Nach den weithin unbekannten Pionieren in den ersten satirischen Zeitungen des 19. Jahrhunderts ist Albert Simon eine Art Urvater der Luxemburger Karikatur. Denn als erster professioneller Karikaturist schuf er ein Werk von vielleicht 13 000 Zeichnungen, das sogar jenes seiner ebenso manisch-produktiven Zeitgenossen der Zwischenkriegszeit übertrifft, die 4 000 Landschaftsaquarelle des Staats- und Arbed-Architekten Sosthène Weis und die 7 000 Abreißkalender-Folgen des Chefredakteurs der liberalen Luxemburger Zeitung, Batty Weber.
In Erinnerung blieb Albert Simon vor allem durch seine in der Illustrierten A-Z und seiner eigenen Witzzeitung De Peck-Villchen veröffentlichten Karikaturen von verschlafenen Wegewärtern und keifenden Xanthippen, sozialen Stereotypen, die meist das gemeine Volk und nur selten seine vornehmen Herren verspotteten. Doch nun widmete ihm der Historiker Paul Lesch eine kenntnisreiche und präzise Darstellung, Albert Simon, caricaturiste du Escher Tageblatt, um den politischen Karikaturisten Albert Simon zu rehabilitieren.
Denn der 1901 in einer Sassenheimer Stahlarbeiterfamilie geborene Simon arbeitete nach Studien an der Handwerkerschule und in Deutschland zuerst für die satirische Zeitung De Gukuk, eher er 1931 vom Tageblatt als eine Art Editorial cartoonist engagiert wurde und von April 1931 bis zum deutschen Überfall 1940 täglich eine politische Karikatur für die Titelseite der sozialistischen Gewerkschaftszeitung zeichnete. Paul Lesch schätzt, dass das Blatt mit Simons Karikaturen sowohl Käufer anziehen als auch weniger gebildeten Lesern politische Zusammenhänge veranschaulichen wollte.
Der Höhepunkt von Simons Schaffen als politischer Karikaturist sind seine antifaschistischen Karikaturen. Eine nicht von vornherein gegen die Nazipropaganda immune Arbeiterleserschaft macht er immer wieder in einer leicht zugänglichen Bildersprache auf den Widerspruch zwischen der Propaganda und der Unterdrückung und Verarmung in Deutschland aufmerksam. Wobei Paul Lesch auffällt, dass der Antisemitismus für Simon kaum ein Thema war und seine Warnung vor der Fünften Kolonne und der Bedrohung der Luxemburger Unabhängigkeit manchmal in Überfremdungspanik ausartete. Die innenpolitische Fortsetzung von Simons antifaschistischem Engagement stellt sein Kampf gegen das Maulkorbgesetz dar. Zusammen mit Raymon Mehlens Plakat prägen seine Zeichnungen bis heute die Erinnerung an diese Zeit.
Eine weitere ständige Zielscheibe von Simons Spott ist der Klerus. In der Tradition der Aufklärung und der frühen Arbeiterbewegung karikiert er Geistliche, wie sie das Volk in Unkenntnis halten, um es sich auf dessen Kosten gut gehen zu lassen. Kritik an den ökonomischen Verhältnissen übt Simon dagegen ebenso wenig wie schon damals der Großteil der sozialistischen Partei. Auch die Gewerkschaftsbewegung spielt kaum eine Rolle in seinen Zeichnungen. Zu weiteren innenpolitischen Themen zählen dagegen die Parlamentsdebatten, die liberalen und kommunistischen Gegner der Sozialisten, die Währungskrise, die Unabhängigkeitsfeier und die heute kaum noch nachvollziehbare Kommunalpolitik.
Paul Lesch weist darauf hin, dass Simons bis dahin negative Darstellung von Joseph Bech und dessen Partei sich mit dem Regierungseintritt der Sozialisten als Koalitionspartner der Rechten 1937 schlagartig ins Positive verkehrte. Ob aus Überzeugung oder aus Opportunismus, allgemein vertrat Simon mit seinem paternalistischen Politikverständnis manchmal bis zur Peinlichkeit die Positionen der sozialistischen Partei. Von politischen Konflikten des Karikaturisten mit dem Tageblatt-Chefredakteur und Escher Bürgermeister Hubert Clément wird jedenfalls nicht berichtet. Doch in einem Buch zum 100. Geburtstag des Tageblatt hätte man sicher gerne mehr erfahren über Simons Arbeitsbedingungen als Redaktionskarikaturist im Angestelltenverhältnis.
Um seine Botschaft auch einem wenig gebildeten Publikum zu vermitteln, bediente Albert Simon sich einer sehr populären Bildersprache, gebrauchte immer wiederkehrende Allegorien aus dem Alltag, der Tier- und Märchenwelt, und erleichterte das Verständnis der Karikaturen noch durch Texteinschübe und Legenden. Anders als bis heute oft behauptet, seien die Zeichnungen manchmal ziemlich frech gewesen, meint Paul Lesch. In dem leider lieblos gestalteten Album veröffentlich Lesch fast 600 Karikaturen Simons, die er nach Themen ordnet und mit gründlich recherchierten Einleitungen in ihren historische Zusammenhang setzt, um sie auch heutigen Lesern verständlich zu machen.