„The Movement Continues – the Work Begins!“, heißt es seit der Vereidigung von US-Präsident Donald Trump auf der Internetseite des Weißen Hauses, fast wie ein Echo auf den italienischen Historiker Enzo Traverso, der Donald Trump einen „Faschisten ohne Faschismus“ nannte, mit Twitter und Fox-News statt Schwarz- und Braunhemden. „From this moment on, it’s going to be America First“, kündigte Donald Trump in seiner Antrittsansprache an, getreu dem 1940 gegründeten America First Committee des Nazi-Sympathisanten Charles Lindbergh.
Innerhalb von nur einer Woche nach seinem Amtsantritt veränderte Donald Trump grundlegend die Außenpolitik der USA und damit auch die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs definierten Grundlagen der Luxemburger Außenpolitik. Die Geschwindigkeit und die Hemmungslosigkeit, mit der er vorgeht, um die Nachkriegsordnung zu kassieren, überraschten die Europäische Union und die europäischen Regierungen und machten sie sprachlos.
Wer darauf gehofft hatte, dass Donald Trump sich nach seiner Wahl beruhigen und den Gepflogenheiten fügen würde, wurde eines besseren belehrt, als der Immobilienmogul eine Regierung von Geschäftemachern, Haudegen und rechtsradikalen Ideologen zusammenstellte, als er eine unversöhnliche Antrittsrede in Fortsetzung seiner Wahlkampfauftritte hielt, in ersten Interviews traditionelle Verbündete beschimpfte und nun mit Executive orders seine schlimmsten Wahlversprechen umsetzen will.
Die neue Außenpolitik der USA wird auf der Internetseite des Weißen Hauses als „America First Forein Policy“ angekündigt. Sie sei „focused on American interests and American national security“. In ihrem Mittelpunkt stehe „peace through strenght“ statt Bündnisse und Völkerrecht, so dass „our military dominance must be unquestioned“. Denn neben „rejecting and reworking failed trade deals“ werden die USA auch „crack down on those nations that violate trade agreements“.
Mit seinen Beziehungen zu Russland und seiner Kontaktaufnahme mit Taiwan ist Donald Trump dabei, das internationale Kräfteverhältnis, teilweise auf Kosten Chinas, zu verändern. Seine Verbrüderung mit der rechtsradikalen Regierung in Israel droht, dem Nahostkonflikt neue Nahrung zu geben.
Europäische Union In seiner außenpolitischen Erklärung im März vergangenen Jahres, als sich abzeichnete, dass Donald Trump es zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei schaffen würde, hatte Außenminister Jean Asselborn (LSAP) die aktuellen Krisenherde aufgezählt und dem Parlament gedroht: „All diese kombinierten Krisen, zusammen mit der Gefahr eines Brexit, sind ein explosiver Cocktail für Europa und könnten einen Schock verursachen, von dem sich die Europäischen Union nur schwer erholen würde.“ Ausgerechnet der Präsident der USA ist nun dabei, den Cocktail zum Explodieren zu bringen.
Seit der Aufgabe der immerwährenden Neutralität ruht die Luxemburger Außenpolitik auf zwei Pfeilern, der Europäischen Union und der Nato. Mangels Binnenmarkts liefert die Europäische Union Luxemburg nach dem Zollverein und der Union économique belgo-luxembourgeoise das lebenswichtige Wirtschaftsbündnis und gewährt ihm einen diplomatischen Einfluss, der die Bevölkerungszahl und Landesfläche übertrifft.
Doch Donald Trump lässt keinen Zweifel daran, dass er das Seine dazu beitragen will, dass die aktuelle Krise der Europäischen Union zu ihrem Zerfall führen wird. Als erste ausländische Regierungschefin empfing er die britische Premierministerin Theresa May und meinte, Brexit sei „etwas Wundervolles“. Er lobte sie dafür, dass ihr Land beschlossen habe, die Europäische Union zu verlassen, was auch eine Ermutigung an EU-feindliche Bewegungen in Deutschland, Frankreich, Italien und anderswo ist, dem britischen Beispiel zu folgen.
