Jeanne Pommaux lacht ein offenes, fröhliches Lachen unter ihrem langen weizenblonden Pony. Kleine Fältchen bilden sich dabei in ihren Augenwinkeln – ein Zeichen, dass sie oft und gerne lacht, dass Lachen wichtig ist im Leben. Sie strahlt die ihr eigene Mischung aus unbeschwerter Lebensfreude und Herzlichkeit aus, die sogar dann noch durchscheint, wenn der Stresspegel steigt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie macht, was sie schon immer machen wollte, und damit ziemlich zufrieden ist: Sie entwirft und näht Kleider, von Hand, in kleinen Serien, unter dem Dach der Wohnung, in der sie mit ihrer Familie in Brüssel wohnt.
„Ich wollte immer nähen“, sagt die 45-jährige Französin, die aus Tours stammt. Für die Eltern war es ausgeschlossen, dass die Tochter keinen Hochschulabschluss absolvierte, doch studieren konnte man Mode nur an privaten Schulen wie der Esmod, wo die Gebühren zu teuer waren, erzählt sie. Also studierte Jeanne Pommaux zwei Jahre Architektur. Dass sie gelernt hat, wie man Pläne zeichnet, sagt sie, sei ihr heute noch nützlich, wenn sie die Schnittmuster für ihre Kleider anfertigt. Nach dem abgebrochenen Studium übernahm Pommaux jede Art von Gelegenheitsjobs: „Zeichenateliers bei Club Med“, erinnert sie sich lachend, Seidenmalerei-Kurse oder Verkäuferin.
Nach und nach rutschte sie wie von selbst in den Beruf der Koloristin hinein, indem sie Aufträge ausführte, die ihre Mutter nicht mehr annehmen wollte. Koloristen färben die Comic-Streifen anderer Illustratoren, die ihren Figuren im Stil der ligne claire, wie beispielsweise bei Tintin, mit einem Strich feste Konturen geben. Die Flächen, die sich zwischen den Linien ergeben, färben die Illustratoren nicht selbst, sondern lassen das von Koloristen machen. Jeanne Pommaux stieg als Koloristin in die ursprünglich von ihrem Vater gezeichnete und geschriebene Comic-Serie Marion Duval ein, die seit 1983 bei Bayard Presse erscheint. Marion ist ein neunjähriges Mädchen, Tochter eines Journalisten, das seine Mutter nicht kennt, in Paris Verbrechen aufklärt und für Gerechtigkeit kämpft. Auch heute noch koloriert Jeanne Pommaux die Strips, die in der Kinderzeitschrift Astrapi erscheinen, bevor sie als Album veröffentlicht werden.
Vor etwas mehr als zehn Jahren schulte Jeanne Pommaux um. Sie war damals Angestellte von Agnès b., arbeitete als Verkäuferin in der Pariser Boutique. Die Designerin und Mäzenin rekrutierte für ihre Boutiquen keine professionellen Verkäufer, sondern Künstler, Schauspieler und andere Kreative, denen die Anstellung im Laden nach flexiblem Stundenplan erlaubte, ihre eigenen Projekte durchzuführen und gleichzeitig die Miete zu zahlen. „C’était chouette“, erzählt Pommaux, auch weil Agnès b. fürs Betriebsfest mal Placebo oder Patti Smith engagierte.
In einer Zeit, als die öffentlichen Finanzen noch solche Programme möglich machten, bewarb sich Pommaux um eine staatlich finanzierte Umschulung und wurde angenommen. Sie ließ sich zur Näherin ausbilden und lernte, Schnittmuster herzustellen.
Weil sie nicht gelernt hat, mit Stoffteilen die Muster dreidimensional an der Ankleidepuppe herzustellen, sind die Schnittmustermodelle der Ausgangspunkt für ihre Kleider. Sie hat Basismuster für die Korsage der Oberteile, die sie entwirft, daran ändert sie Schulter-, Ärmel-, Ausschnittsformen. Erst wenn sie ein Probeteil zusammennäht, kann sie testen, wie es fällt – und wenn sie unzufrieden ist, das Muster anpassen. Dazu gehört nicht wenig Arithmetik: Um verschiedene Größen des gleichen Kleidungsstücks anzufertigen, werden mathematische Formeln auf die Muster angewandt.
