Beliebig zusammengewürfelte Kurzfilme von jungen RegisseurInnen? Wer vergangene Woche beim Panorama-Abend des Luxfilmfestivals nach einem roten Faden suchte, wurde sträflich enttäuscht: die Filme spielten in unterschiedlichen Teilen von Europa, behandelten unterschiedliche Themen und entsprachen unterschiedlichen Genres. Doch die Kurzfilme hatten dennoch alle etwas gemeinsam:
Sie waren alle verdammt gut.
Den Anfang machte Govinda Van Maele mit Halligalli. Eine Geschichte um ein bürgerliches Haus in Esch, in dem ein geschiedener Juwelier seine greise Mutter pflegt und gleichzeitig drei arbeitslose Männer beherbergt, die er wohl im Knast kennengelernt hat. Eines Tages taucht eine junge Frau auf. Sie trägt ein Geheimnis mit sich, das sich dem Zuschauer erst nach und nach offenbart. Van Maeles Film orientiert sich eindeutig am hohen Autorengrundsatz des Show, don’t tell. Er gibt keinen Rahmen vor, sagt seinen Zuschauern nicht, worauf sie achten sollen, bevormundet niemanden und greift auch nicht versteckt kommentierend ein. Es sind allein seine authentischen Charaktere, die das Geschehen leiten, die sich vor unaufgeregter Kamera bewegen, bar jeder moralischen Aprioris. Und so entfaltet sich die Geschichte selbst für einen Kurzfilm eher langsam nur durch Details. Halligalli ist ein äußerst überzeugendes Porträt von prekären Schichten in Luxemburg.
Nicolas Debray hat mit dem Animationsfilm Abigail (Melusine Productions) eine herzzerreißende Kurzgeschichte erzählt. Ihm gelingt es in fünf Minuten offenzulegen, wo die Stärken des Animationsfilms liegen: pointierte Geschichten, die bei allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten weltweit funktionieren.
Schauspielerin Larisa Faber gibt mit If We Smarten Up ihr Regisseurinnendebüt. Und der Film erinnert nicht nur wegen der rumänischen Sprache an großes rumänisches Autorenkino eines Cristi Puiu oder Cristian Mungiu. Eine Haushälterin wird in einem Mehrfamilienhaus in Bukarest vor die Tür gesetzt. Doch die alte Frau weiß nicht, wo sie hin soll und zieht in eine Besenkammer im Gebäude. Sie kann sich damit ganz gut arrangieren, pfeift We are the champions von Queen vor sich hin. Doch nicht so die Mitbewohner: Für sie ist die alte Frau in der Besenkammer unerträglich. Also beschließen sie, sich des Problems zu entledigen. Faber gelingt es, mit If We Smarten Up innerhalb kurzer Zeit mittels geschickter Dramaturgie eine ungeheure Dynamik aufzubauen. Die Story ist stringent, die Dialoge clever durchdacht. Ein gelungenes Debüt, das Lust auf mehr macht.
Mit Faleminderit wagt Nicolas Neuhold sich an einen historischen Stoff: Der Luxemburger Kartograf Charles Schaeffer wird 1921 nach Albanien geschickt, um eine topografische Karte zu erstellen. Doch die eigentliche Geschichte spielt in einem Huis clos in Paris, wo die Großnationen über die Grenzen des Balkans entscheiden. Es ist gerade dieses Huis clos das unter dem straffen Rhythmus des Kurzfilms leidet. Die Geschichte wirkt deshalb gehetzt, ja, allzu konstruiert und letztlich könnte der Film auch eine gute Werbung für Schokolade sein. Der Plot hätte sich wohl besser für einen Spielfilm geeignet. Dennoch ist Faleminderit alles andere als eine Enttäuschung, da gerade die bildgewaltigen Szenen in Albanien überzeugen.
Westwand von Philip Krieps ist der einzige Kurzfilm des Abends, der unter die Kategorie artsy Abschlussprojekt eines Kunststudenten fallen könnte. Ein tschetschenischer Geflüchteter wartet in einer abgelegenen Waldhütte im Ösling auf eine Aufenthaltsgenehmigung, lernt erste Brocken Luxemburgisch und spricht gleichzeitig Texte von Pink Floyd vor sich hin (Time), während idyllische Bilder von aufziehendem Nebel der Ardennenwälder gezeigt werden. Der Film ist bildgewaltig und ästhetisch, doch worauf er eigentlich hinauswill, wird wohl auch dem Regisseur ein Rätsel sein.