Am Montag beginnen in Dubai die Bauarbeiten für den Luxemburger Pavillon bei der Weltausstellung 2020 und ihr Fortgang wird via Webcam, die alle 30 Sekunden ein Bild schießt, live auf der offiziellen Webseite übertragen werden. Das war eine der Ankündigungen, die Generalkommissarin Maggy Nagel (DP) diese Woche machte, nachdem es lange ruhig um die Teilnahme an der Expo geblieben war.
Demnach wird jeder mitverfolgen können, wie buchstäblich fast 32 Millionen Euro in den Sand der Arabischen Wüste gesetzt werden. Ob auch der Abbau im Netz übertragen wird? Der Pavillon wird nach der Expo abgerissen, nicht als Sitz der Luxembourg Space Agency zurück nach Luxemburg gebracht, wie sich das Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) anfangs gewünscht hatte. Der Abbau, das Verschiffen, der Wiederaufbau und die Anpassung des Gebäudes ans Luxemburger Klima hätten 16 Millionen Euro Zusatzkosten verursacht. Das war der Regierung zu viel, wie Nagel am Dienstag bei ihrer Pressekonferenz erklärte. Also wird er nach nur sechs Monaten Ausstellungs- und Nutzungszeit dem Erdboden gleich gemacht – die Kreislaufwirtschaft, mit der sich Luxemburg bei der Expo hevortun möchte, will gelernt sein. Zwar werden 70 Prozent des Materials recycelt werden, führten Nagel und ihre Mitarbeiter aus. Aber die Expo-Organisation schreibt ohnehin 75 Prozent vor, um zu zeigen, wie nachhaltig die Veranstaltung ist. Was nur unterstreicht, dass die nachhaltigste Expo die ist, die gar erst nicht stattfindet.
Das ist umso absurder, als das Budget von zunächst 25 Million Euro für den Expo-Auftritt drastisch hatte erhöht werden müssen. Nachdem man – nach der Aufstellung des ersten Budgets – „Land und Leute kennenlernte“, so Nagel, habe sich herausgestellt, dass die Baukosten in Dubai um 30 Prozent höher seien als in Luxemburg. Verwunderlich ist daran nur, dass bei den vielen Wirtschaftsmissionen, die bereits nach Dubai und in die Emirate gingen, den Besuchen bei der Big 5, der großen Baumesse in Dubai, welche die Handelskammer – immerhin Mitglied im Interessenverband für die Luxemburger Expo-Teilnahme – schon in der Vergangenheit organsierte, keinem der Verantwortlichen dünkte, dass mitten in der Wüste zu bauen teuer sein könnte. Denn wie Marike van der Ben, Sprecherin des Schweizer Generalunternehmers Nüssli Adunic, die außer dem Luxemburger auch den deutschen, den weißrussischen, den tschechischen Pavillon sowie die Ausstellung des französischen Pavillons bauen wird, das Naheliegende bestätigt, sind die höheren Baukosten darauf zurückzuführen, dass Dubai „über keine eigenen Rohstoffe verfügt“ und alles, was an Material gebraucht wird, über lange Strecken „aus dem Ausland importiert werden muss“.
Nüssli Adunic verfügt über lange Erfahrung beim Bau von Weltausstellungspavillons und hat auch in Katar beim Bau der Infrastrukturen für die Fußball-WM mitgeholfen. Die Firma hofft, den Zuschlag für weitere Pavillons in Dubai zu bekommen. So strenge Auflagen und vor allem so strenge Kontrollen wie in Dubai, „das hat man auch noch nicht erlebt“, so van der Ben. Um die über 1 000 Personen unterzubringen, die für Nüssli auf dem Expo-Gelände arbeiten werden – laut Maggy Nagel werden hauptsächlich „Inder, Pakistaner, Deutsche und Österreicher rekrutiert“ –, hat die Firma eigens einen ganzen Gebäudekomplex nach den von der Expo-Organisation vorgegeben Standards renovieren lassen. Die Organisatoren, erklärt Marc Scheer, Generalsekretär des Luxemburger Interessenverbandes für die Expo und ehedem Mitarbeiter der Luxemburger Botschaft in Abu Dhabi, wollen um jeden Preis Negativschlagzeilen über Menschenrechtsverletzungen wie von den Stadionbaustellen in Katar vermeiden. In einer Charta von über 30 Seiten haben die Veranstalter deshalb bis ins kleinste Detail die Worker Welfare Minimum Assurance Standards festgehalten. Darin wird nicht nur erklärt, dass den Arbeitsmigranten niemand die Pässe abnehmen darf und eine Gehälterstruktur im Einklang mit den gesetzlichen Mindestanforderungen implementiert werden muss – wie die auch immer aussehen mögen –, Frauen und Männer den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten, dass Analphabeten ihre Rechte von einem akkreditierten Übersetzer mündlich dargelegt, die Löhne pünktlich auf ein Konto eingezahlt werden und Unterkunft, Gesundheitsversorgung und Verpflegung nicht in Rechnung gestellt werden dürfen. Die Arbeitswoche eines Bauarbeiters in den Emiraten dauert maximal 48 Arbeitsstunden und sechs Tage, alles darüber hinaus sind Überstunden, von denen täglich maximal zwei geleistet werden dürfen, bei mindestens einem Ruhetag pro Woche. Nach fünf Stunden Arbeit ist eine Stunde Pause zum Essen, Schlafen und Beten. Während der warmen Sommermonate und dem Ramadan gelten Sonderbestimmungen und die Arbeiter haben Anspruch auf mindestens 30 Tage bezahlten Urlaub im Jahr.
