Seit vergangenem Freitag ist es offiziell: Beim flinken Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft wurde Henri Grethen, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, in der Drehtür eingeklemmt. Hinter ihm blieben auch noch Arbeitsminister Nico Schmit und die Abgeordnete Tess Burton stecken. Um frei zu kommen, drängen sie nun alle wieder zurück, der eine an den Rechnungshof, der andere in sein Ministerium, die andere ins Parlament. Dabei sollten eigentlich alle zufriedengestellt werden: Der 66-jährige Henri Grethen sollte eine Gelegenheit bekommen, sich rühmlich und auskömmlich auf den Ruhestand vorzubereiten. Der lustlose Arbeitsminister sollte nach erfolglosen Versuchen bei der OECD, der Botschaft in Paris und bei der Europäischen Kommission endlich einen angemessenen Ersatz für sein Regierungsamt erhalten. Der um seinen einzigen Parlamentssitz bangende LSAP-Ostbezirk sollte die Gelegenheit bekommen, eine Nachwuchspolitikerin aufzubauen.
Tatsächlich ist der fliegende Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft bei allen Parteien beliebt, die über einen entsprechenden Zugang zu Wirtschaftskreisen verfügen, und die rezenten Deontologiekodizes sind da nur ein kleines Hindernis. LSAP-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké hatte sich gleich nach seinem Rücktritt als Unternehmensberater selbständig gemacht und gehört der Leitung von Jan De Nul, Sofidra, Sistema und, im Regierungsauftrag, Arcelor-Mittal an, mit denen er zum Teil als Wirtschaftsminister amtliche Beziehungen unterhielt. Der für den Finanzplatz zuständige CSV-Haushaltsminister Luc Frieden hatte nach der Wahlniederlage seiner Partei der Deutschen Bank in London seine Dienste angeboten, danach dem Sankt-Paulus-Verlag und der Banque internationale. Auch ranghohen Beamten gelang nach den Wahlen ein fliegender Wechsel, dem Staatsrat ist jede Idee von Interessentrennung fremd.
Doch die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft klemmte diesmal – ausgerechnet bei einem ehemaligen Wirtschaftsminister, der sich für so liberal erklärte, dass er am liebsten sein Ressort abgeschafft hätte. Aber Henri Grethen und die Regierung hatten sich im Wirtschaftszweig geirrt. Hätte er Verwaltungsratsvorsitzender eines Industriebetriebs, einer Kaufhausgruppe, eines Bauträgers oder eines Satellitenbetreibers werden wollen, hätte das ganz alleine von dem betreffenden Unternehmen und vielleicht etwas politischer Fürsprache abgehängt. Aber weshalb musste es ausgerechnet eine Bank sein? Weil die Regierungen sich seit 160 Jahren frei fühlen, in „ihre“ staatliche Bank zu nominieren, wen sie wollen? Immerhin erschien der versuchte Wechsel von Henri Grethen in den Verwaltungsrat der Staatssparkasse weit weniger anrüchig als derjenige von Kollegen in die Leitung anderer Firmen. Mit Vertretern der Handwerks- und der Salariatskammer sowie ranghohen Beamten sieht der Verwaltungsrat sowieso wie eine Tripartite im Kleinen aus. Pech, dass dank des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus in der Euro-Zone die Regierung nun nicht mehr Herr in der eigenen Sparkasse ist.
Henri Grethen hatte kurz nach seiner Anhörung betont, dass sein Ruf makellos sei. Von Nachteil habe sich dagegen erwiesen, dass seine fachliche Kompetenz einseitig auf Erfahrung beruhe – in seinem offiziellen Curriculum vitæ des Europäischen Rechnungshofs fehlt der Abschnitt „Ausbildung“. Offenbar hatte weder Henri Grethen noch die Regierung ernsthaft damit gerechnet, dass die Europäische Zentralbank für den Verwaltungsratsvorsitz der Luxemburger Sparkasse einen Kandidaten untauglich findet, der am Europäischen Rechnungshof den Haushalt der Europäischen Union kontrollieren soll. Mit Henri Grethens Ablehnung desavouiert die Europäische Zentralbank den Europäischen Rechnungshof und das Europaparlament, das Grethen angehört und durchgewinkt hatte. Das machte es der Zentralbank vielleicht auch so schwer, sich zu einer Entscheidung durchzuringen.