Wie in unseren Nachbarländern steht seit der Forderung des hiesigen Planning Familial nach einer Fristverlängerung des Schwangerschaftsabbruchs eine Gesetzesanpassung auf der Tagesordnung. Konkret geht es um eine Ausdehnung von 12 auf 14 Wochen, entsprechend der 14. auf die 16. Woche nach der letzten Regelblutung. Ihren Aussagen nach steht die Regierung dieser Forderung wohlwollend entgegen.
Einen ähnlichen Konsens gibt es nun auch in Belgien, wo eine vom Parlament eingesetzte Gruppe von Wissenschaftlern eine Frist von 18 Wochen befürwortet, eine der Regierungsparteien jedoch bei 16 Wochen bleiben will. In der Tat soll es dort mehrere hundert Frauen jährlich geben, welche nach Holland reisen, um wegen der Fristeinschränkung den Eingriff dort vornehmen zu lassen. Dies ist mit erheblichen Kosten verbunden und stellt eine soziale Ungerechtigkeit dar.
In Frankreich wurde eine solche fristverlängernde Regelung vor mehr als einem Jahr eingeführt. Es wurde eine durchweg positive Bilanz der Fristverlängerung gezogen. In diesem Kontext überraschte der Vorsitzende der Luxemburger Gynäkologen-und Geburtshelfervereinigung Dr. Pierre Duschinger vor einigen Wochen in einem Interview auf RTL mit seiner Aussage, dass seine Zunft sich gegen die Fristverlängerung stelle und dies eben aufgrund der Erfahrungen ihrer französischen Kollegen.
Dr. Pierre Duschinger meinte, eine Fristverlängerung bärge Gefahren, da sie mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden sei. In der Tat gab es vor der Gesetzesänderung in Frankreich eine Umfrage unter Ärzten, die Unterbrechungen durchführen und ein erheblicher Anteil befürchtete eine eventuelle Erhöhung der Risiken. Ein etwas geringerer Anteil erklärte sich aber bereit, weiterhin Eingriffe selbst bei Fristverlängerung durchführen zu wollen. Die Methoden der Unterbrechungseingriffe verändern sich durch die Dauer der Schwangerschaft. Dank der Forschungsarbeiten des fortschrittlichen Biochemikers Étienne-Émile Beaulieu kann die Schwangerschaft heute anfangs mit Medikamenten beendet werden, während eine längere Dauer einen mehr oder weniger invasiven medizinischen Eingriff verlangt.
Nun ist eine Befürchtung das Gegenteil einer Erfahrung. In der Tat zeigt eine vor kurzem erschienene Studie des Necker Krankenhauses in Paris1, dass es außer eventuellem erhöhtem, jedoch begrenztem Blutverlust, keine signifikante absolute Risikoerhöhung zwischen einem Abbruch in der 12. und der 16. Woche nach der Regelblutung gibt. Risiko-Unterschiede gibt es zwischen den Eingriffsmethoden. Eine Literaturübersicht zeigt verschiedene Wege auf, um die methodengebundenen aber ohnehin recht seltenen Risiken zu reduzieren. Unterschiede sind auch bekannt in Verbindung mit dem Alter der Patientinnen und der Erfahrung der Ärzte. Ein solcher Befund ist mitnichten außergewöhnlich, er gilt für viele Eingriffe und hat wiederum mehrere Ursachen. In diese Richtung gehen auch die Aussagen von britischen und holländischen Ärztinnen und Ärzten vor der schon erwähnten belgischen Kommission, sowie einige ältere Studien.
Es wäre gewiss gut gewesen, wenn der Vorsitzende diese Tatsachen in einem Gesamtbild im Rahmen seiner Aufklärungspflicht korrekt dargestellt hätte, beziehungsweise seine Zunft sich damit in der Breite auseinandersetzten könnte, um sich auf die notwendigen Erfahrungen und Anpassungen in ihren Arbeitsbereichen vorbereiten zu können. Niemand wird wohl in Frage stellen wollen, dass Frauen sich aus gutem Grunde für einen Abbruch entscheiden.
Es stellt sich außerdem die Frage, welchen Sinn es macht, medizinische oder chirurgische Eingriffe zu untersagen, wenn sie mit erhöhten Risiken verbunden sind. Würde dies verallgemeinert, wären viele Mediziner ohne Arbeit. Gleichwohl bleibt es beim Prinzip, dass jede Ärztin und jeder Arzt verpflichtet ist, Patienten und Patientinnen die beste, also am meisten wissenschaftlich fundierte, Pflege zukommen zu lassen. In diesem Zusammenhang gilt auch das Prinzip der individuell angepassten Bewertung des Risikos in Verbindung mit dem Nutzen bzw. der zwingenden Abwendung von Gefahren und Leid. Da es sich hierbei also um ein verbindliches Prinzip handelt, welches für jede medizinische Handlung gilt, darf man sich fragen ob es überhaupt Sinn macht, zusätzliche Regelungen per Gesetz zu erlassen.
Dass sich verschiedene Mediziner aus zum Beispiel persönlichen Gründen von manchen Aktivitäten fernhalten wollen und dieses als ihr Recht beanspruchen, ist wiederum eine andere Frage. Jedenfalls ist es nicht zulässig, jemand anderem seine ethische oder anders geartete Ansicht aufzuzwängen, in welche Richtung auch immer.
Es darf auch bemerkt werden, dass Schwangerschaftsberatung ebenso wie auch Eingriffe zur Unterbrechung je nach Art in vielen Ländern nicht nur von Fachärzten für Frauenheilkunde durchgeführt werden, sondern auch von anderen, dafür ausgebildeten Medizinern. Ohnehin befasst sich in Luxemburg wie in Belgien das Planning Familial mit dem Großteil dieser Problematik. Man soll also die Erfahrung dieser Stellen sehr ernst nehmen und deren Forderungen entsprechend würdigen.
Zum Schluss des besagten Interviews ging es um nicht vorliegende exakte Daten zu den Eingriffen, wohl um jene außerhalb des Planning Familial, das in der Tat seine eigenen Daten jährlich in seinem Bericht vorlegt. Der Vorsitzende der Frauenärzte und Geburtshelfervereinigung konnte keine entsprechenden Daten vorzeigen und erklärte, der Grund liege im Umstand, dass in Luxemburg kein erstattungsfähiges, definiertes Honorar für einen Schwangerschaftsabbruch verrechnet werden könne. Ein solches soll deshalb gefordert werden, damit man wohl an jene Daten herankäme.
Mit diesem Paukenschlag war im wahrsten Sinne des Wortes das Ende der Diskussion erreicht. In der Tat darf man sich fragen, warum der Vorsitzende nicht, wie anderorts geschehen, seine Mitglieder zur Art und Zahl ihrer Eingriffe befragt hat, damit diese Daten zur Verfügung stünden. Dass aber am Ende der gesundheitspolitischen Diskussion in Luxemburg immer die Frage der Ärztevergütung aufkommt, ist bedauerlich – und leistet dem notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt keinen Dienst.