CSV-Minister François Biltgen ist in einer misslichen Lage. Als Hochschulminister ist er für die Förderung und Bezuschussung der Wissensgesellschaft zuständig, gemäß der Strategie von Lissabon, durch immer höhere Bildung und Ausbildung global wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden. Als Kultusminister ist er gleichzeitig für die Förderung und Bezuschussung des Gegenteils zuständig, der Glaubensgesellschaft, der Strategie von Fatima, die von Kant kritisierte selbstverschuldete Unmündigkeit aufrecht zu erhalten.
Religion ist Heilsversprechen plus Kult. In der katholischen Religion hypertrophierte der Kult über die Jahrhunderte zu solch barocken Ausmaßen, dass er heute für die Anhänger seines Heilsversprechens unbezahlbar ist. Deshalb wurde er schon im 19. Jahrhundert restlos verstaatlicht, von den Kirchen über die Gehälter und Pensionen der Priester bis zum Religionsunterricht.
Doch diese Verstaatlichung erfährt eine politische Legitimationskrise. Denn immer mehr Kirchen stehen leer; andere Religionen, selbst Kirchengegner sind neidisch geworden. In Zeiten der Wissensgesellschaft und des schlanken Staats stellt sich die Frage, weshalb der Staat unter allen privaten Vorstellungen ausgerechnet möglicherweise irrige über Transzendenz großzügig mit Geld fördern soll.
Die CSV hatte schon vor 30 Jahren mit der Unterstützung der LSAP versucht, diese Legitimationskrise durch die bescheidene Bezuschussung einiger anderer, konventionierter Religionen aufzuhalten. Aber der Versuch ist gescheitert. Mittlerweile verteidigt nur noch die CSV die Verstaatlichung des katholischen Kults, während sämtliche andere politische Parteien inzwischen zur Trennung von Staat und Kirche neigen. Um nicht sofort politisch in die Minderheit versetzt zu werden, bemühte sich Kultusminister Biltgen deshalb, mit dem altbewährten Mittel der ausländischen Experten die öffentliche Debatte in dem Erzbistum genehme Bahnen zu lenken.
Diese Woche legten Biltgens Experten ihren Bericht vor. Sie stellen sich taub für jede Diskussion über die Trennung von Staat und Kirche. Mit dem etwas schwachen Argument, dass es sich um eine bewährte, landesübliche Tradition handele, raten sie, anders als die Mehrheit des Parlaments und wohl auch der Öffentlichkeit, zur Beibehaltung des aktuellen Finanzierungssystems. Wobei für die Experten die auf 57,7 Millionen Euro jährlich geschätzte Bezuschussung der Religionen weniger der Verbreitung eines Heilsversprechens dient, als der sozialen Kontrolle. Denn Religionen hätten einen gesellschaftlichen Nutzen, „qui se renforce dans un contexte de crise économique“. Außerdem fördere die Aussicht auf Bargeld die religiöse Betätigung „au sein de la société luxembourgeoise et non en dehors“, womit wohl die Ängste der zahlreichen Islamophoben in politischen Sukkurs umgemünzt werden sollen. Unschön sei bloß, dass die katholische Kirche beim Unterhalt ihrer Kulthäuser durch die Gemeinden und beim Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen privilegiert werde, so dass sich eine Gleichbehandlung nach eindeutig festgelegten Kriterien aufdränge. Eine Gleichbehandlung von Kirchengegnern mit staatlich anerkannten Religionen, wie in Belgien, sei dagegen hierzulande mangels Nachfrage nicht nötig.
Die Experten bedienten also nicht nur die Erwartungen ihrer Auftraggeber zur vollsten Zufriedenheit. Sie bedienten sie möglicherweise zu gut. So dass der Bericht am Ende sein oberstes Ziel verfehlen könnte, die Legitimationskrise der von der CSV verteidigten Bezuschussung der katholischen Kirche und die leidige Diskussion über die Trennung von Staat und Kirche zu beenden.
Ines Kurschat
Catégories: Église et État, Politique sociétale
Édition: 17.02.2012