Auflage, mit einem Gespür für Beats, Pausen sowie lyrischen und heiteren Momenten. Zwischen den dramatischen Episoden, den einzelnen „Strophen“, wenn man so will, gibt es Momente der Ruhe, und sozusagen ein leises Crossfade, das den multikulturellen Hintergrund beschreibt. Sawah erzielt damit eine hohe Originalität an Ideen bei gleichzeitiger Unbeholfenheit in der erzählerischen Umsetzung. Dass sich bei diesem fast schon überartigem Angebot an Eindrücken einige Probleme für das filmische Erzählen im Flow auftun, wird im Verlaufe der Handlung absehbar. Gerade aber aufgrund seines wilden Stilgemischs dürfte Sawah vor allem bei einem jungen Publikum seine Anhängerschaft finden.

Marc Trappendreher
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