Ihre Unterkunft muss Böden und Wände aus Beton oder Zement haben, was die Unterbringung in Containern ausschließt, und klimatisiert sein. Sogar die Luftfeuchtigkeit und die Größe der Fenster sind geregelt, ebenso die Größe der Grünanlagen und der Mindestabstand zu den Nebengebäuden. Der Feuerschutzaufwand ist strenger als am Grenfell Tower. In Wohnheimen, die nicht weiter als eine Stunde Fahrt von der Baustelle entfernt sein dürfen, kommt in den Gemeinschaftsbädern auf acht Bewohner mindestens ein Klo und auf 25 ein Pissoir. Die Waschbecken (mit Seifenspendern ausgestattet) und Duschen verfügen über Warm- und Kaltwasser-Mischbatterien. Den Bewohnern stehen täglich mindestens 20 Liter warmes und 35 Liter kaltes Wasser zur Verfügung und in den Schlafsälen jedem seine eigenen vier Quadratmeter, mit eigenem Bett, Nachttisch und zwei Meter hohem, verschließbarem Schrank. Dreifach Stockbetten sind verboten. Es gibt drei warme Mahlzeiten, von einem Küchen- oder Catering-Dienst in einer zweimal täglich gereinigten Küche zubereitet. Die Arbeitskluft wird zweimal und die Bettwäsche einmal in der Woche gewaschen. Wenn mehr als 1 500 Arbeiter in einer Unterkunft wohnen, richtet der Arbeitgeber einen Friseursalon ein...
Dass diese Vorschriften nicht für die Galerie sind, sondern präzise und kontinuierlich überprüft werden, erfuhr der Luxemburger Interessenverband bereits am eigenen Leib. Die Firma, die für ihn die Sondierungsarbeiten auf dem Grundstück vornehmen sollte, erfüllte irgendeine der vielen Auflagen nicht. Die Expo-Veranstalter schlossen sie aus und die Luxemburger mussten den Auftrag an eine neue Firma vergeben. Nüssli Adunic, sagt van der Ben, muss die Auflagenprüfungsprozedur für jeden Auftrag neu durchlaufen. „Es ist nicht so, dass wir automatisch für den deutschen Pavillon zugelassen sind, nur weil wir die Genehmigung haben, den Luxemburger Pavillon zu bauen. Für uns ist das mit viel Arbeit verbunden. Aber das ist gut so – mit dem Klima.“
Neben dem Wirtschafts-, dem Nachhaltigkeitsministerium und der Handelskammer gehören dem Interessenverband für Dubai das Postunternehmen und der Satellitenbetreiber SES an. Handelskammer, Post und SES steuern jeweils 2,5 Millionen Euro zum Gesamtbudget von 32 Millionen bei, 5,8 Millionen sind noch von der Expo in Shanghai 2010 übrig. Arcelor-Mittal stellt für eine halbe Millionen Euro Stahl zur Verfügung, Cargolux, ebenfalls Diamond-Sponsor, bietet eine Mischung aus Frachtkapazitäten und Geld, RAK Porcelain seinerseits das Porzellan fürs Restaurant, mit Exklusiv-Vertrag, was Villeroy ausschließt, sowie Geld. Der Glasfabrikant Guardian liefert Scheiben für 50 000 Euro, der Metallverarbeiter MCM Steel ebenfalls Sachleistungen, und die ULT ist offizieller Reiseveranstalter. Deswegen freuten sich Nagel und ihre Mitarbeiter, noch nie habe es eine derartige Beteiligung der Privatwirtschaft an den Kosten für den Expo-Auftritt gegeben. Tatsächlich hatte Nagels Vorgänger in Shanghai, Robert Goebbels (LSAP), kaum private Sponsoren gewinnen können. Wobei es Ansichtssache bleibt, wie groß das Interesse an der Expo-Beteiligung und die Bereitschaft, dafür zahlen zu helfen, der „Privaten“ ist. Schließlich fällt eine solche Veranstaltung in den gesetzlichen Auftrag der Handelskammer und der Staat ist Aktionär der Post, bei SES, Arcelor-Mittal sowie bei Cargolux. Die Finanzbranche glänzt bisher erneut durch Abwesenheit, obwohl der Staat auch einige Banken besitzt.