Als US-Botschafter bei der Europäischen Union erwägt der Präsident Ted Malloch, der am Freitag auf BBC meinte, Donald Trump „doesn’t like an organisation that is supranational, that is unelected, where the bureaucrats run amok and that is not frankly a proper democracy“. Er brüstete sich: “I helped bring down the Soviet Union, so maybe there’s another union that needs a little taming”, und riet dem Kommissionspräsidenten: „Mr Juncker was a very adequate mayor I think of some city in Luxembourg and maybe he should go back and do that again.“ Breitbard, das rechtsradikale Organ von Donald Trumps Chefideologen Stephen K. Bannon, triumphierte am Samstag: „The EU is finished and the new President of the USA is actively speeding its end.“
In seiner Einladung zum EU-Gipfel an diesem Wochenende in Malta schreibt Ratspräsident Donald Tusk: „Die Europäische Union steht derzeit vor den gefährlichsten Herausforderungen seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge.“ Dazu gehörten auch „die besorgniserregenden Aussagen der neuen amerikanischen Regierung“, die „die amerikanische Außenpolitik der letzten 70 Jahre infrage zu stellen“ scheine.
Wird sich die Europäische Union gegen diese Angriffe behaupten oder wird sie, nach Großbritannien, auch von anderen Trump-freundlichen Regierungen aufgegeben, und muss Luxemburg dann sein Heil in einem verbleibenden Kerneuropa suchen? Oder kommen im potenziellen Kerneuropa rechtsradikale Parteien wie Front national, Alternative für Deutschland und Partij voor de Vrijheid an die Macht, die selbst ein solches Resteuropa vereiteln?
Nato Der zweite Pfeiler der Luxemburger Außenpolitik ist die Nato, die die diplomatischen und ökonomischen Interessen des Großherzogtums notfalls mit Waffengewalt verteidigen soll. Galt sie den ganzen Kalten Krieg lang als Schutzschild gegen das von Ronald Reagan zum „Reich des Bösen“ erklärten Russland, so sympathisiert Donald Trump nun mit dem ebenso autoritären und nationalistischen russischen Präsidenten, Wladimir Putin, und scheint eher die Europäische Union für das „Reich des Bösen“ zu halten. Die Nato sei, erklärte er The Times und der Bild-Zeitung, „obsolete, because it was designed many, many years ago“ und „the countries weren’t paying what they’re supposed to be paying“. Im Wahlkampf hatte er die gegenseitige Beistandsverpflichtung von Artikel fünf des Nato-Vertrags von der Höhe der Beitragszahlungen abhängig gemacht.
Die Luxemburger Regierung ist schon dabei, Geld zu verbrennen, um die Militärausgaben bis 2020 auf 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Verteidigungsminister Etienne Schneider (LSAP) erklärte am Sonntag in einem Fernsehinterview, dass das Land nicht in der Lage sei, seine Militärausgaben zu vervierfachen. Erzwängen die USA eine Erhöhung sämtlicher Militärausgaben in der Nato auf zwei Prozent, „dann stellt sich wirklich die Frage, ob eine Nato daran zerbrechen könnte“.
Freihandel Als Wirtschaftsminister will Etienne Schneider im April in Begleitung von Erbgroßherzog Guillaume eine Promotionsreise an die amerikanische Westküste unternehmen, um Geschäftspartner für den Asteroidenbergbau zu suchen. Aber derzeit ist unklar, wie die Geschäftsbeziehungen mit den USA in Zukunft aussehen werden.
Es ist nicht sicher, dass Luxemburg besonders gut bei der neuen Administration in Washington angesehen ist. Schon im Wahlkampf hatte Donald Trump sich wiederholt über die Steuerparadiese für US-Konzerne beschwert. Vor 14 Tagen erklärte er der Bild-Zeitung: „Wir haben fünf – ich glaube es sind fünf, manche sagen, es wären 2,5 bis drei, ich glaube aber es sind fünf Billionen Dollar da drüben, und sie können ihr Geld nicht zurückbringen. Also ist das ein Teil unseres Steuergesetzes, das Geld kommt zurück.“
Präsident Donald Trump setzte bereits mehrere US-Firmen unter Druck, ihre Produktion ins Inland zu verlagern. Angeblich mit demselben Ziel kündigte er eine 20- oder gar 35-prozentige Einfuhrsteuer an, mit der am Ende die Verbraucher in den USA die versprochenen Steuersenkungen für die Reichen bezahlen sollen. Da konnte sich Arcelor-Mittal vergangene Woche wenigstens darüber freuen, im Gegensatz zur Konkurrenz Produktionsstandorte in den USA zu besitzen.
