Ein weiteres Mal gesellten sich Dorfbewohner und Theaterfreunde von Auswärts zum Musikraum des beschaulichen Dorfes Kleinbettingen, nur einen Steinwurf von der belgischen Grenze entfernt. Mit den Inszenierungen der vergangenen Jahre hat das Theaterfestival Steinfort sich als Bühnenereignis über dem Niveau reinen Dorfschwanks profiliert. Nach Papa, tu dors? und De Schaf hat Radiosprecher und Dramatiker Jay Schiltz auch zur 19. Ausgabe des Festivals mit der Komödie E Wäibierg an Alaska seinen Beitrag geleistet.
Unter der Regie von Nathalie Ronvaux und dramaturgisch geleitet von Marc Rettel präsentiert sich die Komödie in den ersten Szenen als durchschnittlicher Dorfschwank und es ist zu befürchten, das Festival habe seinen Anspruch etwas zurückgeschraubt. In einem kalt gekachelten, spartanisch mit Tisch, Stühlen, einer Pflanze und einem ständig klingelnden Telefon ausgerüsteten Raum fristet ein Paar sein Dasein in der Rente. Mady Durrer und Jean-Marc Calderoni wirken während dieser vierten Aufführung sehr eingespielt, überzeugen damit, ihre großen Träume und seine Sehnsucht nach Ruhe mit Temperament, Witz und Schlagfertigkeit gegeneinanderprallen zu lassen. Leider aber wiederholt sich in der Verwirklichung dieser großen Träume vom Kauf eines Aston Martin über die Reise nach Alaska bis hin zur Unterziehung einer plastischen OP das immer selbe Motiv. Somit kommt die zentrale, zu repetitive Handlung über einen reinen Schwank bis kurz vor dem Ende nicht hinaus.
Nun hat sich Jay Schiltz aber nicht nur angesichts des Titels, der die Sinnlosigkeit einiger Lebensträume als Kompensation für ein bewusstes Leben veranschaulicht, eines Themas mit Potenzial angenommen. Es ist denn auch die Regie mitsamt ihrem dramaturgischen Gesamtkonzept, die dem Drama zur Stärke verhilft. Seien es die an die Kulisse projizierten Zeichnungen von Madys Träumen, die gerade von Calderoni mimisch grotesk verkörperte Zeitraffung in den Intermezzi, seien es die eingespielten Songs wie Dreamer von Supertramp oder Aznavours Je m’voyais déjà, die das Geschehen kommentieren und an die Funktion des Chors in der griechischen Tragödie erinnern: Die dramaturgischen Mittel – wohl dosiert – bereichern einen Text, der im Vergleich zu dem, was Schiltz bisher für Steinfort lieferte, in seiner Komik streckenweise schlagfertig, aber platt, in seiner Tragik manchmal floskelhaft wirkt.
Und doch ändern die offensichtlichen Schwächen nichts an der Tatsache, dass Schiltz’ Vorlage inhaltlich wie formal versöhnlich endet. Nach seinen immerwährenden Klagen über die Rastlosigkeit seiner Ehefrau stiehlt der Mann einen Weihnachtsbaum, ganz wie in alten Tagen. Die Einfachheit der Freude an diesem weihnachtlichen Schmuck bringt für Momente Ruhe an den Küchentisch und der letzte Schlagabtausch der beiden entschleunigt den Wahnsinn ihrer Träumerei, gewährt einen Moment der Besinnung. Beide scheinen – wenn auch vielleicht nur für einen Augenblick – Gefallen an einem einfacheren Leben zu finden und verlassen die Bühne, indem sie sich über die entlarvende Formulierung „E Wäibierg an Alaska“ totlachen. Ob der Weinberg in der Provence oder in Alaska angelegt werden soll: Beide Metaphern stehen für die vollkommene Sinnleere des bisher verträumten Lebens.