Warum also der ganze Aufwand? „Weil man sich nicht erlauben kann, bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung nicht dabei zu sein“, sagt der designierte Pavillon-Direktor Daniel Sahr. Mit den gleichen Worten hatte Schneiders Vorgänger Jeannot Krecké die Teilnahme an der Expo in Shanghai legitimiert. Es gehe darum, wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Die Emirate seien bereits jetzt der wichtigste Handelspartner in der Region, hatten gleich fünf Minister und Ministerinnen vor zwei Wochen einem Piratenabgeordneten auf die Frage geantwortet, ob dies ein nachhaltiges Projekt sei. Noch sei es zu früh, um einzuschätzen, wie die wirtschaftliche Ausbeute ausfallen werde, erklärte Nagel am Dienstag den Journalisten. Dabei hat neun Jahre nach Shanghai noch niemand ausgewertet, was damals heraussprang, wie Nagels Mitarbeiter vom Wirtschaftsministerium einräumten. Damals waren die Abrisskosten gespart worden, indem der Pavillon von Hermann & Valentiny nach einigem Hin und Her zum Geschenk ans chinesische Volk wurde. Danach waren in dem rostig-schiefen Märchenschloss in Shanghai eine Modeschule und ein auch mal ein Virtual Reality Labor untergebracht, erinnert sich Sahr, der danach die Spur verloren hat. Doch in Shanghai, ist er fest überzeugt, sei die Grundlage gelegt worden, um Luxemburg zum bevorzugten Standort für chinesische Finanzdienstleister in Europa zu machen, und in Dubai wolle man sich als bevorzugte Plattform für Finanzdienstleister aus dem arabischen Raum etablieren.
Shanghai hat aber auch gezeigt, dass man nicht immer weiß, auf welches Pferd man setzen soll. Zur Eröffnungsfeier hatte damals ein chinesischer Technologiekonzern die gesamte Luxemburger Delegation zur abendlichen Flusskreuzfahrt eingeladen. Der Firmenname Huawei sagte damals kaum jemandem etwas, doch die Luxemburger Diplomaten waren mächtig stolz auf ihre Kontakte zu the next big thing. Also ließen sie den Karaoke-Auftritt des Sohnes einer Huawei-Top-Managerin, der ein Best-of von Micheal Jackson mehr schlecht als recht interpretierte, zähneknirschend über sich ergehen und gratulierten der stolzen Mutter zum Talent ihres Sprösslings. Heute steht Huawei im Zentrum des Handels- und Sicherheitsstreits zwischen China und dem Westen um die 5-G-Infrastruktur. Da sucht man die Nähe zu den Top-Managern wahrscheinlch nicht mehr ganz so dringend.
Der Luxemburger Pavillon in Shanghai hatte 7,2 Millionen Besucher empfangen, zehn Prozent der Expo-Besucher insgesamt. Die gleiche Rate hat man offensichtlich auch diesmal angewendet. Bei 150 000 Expo-Besuchern täglich erwartet man in „Luxemburg“ 15 000, die sich zwischen 15 und 20 Minuten dort aufhalten. In Shanghai hatte man die Gëlle Fra als Joker mitgenommen, um die goldbesessenen Chinesen anzulocken. Damit kann man diesmal nicht auftrumpfen. Doch im Wüsten-Luxemburg gibt es klimatisierte dunkle Räume, Besucher-Toiletten, ein Restaurant mit schattiger Terrasse und einer Rutschbahn für die Kinder, also eigentlich alles, was der müde Expo-Besucher sich kurz vor oder nach dem Hitzeschlag sehnlichst wünscht.
