Diese Woche ließ der Staat 3,5 Millionen Masken verteilen, damit sich jede und jeder in der Öffentlichkeit das Gesicht verhüllt. Dabei hatte noch vor zwei Jahren ein von der ADR infizierter LSAP-Minister einer Handvoll islamischer Frauen zugerufen: „Wir sind keine Gesellschaft mit kaschierten Gesichtern!“ Die CSV-Abgeordneten hatten mit ihm gedroht: „Wir sind keine Gesellschaft mit versteckten Gesichtern.“ Die DP hatte eine Gesellschaft verlangt, „wo man den anderen Menschen, dem Gegenüber ins Gesicht schauen kann“, als „ein Zeichen von Vivre ensemble.“ Aber das Gesetz vom 25. Mai 2018 über die „infraction de dissimulation du visage dans certains lieux publics“ gilt nicht für Christenmenschen.
Der mit der Bekämpfung der Seuche verbundene Ausnahmezustand wirft Fragen von noch ganz anderer politischer Sprengkraft auf. So schränkte die Regierung durch ein großherzogliches Reglement vom 18. März die wirtschaftlichen Aktivitäten mit Ausnahme einiger als lebenswichtig erklärter Branchen, wie Gesundheit, Energie, Wasser, Lebensmittel oder Post, drastisch ein. Der Umkehrschluss legt nahe, dass es wirtschaftliche Aktivitäten geben muss, die nicht lebenswichtig sind, vielleicht sogar Unternehmen, deren einziger Zweck darin besteht, Tauschwert frei von jedem Nutzwert herzustellen.
Diese Erkenntnis könnte Steuerzahler bezweifeln lassen, ob es in Krisenzeiten nötig ist, Geld für Unternehmen ohne gesellschaftlichen Nutzen auszugeben. Hundefriseure, Duftkerzenläden und Handyklingel-Startups fallen unter die von der Verfassung garantierte Gewerbefreiheit. Aber muss daraus auch ein Anrecht auf Zuschüsse aus dem staatlichen Stabilisierungsprogramm erwachsen? Gar nicht zu reden von volkswirtschaftlich schädlichen Unternehmen, die sich im Nace-Dickicht des B2B verstecken und im Ersten Weltkrieg „Kettenhändler“ hießen.
Arbeitsminister Dan Kersch sorgte für Verwirrung in der Regierung und für Entzücken in der Opposition, als er fand, dass Selbständige nicht im gleichen Maße unterstützt gehören wie Lohnabhängige. Der Linkssozialist scheint überzeugt zu bleiben, dass Lohnabhängige nichts als ihre Arbeitskraft feilzubieten haben und dabei um einen unbezahlten Mehrwertanteil betrogen werden. Während Selbständige frei jedes Unterstellungsverhältnisses Eigentümer ihrer Produktionsmittel sind, was sie auch von ihren Praktikanten und von Scheinselbständigen unterscheidet.
Am Wochenende gewährte das Parlament einstimmig Firmen, die durch die Seuche in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, staatliche Bürgschaften. Ausgenommen sind neben ohnehin für exterritorial gehaltene Beteiligungsgesellschaften lediglich Immobilienagenturen und -firmen. So als ob Regierung und Parlament plötzlich zur Einsicht gelangt wären, dass die Immobilienbranche nicht zur Behebung der Wohnungsnot beitrüge, sondern eine parasitäre Rolle spielte. Nicht auszudenken, auf welch absonderlichen Ideen die Regierenden noch kommen, wenn die Epidemie lange anhält.