Schon der heilige Bernard von Clairvaux (nicht Clervaux) soll gewusst haben, dass der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert ist. Staatssekretärin Francine Closener (LSAP) und ihre Berater meinten es bestimmt auch nicht schlecht, als sie vergangene Woche den an Produkt-Designer gerichteten Gestaltungswettbewerb, auf Neu-Deutsch Design Challenge, auslobten, um einen Luxemburger Gebrauchsgegenstand à la Schweizer Taschenmesser zu ermitteln. Der Wettbewerb ist Teil der Bemühungen, ein Luxinnovation-Cluster zur Förderung der Kreativ-Industrie einzurichten (d’Land 05/2016). Doch aus den Wettbewerbsbedingungen selbst ergibt sich, dass Closener und ihr Team auf dem Holzweg sind, falls ihre Challenge zum Ziel haben sollte, erstens, Luxemburger Produkt-Designern die Möglichkeit zu geben, ihr Können zu zeigen, zweitens die Luxemburger Herstellung zu fördern und drittens das sich daraus ergebende Produkt weitläufig in Umlauf zu bringen. Denn damit die Herstellung des Luxemburger Schweizer Messers nicht zu teuer wird, heißt es in den Bestimmungen, es könne auch im Ausland hergestellt werden. Es ist also nicht ganz auszuschließen, dass der Luxemburger Gebrauchsgegenstand am Ende „Made in China“ ist.
Die Herstellungs- und Vertriebskosten, hohe Mieten inklusive, das stellt sich im Gespräch mit Designern meist schnell heraus, sind eine der Hauptursachen dafür, dass nicht mehr Gebietsansässige in heimischen Boutiquen hier entworfene Mode einkaufen oder ihr Haus mit Möbeln und Utensilien ausstatten, die Designed und Made in Luxembourg sind. Darin unterscheidet sich die Problematik, vor der die Kreativbranche steht, nicht besonders von der, die Berufskammern und Arbeitgeber-Lobbyisten mantra-artig beklagen. Im 3D-druckfrischen, rifkinischen Weltbild, das im Wirtschaftsministerium vorherrscht, stellt das vielleicht kein Problem dar, aber Prototypen herstellen, ist ein langwieriger und je nachdem ein kapitalintensiver Prozess. Wie Designern und Handwerkern dieses Versuch-und-Irrtumverfahren zusammen ermöglicht werden könnte, wäre durchaus ein diskussionswürdiges Thema. Und noch dazu eines, das in den Zuständigkeitsbereich des Wirtschafts-, nicht des Kulturministeriums fallen würde. Doch bei der Klumpenbildung vergangene Woche war davon keine Rede.
Ein andere Frage, die sich für heimische Designprodukte stellt, ist, wie sie unters Volk gebracht werden. Das Mudam organisiert zweimal jährlich einen Markt für Kreative, der einerseits die Besucherzahlen im Museum steigert und andererseits lokalen Talenten die Möglichkeit gibt, ihre Waren an die Frau und den Mann zu bringen; wobei sie eine Marge abgeben müssen. Die private Initiative Lëtz Go Local bietet zwei weitere Möglichkeiten, Waren zu verkaufen. Im Aquarium des Casino Forum d’art contemporain kann man noch bis zum 20. Februar den zusammen mit Design Friends organisierten Pop-Up Winter Garden besuchen, und Möbel und Einrichtungsobjekte von Designern und Ateliers aus Luxemburg und der Großregion ausprobieren und anfassen. Davon sollte profitieren, wer sich für lokales Möbeldesign interessiert, denn da Märkte und Ausstellungen immer vorübergehend sind, gibt es die Gelegenheit dazu eher selten. Dass eher weniger von solchen, in kleinen Stückzahlen von lokalen Handwerkern oder in Handarbeit hergestellten Stücke es in den regulären Handel schaffen, liegt auch daran, dass ihr Preis durch die Kommissionen der Einzelhändler ins Unerschwingliche steigen würde. Doch wer gibt schon gerne hunderte beziehungsweise tausende Euro für ein Möbelstück aus, das er vorher nicht aus der Nähe gesehen hat? Im Ausland hat man für dieses Problem eine Antwort gefunden. Sie heißt Designcenter. Oft bieten solche Zentren günstige Büro- und Arbeitsräume, aber auch eine Verkaufsfläche. Im besten Fall hat die eine Vitrine auf einen öffentlich zugänglichen Ort, an dem viel Laufkundschaft vorbeikommt. Damit nicht nur, wie aktuell im Casino, diejenigen die Möbelausstellung sehen, die den Schritt über die Schwelle der Kultureinrichtung wagen.
Eine von der öffentlichen Hand gestellte Verkaufsfläche für Luxemburger Produkte gibt es. Sie heißt Luxembourg House und befindet sich in der hauptstädtischen Rue de l’Eau. Bei der Eröffnung hatte Francine Closener Schaumwein ausgeschenkt und versprochen, dort werde das Beste angeboten, was Luxemburg an Design zu bieten habe. Deshalb stellen sich beim Schritt über die Schwelle des Luxembourg House ein paar grundsätzliche Fragen, die angesichts des dort feilgebotenen Kritzel-Kitsch und Regalwänden voll willkürlichem, mit dem neuen Luxemburg-Logo, Roten Löwen und goldenen Frauen angemalten rot-weiß-blauem Schrott, offensichtlich Klärung bedürfen. Zum Beispiel: Ob Design nur dann luxemburgisch ist, wenn die Produkte mit nationalen Merk- und Denkmälern gekennzeichnet sind? Oder ob ein in Luxemburg designtes Produkt sich vielmehr dadurch auszeichnen könnte, dass es gut und funktional ist? Und ob sich dann solche Designs bei der Kundschaft im In- und im Ausland durchsetzen würden, einfach weil sie toll sind?
Gegen Schweizer Messer gibt es nichts einzuwenden. Und da es eine reelle Gefahr gibt, dass irgendein Möchtegern-Designer beim Wettbewerb Messer mit einem roten Löwen auf dem Schaft einreicht (mit blauem Hirsch gab es 2007 schon welche), wagt man es kaum, ein anderes Beispiel zu nennen, damit niemand auf die Idee kommt, Taschen aus LKW-Planen mit dem Namen Samstag einzureichen. Aber ein helvetisches Produkt, das im In- und im Ausland ganz ohne Kreuz und Alpen-Panorama sehr erfolgreich verkauft wird, sind Freitag-Taschen. Geschicktes Design halt, das um seiner selbst Willen Anerkennung findet und aus der Schweiz kommt. Vorbildhaft – falls es nicht nur darum gehen sollte, Werbegeschenke für Luxemburg™ zu entwickeln.