Möglicherweise ist es der nahen Verwandtschaft zwischen dem berühmten Luxemburger Pragmatismus und dem Opportunismus geschuldet, dass der nationale Pavillon im Themenbereich Opportunity entsteht. Die von Metaform entworfene Möbius-Schleife (in der endgültigen Version vom entstellenden Nation-Branding-Logo befreit), kann auf ihren über drei Etagen verteilten 3 648 Quadratmetern Fläche maximal 500 Leute gleichzeitig fassen. Damit sie etwas zu sehen haben, erfindet das schwäbische Büro Jangled Nerves, das die Franzosen von Space Factory an der Seite von Metaform ersetzt hat, gerade eine neue Luxemburger Geschichtsschreibung. Ein bisschen Diversität, ein bisschen Konnektivität mit Satelliten (SES ist nicht umsonst Sponsor und hat Geschäftspartner in Dubai), ein bisschen Nachhaltigkeit – beide passen zum Expo-Thema Connectiong minds, creating the future –, ein wenig Unternehmertum und schwupps geht es über die Rutsche ins schöne Müllerthal. Daneben gibt es einen multifunktionalen Konferenzsaal mit einem Fassungsvermögen von 80 Personen – das entspricht dem Expo-Kompromiss schlechthin. Früher eine Publikumsschau für die Massen, denen technische Neuheiten gezeigt wurden, die sie sonst nirgends sehen konnten, ist die Ausstellung fürs Publikum mittlerweile bestenfalls unterhaltsam, wahrscheinlich aber kaum noch mehr als folkloristische Kulisse für die Geschäftstermine. Schauten sich in Shanghai vielleicht noch die Chinesen die Länder-Pavillons und deren Betreiber mit authentischem Interesse an, denen ein Auslandsurlaub bis dahin unmöglich war, kann man davon ausgehen, dass wer die Expo in Dubai besucht, fliegen kann, wann und wohin er will.
Daher ist es gar nicht so absurd, dass sich Maggy Nagel an erster Stelle für das gastronomische Programm begeistert und einsetzt. Dafür, erklärte sie, habe man mit der Hotelfachschule in Diekirch zusammengearbeitet, deren Schüler die Möglichkeit bekommen, vor Ort Praktika zu absolvieren. Demnächst wolle man sechs bekannte Luxemburger Küchenchefs aussuchen, die jeweils das Menü während eines Monats gestalten werden. Nagel schweben Koch-Shows vor, ihre Schwärmereien für die schattige Terrasse und die Menü-Gestaltung beschwören Bilder der guten alten Foire herauf und die Frage, ob Luxemburger Schweinefleischspezialitäten haram sind.
Was sonst noch so sechs Monate lang im Pavillon passiert? Dafür ist Nagel nicht zuständig wie sie deutlich machte, sondern andere. Fürs Künstlerkollektiv, das sich seit eineinhalb Jahren und vom Focuna mit 350 000 Euro Startkapital unterstützt, mit den Themen Weltausstellung und Dubai und der dortigen Darstellung Luxemburgs auseinandersetzt, wird sie kein Geld zur Verfügung stellen. Das sei Sache des Focuna und des Kulturministeriums, wie es Sache der anderen Ministerien sei, Budgets für Veranstaltungen in Dubai zu beantragen, so Nagel. Die acht Künstler, berichten Regierungsrat Jo Kox und Kollektiv-Koordinator Kevin Muhlen, hätten vor zwei Wochen ihre Projekte vorgestellt. Muhlen findet die Projektvorschläge, die kritische Auseinandersetzung des Kollektivs mit der Thematik, pertinent. Er lobt, ebenso wie Kox, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die in der Form in Luxemburg eher selten sei. Allein diese Zusammenarbeit wertet Kox schon als Erfolg. Viel mehr kann auch Muhlen derzeit nicht sagen, weil noch in der Schwebe ist, welche Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden können. Das liegt auch, aber nicht nur am Geld. Es stellt sich auch die Frage, wie und wo die Projekte konkret räumlich in den Pavillon integriert werden können. Man wolle nicht, dass eine „kulturelle Animation“ daraus werde, und darum werde noch verhandelt, sagt Muhlen. Er ist optimistisch, sagt er. Das muss er auch sein. Nagel, die mit ihren Mitarbeitern klar vor Augen hat, dass es bei der Expo ums Nation Branding und das Anwerben von Investoren geht, sieht die Künstler im Konferenz- und Mehrzweckraum installiert, der abseits des Besucherparcours liegt. Da riskieren sich möglicherweise mehr Pavillon-Besucher für Nagels Kochshows zu interessieren als für kritische Kunst.