Bei aller Unbeschwertheit, die Jeanne Pommaux nach außen zeigt, steckt hinter ihren Kleidern eine akribische Fleißarbeit, die sie mit großer Ausdauer erledigt. Der Prozess ist eine der Sachen, die ihr wichtig sind. „Fait à Bruxelles“ heißt es auf den Etiketten von Jeanne Pommaux Atelier. Immer mehr achteten Verbraucher darauf, Lebensmittel, Obst und Gemüse, lokaler Produzenten zu kaufen. Jeanne Pommaux versteht sich selbst als lokale Produzentin von Kleidungstücken. Und will den Beweis erbringen, dass dies möglich ist, ohne dass dabei formlose Teile herauskommen, die auf hundert Meter Entfernung „Reformladen“ schreien.
Die Stoffe, die sie verwendet, kauft sie als Restposten von Haute-Couture-Häusern – ihre Art, Verschwendung und Materialvergeudung vorzubeugen. Es sind vor allem weiche, fließende Stoffe, die Jeanne Pommaux verarbeitet, Wollcrêpe und Seide, das passt zu ihren Fähigkeiten als Näherin. Ihre Modelle beschreibt sie selbst als „ziemlich klassisch, mit einem Twist“. Der Twist kann ein Rüschendetail am Ausschnitt des ansonsten schlichten Pullovers oder an den Taschen des Bleistiftrocks sein.
Wie ein Kleidungsstück wird, „ergibt sich aus den Stoffen, den Berechnungen“, sagt Jeanne Pommaux. Sie folgt dabei keinem Trend. „Wichtig ist, dass es gelungen und schön ist.“ Dass die Stücke alltagstauglich sind, macht sie selbst vor : „Wer soll sonst meine Sachen kaufen wollen, wenn ich nicht meine eigene Kundin bin?“ Ihre Kleider sollen auch tragbar sein für Frauen, die das Leben genießen, gerne essen, ein Glas Wein trinken und deshalb keine Modellmaße haben. Eher ermutigt sie ihre Kundinnen, ihre Sinnlichkeit nicht zu verstecken, sondern ihre Formen anzunehmen und zur Geltung zubringen. Es klingt nicht zweideutig, wenn Jeanne Pommaux sagt: „Ich mag Frauen.“ Sie meint damit, dass sie in anderen Frauen keine Konkurrentinnen oder Feindinnen sieht. In ihrer Zeit als Verkäuferin, erzählt sie, habe sie unzähligen Frauen beim An- und Ausziehen geholfen und viele verschiedene Körperformen gesehen. Das hat sie geprägt.
Auf die direkte Verbindung zu ihren Kundinnen legt Jeanne Pommaux viel Wert. Erfolg misst sie daran, dass zurückkommt, wer einmal ein Stück von ihr gekauft hat. Sie ist eine gute Beobachterin und kennt die Art ihrer Kundinnen so gut, dass sie beim Entwerfen schon weiß, wem was gefällt. Daran will sie nicht unbedingt etwas ändern. Sie verkauft ihre Modelle vor allem bei privaten Verkauf-Events, auf Einladung auch in Luxemburg, zu denen immer neue Leute mitkommen. Oder, wie letzten Sommer, beim Kreativmarkt im Mudam. Eine eigene Boutique findet sie, aufgrund des damit verbundenen finanziellen Drucks, nicht erstrebenswert. Wünschenswert wäre hingegen für Pommaux, dass die Preise, zu denen sie verkauft, die Herstellungskosten decken, Material und investierte Arbeitszeit. „Aber das ist ein Kaufkraftproblem“, stellt sie fest. Jeanne Pommaux stapelt gerne tief, hat eine kräftige Portion Distanz zu sich selbst und sagt Sätze wie: „Ich mache nur Kleider, nichts Wichtiges.“ Doch hinter der Leichtigkeit verbirgt sich ein erfrischendes Bewusstsein für den Klassencharakter der Gesellschaft.