Wer David, Julie und Clara besuchen will, muss eine kleine Reise machen. Der Luxemburger, die Französin und ihr sechs Monate altes Baby wohnen in Metz. Aber nicht in einem Haus, sondern auf einem Schiff auf glucksendem Wasser, genauer: auf der Pegasus. „Wir haben vor Jahren Hausboote gesehen und gedacht, was für ein Traum“, erinnert sich Julie Mangeot. Ihre Mutter hatte ein Motorboot, Julie lernte mit sechs Segeln und war früh von der Wasserwelt begeistert.
Das 38 Meter lange und fünf Meter breite Boot hat allerdings nichts mit einer wackelnden Jolle gemein. Es liegt fest verankert im Kanal neben dem Stade Saint-Symphorien. Julie und David, beide Fans des FC Metz, haben sich über den Fußball kennengelernt. Ihr Zuhause liegt also in bester Fanlage; sie brauchen nur durch die Dachluke ins Freie zu treten und bekommen die Publikumsreaktionen live mit.
Aber das Gefühl, der Natur ganz nahe zu sein, hat man auch hier, 15 Minuten vom Stadtzentrum. Steuerbord (rechts) führt ein Spazierweg entlang des Kanals, backbord kann man durch runde Bullaugen Enten beobachten, die unbeholfen auf einer dünnen Eisschicht watscheln. Der Ofen in der Mitte des Bootsbauchs bollert derweil gemütlich vor sich hin.
Dass der Journalist der linksalternativen Wochenzeitung Woxx und die Soziologin alternativ wohnen wollten, stand früh fest. „Erst dachten wir an ein gemeinschaftliches Wohnprojekt, aber in Luxemburg gibt es das kaum und aufs Land ziehen wollten wir nicht“, erklärt David Angel, der zum ersten Mal als Student in Hamburg Hausboote bestaunte.
In Metz haben sie beides: die Natur und das Stadtleben – sowie hilfsbereite Nachbarn auf den acht weiteren Schiffen, die fast so etwas wie eine Gemeinschaft bilden. Braucht jemand Unterstützung, weil ein Dieselmotor nicht mehr rundläuft, Öl tropft oder es klappert und klopft, ist rasch Hilfe zur Stelle. Bei so einem Ungetüm, Baujahr 1929, fällt immer mal etwas an. „Eine gewisse Affinität zum Handwerken sollte man haben“, rät David, der kleinere Maler- und Schleifarbeiten selbst erledigt.
Der vorige Besitzer der Pegasus, ein Franzose aus Avignon, hat das Binnenschiff, das früher Getreide, Kohle und Sand transportierte, in liebevoller Arbeit umgebaut: In der offenen Wohnküche lockt eine Bar, durch halbrunde Fenster fällt Winterlicht hinein. Es gibt ein Bad mit Dusche, ein Kinderzimmer, ein Schlafzimmer, sowie, hinter einer dicken Stahltür wie im Tresor versteckt, ein kleines Gästezimmer mit tiefer gelegenem modernem Bad, das die beiden vermieten. Durch 130 Schleusen, über unzählige Wasserläufe und nach einer Generalüberholung in Lyon, hatten sich die Julie und David das Boot vergangenen Sommer bringen lassen.
Gefunden haben sie die knallblaue Pegasus übers Internet. Von der Idee, auf ein Wohnschiff zu ziehen, bis zur Umsetzung dauerte es fast zwei Jahre: Weil Hausboote nicht als herkömmliche Immobilie gelten, ist die bürokratische Prozedur etwas komplizierter. Dafür fallen außer Liegeplatzgebühren und Boots-Anschaffungspreis (wie ein kleineres Einfamilienhaus außerhalb Luxemburgs) keine weiteren Steuern oder Gebühren an.
Tipps bekamen sie von einer Freundin, die einen Bootsbesitzer kannte und übers Internet. Denn mag in Metz die Hausbootgemeinschaft auch überschaubar sein: In Paris, Amsterdam oder Hamburg sind die oft sehr stilvoll umgebauten Boote fester Bestandteil des Stadtbilds.
Das Gefühl, mobil sein zu können, macht einen weiteren Reiz beim Wohnen auf dem Wasser aus: „Ich mag die Idee, dass wir mitsamt dem Haus umziehen können“, schwärmt David Angel. Da nimmt er die Nachteile, kühlere Temperaturen und kniffelige Reparaturen, gerne in Kauf. Allerdings reichen die Wartezeiten für einen Liegeplatz je nach Stadt zwischen circa zwei (Maastricht) und bis zu zehn Jahren (Paris). Außerdem können die beiden, wie übrigens viele Hausbooteigentümer, ihren Kahn gar nicht selbst steuern. Julie besitzt zwar einen Führerschein, aber der gilt für Sportboote bis 23 Metern Länge und da liegt die Pegasus deutlich drüber. Trotzdem: Vielleicht muss man eines Tages viel weiter fahren, um Familie Angel-Mangeot in ihrer romantischen Bleibe zu besuchen.