Nur drei Tage nach seiner Vereidigung zog Donald Trump die vor einem Jahr geleistete Unterschrift der USA unter die Trans-Pacific Partnership (TTP) zurück, dem Freihandelsabkommen mit Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam. Das dürfte auch das endgültige Aus für die hierzulande viel kritisierte Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) sein, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Stattdessen kündigte der US-Präsident bilaterale Handelsabkommen an, um unter dem Vorwand der in seiner Antrittsrede zitierten Regel „Buy American and hire American“ ungehinderter das Recht des Stärkeren gegenüber anderen Staaten durchsetzen zu können.
Sollte diese Politik in Widerspruch zu den Regeln der Welthandelsorganisation geraten, stellt sich die Frage, ob die USA die Welthandelsorganisation verlassen werden. Mit seiner Drohung, den Freihandel zurückzurollen, stellt der Präsident auch den hierzulande vor 30 Jahren zur Staatsreligion erhobenen Glauben an den unvermeidlichen Segen der Globalisierung und an all die im Interesse der nationalen Wettbewerbsfähigkeit geforderten Opfer in Frage.
Donald Trump schreckt nicht davor zurück, internationale Abmachungen aufzukündigen. Sein Umweltberater vom Competitive Enterprise Institute, Myron Ebell, kündigte am Montag an, dass die USA sich aus dem 2015 in Paris getroffenen Klimaabkommen zur Emissionsbegrenzung zurückziehen werden.
Die Luxemburger Regierung wartet ängstlich ab und hofft auf Rat aus Brüssel; sie weiß aber auch, dass ihre Wähler klare Aussagen erwarten. Premier Xavier Bettel (DP) meinte am Wochenende, dass das Einreiseverbot für Bürger aus sieben armen islamischen Staaten „böse Erinnerungen“ in ihm wachrufe, „wenn Leute wegen ihrer Herkunft gebrandmarkt werden“. Außenminister Jean Asselborn wies darauf hin, dass der Erlass auf den internationalen Holocaust-Gedenktag datiert ist.
Finanzminister Pierre Gramegna (DP) befürchtete am Mittwoch vor dem Wirtschafts- und Sozialrat, dass der US-Protektionismus der Weltwirtschaft und damit auch der Luxemburger Konjunktur schaden werde. Kooperationsminister Romain Schneider (LSAP) beschloss am Montag, die staatlichen Zuschüsse für jene Programme der Vereinten Nationen zur Sexualerziehung und Familienplanung zu erhöhen, die nicht mehr von den USA finanziert werden.
Aber der Luxemburger Regierung ergeht es nicht besser als denjenigen der Nachbarländer und der Europäischen Union. Niemand will es leichtfertig mit dem großen Bruder in Übersee verderben und den Zorn des rachsüchtigen Präsidenten auf sich ziehen. Vor allem fehlt es jedoch an einer Lesart für das, was in Washington geschieht: Ist Donald Trump der böse Clown aus Batman oder ein Hitler des 21. Jahrhunderts, der Juden durch Mohammedaner ersetzt? Ist der Alptraum bald vorüber, wenn er an der Verwaltung, der Justiz, dem Kongress scheitert und Kompromisse eingeht, um an der Macht zu bleiben? Oder legt er dann noch einen Zahn zu und nutzt das von ihm geschaffene Chaos, um Sündenböcke vorzuführen und den Notstand zu erklären? Sind er und seine Oligarchenregierung die Wegbereiter eines hemmungslosen Kapitalismus der Zukunft oder droht ihm bald ein Impeachment-Verfahren wegen Korruption, ein Putsch des Pentagon, wenn er seinen ersten Atomangriff anordnet?